Die seltsamen Autofahrer-wünsch-dir-was-Anträge waren in der Vergangenheit eher eine Spezialität der CDU-Fraktion. Auch die zu allerlei Grünen Wellen möglichst vom Zentrum bis zur Autobahn. Sie scheiterten allesamt an der Tatsache, dass Leipzig lauter wichtige Kreuzungen hat und Verkehr nicht schneller wird, wenn eine Piste bevorzugt wird. Aber nun wünscht sich die AfD-Fraktion so eine Piste – ohne Halt einfach raus aus der Stadt. Die Verkehrsplaner dürfen sich wundern.

Straßenbahnnutzer auch, weil ihnen die Fixe-Autofahrer-Fraktion etwas neidet, was es im LVB-Alltag nirgendwo gibt. Nicht einmal auf ausgebauten Stadtbahn-Trassen wie der Linie 15. Aber das sieht man wohl aus der Perspektive einer flotten Limousine anders.

„Seitens der Verwaltung wird geprüft, die Ampelanlagen auf der Prager Straße von der Kreuzung Talstraße bis einschließlich Kreuzung Chemnitzer Straße so einzurichten, dass der KFZ-Verkehr bei einer Geschwindigkeit von 45–50 km/h fließen kann“, lautet der Antrag der AfD-Fraktion. „Geprüft wird im Einzelnen, welcher Aufwand – finanziell und verkehrsplanerisch – damit verbunden wäre, sowie welche Argumente dem Vorhaben entgegenstehen könnten, den Verkehr auf der Prager Straße fließender zu gestalten.“

Die Begründung liest sich dann doch recht wundersam, scheint aber ein Stück weit zu erklären, warum eingefleischte Autofahrer immerzu glauben, Nutzer des ÖPNV würden in Leipzig ständig freie Fahrt haben.

Das klingt dann so: „Die Prager Straße gehört zu den Ausfallstraßen, auf denen der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV), in diesem Falle die Straßenbahn, am höchsten beschleunigt wird. Sie fährt weitgehend auf einem separaten Gleisbett, sodass der motorisierte Verkehr in gleichem Maße nebenher fahren könnte, würden nicht die derzeitigen Ampelschaltungen dem entgegenstehen. Da die Straßenbahn auf der Prager Straße auch nicht nach rechts, also über die Fahrbahn der KFZ hinweg, abbiegt, würde diese dadurch nicht behindert.“

Vorteile meint die AfD auch entdecken zu können: „Der Verkehr wird beschleunigt, was auch Rettungsdiensten und der Wirtschaft zugute käme. Zudem wird der KFZ-Verkehr zu einer gleichmäßigen Geschwindigkeit gezwungen, was die Konzentrationsfähigkeit erhöht, dadurch die Unfallhäufigkeit vermindert und überhöhte Geschwindigkeiten (um grüne Ampeln gerade noch zu passieren) verhindert. Bestes Beispiel ist unsere Partnerstadt Hannover, die durch intelligente Ampelschaltungen auf Ausfallstraßen große Akzeptanz bei der Bürgerschaft erfährt.“

Seltsamerweise müssen aber auch Straßenbahnen an Kreuzungen halten. Was man eigentlich vom Auto aus sehen müsste. Denn auch an der Prager Straße gibt es mehrere große Kreuzungen, an denen querende Hauptstraßen beachtet werden müssen. Dazu kommen mehrere Haltestellen – an ein einfaches Durchfahren ohne Ampelschaltungen ist gar nicht zu denken, an eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 45 bis 50 km/ h erst recht nicht. Straßenbahnen in Leipzig schaffen im Schnitt 19 km/h. Der einzige Vorteil, den sie genießen, ist, dass sie an einigen Kreuzungen eine Vorrangschaltung bekommen und als erste über die Kreuzung fahren dürfen.

Und an Ampeln denkt man auch als Fußgänger, denn an der Prager Straße kommt man oft nur deshalb sicher über die Straße, weil Fußgängerampeln dafür sorgen, dass die flotten Fahrer einfach mal anhalten müssen. Flotte Fahrer, die lieber mit 50 zur nächsten Ampel brettern, als die meistens auf 30 km/h ausgerichtete Ampelschaltung für ein Fahren ohne quietschende Bremsen zu nutzen.

Tatsächlich versuchen Leipzigs Verkehrsplaner schon seit Jahren, die Flüssigkeit aller Verkehrsarten in Leipzig mit einer Optimierung des Verkehrsleitsystems hinzubekommen.

Darauf zielte ja 2017 schon ein Antrag von CDU und SPD, auf den das zuständige Planungsdezernat u. a. erwiderte: „Mit Datum vom 24.11.2017 wurde beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur seitens der Stadt Leipzig ein Antrag auf Gewährung einer Bundeszuwendung zur Erstellung eines Masterplanes für die Gestaltung nachhaltiger und emissionsfreier Mobilität im Rahmen der Fördermaßnahme ,Automatisierung und Vernetzung im Straßenverkehr‘ gestellt.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom 20.12.2017 positiv bewilligt. Der Masterplan enthält u. a. das Arbeitspaket 1 ,Verkehrsorganisatorische Maßnahmen an Hotspots/Verknüpfung Leitsysteme MIV/ÖPNV‘. In diesem Arbeitspaket wird das digitale Verkehrsleitsystem weiterentwickelt werden, um eine Verkürzung und Optimierung von Fahrzeiten für MIV, Wirtschaftsverkehr und ÖPNV zu erreichen.“

Nur geht es hier eben nicht nur um freie Fahrt für flotte Autofahrer, sondern auch um ÖPNV und Wirtschaftsverkehr. Denn so besonders flott ist die Linie 15 auf der Prager Straße auch nicht unterwegs. An den großen Kreuzungen, wo allerlei Kraftfahrzeuge von der Prager Straße abbiegen, kann man ganze Romane von Tolstoi lesen, bevor es endlich weitergeht. Bis zur nächsten Kreuzung.

Sind ja nicht nur Straßenbahnen, die gern abbiegen, sondern auch jede Menge Autofahrer. Man wundert sich jedes Mal.

Ortschaftsrat Mölkau beantragt die Entfernung des A14-Hinweises an der Kommandant-Prendel-Allee

Ortschaftsrat Mölkau beantragt die Entfernung des A14-Hinweises an der Kommandant-Prendel-Allee

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 1. Oktober 2019): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 450 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 3 Kommentare

Könnte man doch mal drüber nachdenken, extra für alle von der AfD. Aber nur einmal und nur sie versprechen, wirklich nie wieder zu kommen.

Als nächstes kommt dann bestimmt wiedermal sowas mit einem “Tunnel”.
(Also, wenn der dann manche direkt nach “Hohlerde” führen würde, so aus Leipzig raus.. ^^)

Schreiben Sie einen Kommentar