Ein Jahr hat es gedauert – mit heftigen Diskussionen, deutlichen Einsprüchen durch die Leipziger Architekten, die den Stadtratsbeschluss vom Frühjahr 2024, das ehemalige Technische Rathaus in der Prager Straße einfach abzureißen, für völlig falsch hielten. Fachlich und sachlich für falsch. Damals ging es eigentlich nur um den Ankauf des Grundstücks durch die Stadt. Aber voreilig hatte die Verwaltung auch gleich den Abriss des noch völlig intakten Betonskelettbaus mit in die Vorlage geschrieben. Am 25. Juni wurde das zumindest aufgehoben.

Die Diskussion wurde noch einmal etwas länger, auch weil einige Fraktionen ihre Kritik am Vorgehen der Verwaltung im Frühjahr 2024 deutlich machen wollten. Baubürgermeister Thomas Dienberg und Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning betonten zwar in ihren einleitenden Reden, dass der Abrissbeschluss damals auf nicht ausreichenden Informationen beruhte.

Aber da hatten in diesem Fall nun einmal die Grünen recht, die im Lauf des Jahres immer wieder Vorstöße unternahmen, den Abriss zu verhindern. Nicht nur wegen der gespeicherten Grauen Energie in dem hochwertigen Verwaltungsbau aus DDR-Zeiten, sondern auch wegen der längst in allen Fraktionen aufschlagenden Einsprüche der Leipziger Architekten und Ingenieure, die die Qualität des Baus betonten und seine Eignung für eine Weiterverwendung.

So gesehen tat sich die Verwaltung sehr schwer, sich von ihrem Abriss-Gedanken zu trennen, auch wenn 2024 – außer Grünen und AfD-Fraktion – die Ratsmehrheit dem Abriss zustimmte. Möglicherweise tatsächlich davon ausgehend, dass die Verwaltung ausreichend geprüft hatte und ein Abbruch der Betonteile unausweichlich wäre. Kostenpunkt allein dafür: 11 Millionen Euro.

Sinnlose Eile

Aber tatsächlich gab es die Mahnungen schon vor dem damaligen Stadtratsbeschluss. Die Fraktionen waren alle gewarnt. Die Linksfraktion wollte sogar eine Prüfung des Abrisses, wie Franziska Riekewald noch einmal erklärte, drang damit aber nicht durch.

Frau Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer
Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer

Und nun? Nun ist erst einmal der Abrissbeschluss von 2024 vom Tisch. Und zur Wahrheit gehört eben auch: Er hätte niemals zusammen mit dem Kaufbeschluss gefasst werden dürfen. Das war nicht nur übereilt. Es hätte schon Tatsachen geschaffen, die eigentlich erst in einem richtigen Wettbewerbsverfahren getroffen werden sollten.

Praktisch alle Fraktionen hatten jetzt noch einmal Änderungsanträge geschrieben. Die Verwaltung lud die Stadträte zu Baustellenrundgängen ein, wo sie sich selbst ein Bild vom Zustand der Bausubstanz machen konnten, der – zur Überraschung einiger Stadträte – zu einem Drittel sogar Neubau ist.

Hier hatte ja die GC Gruppe in ihren guten Zeiten schon begonnen, aus dem Verwaltungsbau ein modernes Wohnensemble zu machen. Was dann scheiterte und überhaupt erst den Weg eröffnete, dass Leipzig Grundstück und Bau erwerben konnte.

Die Kostenschätzung für drei mögliche Varianten beim Umgang mit dem ehemaligen Technischen Rathaus. Grafik: Stadt Leipzig
Kostenschätzung für drei mögliche Varianten beim Umgang mit dem ehemaligen Technischen Rathaus. Grafik: Stadt Leipzig

In der Vorlage der Stadt sind die Kostenschätzungen für die drei mögliche Varianten abgebildet – mit der teuersten Varianten, die nun einmal der Abriss und Komplettneubau bedeutet, über den nicht ganz so teuren Teilabriss bis zum Gesamterhalt der Bausubstanz, die auch die größte Kostenersparnis in Millionenhöhe ermöglicht.

Ein zäh erkämpfter Kompromiss

Aber die Entscheidung am 25. Juni war noch keine Festlegung. Tatsächlich war sie lediglich die Rücknahme des völlig übereilten Abrissbeschlusses von 2024. Und das Einschwenken auf den eigentlich regulären Kurs, den die Stadt bei solchen Bauvorhaben gehen sollte. CDU-Stadträtin Sabine Heymann sprach sogar von einem „sehr, sehr holprigen Start“.

Denn ganz offensichtlich fiel es Teilen der Verwaltung unheimlich schwer, im Kopf umzuschwenken, die Kritik ernst zu nehmen und dann die Ratsfraktionen tatsächlich in die Entscheidungsfindung einzubinden.

Frau Sabine Heymann (CDU) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer
Sabine Heymann (CDU) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer

Der wichtigste Punkt aus der mehrfach überarbeiteten Vorlage der Stadt lautete jetzt: „Der Beschlusspunkt 5 der Vorlage VII-DS-09692-NF-04 wird bis zur Entscheidung über den Planungsbeschluss aufgeschoben und die Variante ‘Erhalt und Anbau’, mit dem Ziel der weitestgehenden Nutzung des vorhandenen Rohbaus, wird als weitere Planungsgrundlage beschlossen. Für den Fall der Aufhebung des Beschlusses im Zusammenhang mit dem Planungsbeschluss entfällt die Kompensation der CO₂-Äquivalente, welche mit einem Abriss angefallen wären.“

Zahlen zu dieser Kompensation für die 13.400 Tonnen gebundenen CO₂ geisterten auch schon durch den Raum. Von 100.000 neu zu pflanzenden Bäumen war die Rede. Und das in einer Stadt, die für solche großen Kompensationsflächen überhaupt keinen Platz mehr hat.

Aber der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dr. Tobias Peter kritisierte am 25. Juni eben auch berechtigterweise, dass sich die Ratsmehrheit 2024 dem Grünen-Vorstoß verweigerte, den Abrissbeschluss eben noch nicht zu fällen.

Herr Tobias Peter (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer
Tobias Peter (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer

Aber der nun vom gesamten Stadtrat beschlossene Kompromiss bedeutet nun einmal auch, dass die eigentliche Entscheidung, ob etwas abgerissen werden muss, in einem regulären Wettbewerbsverfahren zu klären ist. Dann sind es nämlich ausgebildete Architekten, die einschätzen können, ob und wie man so ein Bauskelett in einen modernen Verwaltungsbau einbeziehen kann und dabei trotzdem moderne Arbeitsplätze schafft. Und erst wenn dann der Wettbewerbssieger feststeht, geht es an den eigentlich wichtigen Beschluss: den Planungsbeschluss.

Genau diese eigentlich selbstverständliche Handlungsfreiheit hat die Stadt indessen zurückgewonnen.

Noch zwei Extra-Wünsche aus der BSW-Fraktion

Nur die BSW-Fraktion hat nicht alle ihre Änderungswünsche zurückgezogen. Zwei Punkte aus dem Änderungsantrag der BSW-Fraktion waren Sascha Jecht doch so wichtig, dass er sie trotzdem noch zur Abstimmung stellte. Es waren die Punkte 7 und 8 aus dem BSW-Änderungsantrag:

Herr Sascha Jecht (BSW) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer
Sascha Jecht (BSW) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer

„7. Die Qualität des neuen Gebäudes soll zwar hochwertig und funktional anspruchsvoll gestaltet sein, jedoch soll ein übermäßig repräsentativer Charakter vermieden werden (vgl. VII-DS-09692-NF-04, Punkt 3.2). Der architektonisch-technische Anspruch soll sich in Einfachheit, Effizienz und Pragmatismus widerspiegeln; entsprechende Zertifizierungen (DGNB) und Förderungen werden hierbei geprüft.

8. Im Hinblick auf die städtebauliche Wirkung ist eine Aufwertung des Straßenraums anzustreben. Auch weiterführende Standards – etwa über die Arbeitsstättenrichtlinie hinausgehende wie ESG-Kriterien – sollen in Bezug auf einen komfortablen und qualitätsvollen Arbeitsplatz für Arbeiter und Büroangestellte berücksichtigt werden, insbesondere im Sinne der Attraktivität unserer Leipziger Verwaltung.“

Da schimpfte zwar auch Jecht über die verfehlte Entscheidung des alten Stadtrats im Frühjahr 2024. Aber irgendwie ist das wohl regelrecht menschlich, dass Stadträte auch schon im Vorfeld von kommenden Entscheidungen gern vorher Beschlüsse gefasst sehen wollen und in diesem Fall Einfluss auf die Wettbewerbsausschreibung nehmen wollen. Beide Punkte bekamen trotzdem eine notwendige Mehrheit.

Beschlossen wurde freilich auch, dass die Sicherung des Gebäudes für die Jahre 2025 und 2026 mit rund 3,6 Millionen Euro abgesichert wird. Das wäre dann eigentlich die Zeit, ein ordentliches Wettbewerbsverfahren in Gang zu bringen, in dem dann renommierte Architekten zeigen können, was man mit der Bausubstanz des ehemaligen Technischen Rathauses alles anfangen kann.

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Es gibt 3 Kommentare

Ich tippe mal darauf, dass sich jetzt für die im Endeffekt teuerste Variante entschieden wurde.
Es wird Probleme geben, die man bei einem 100% Neubau nicht gehabt hätte.
Alleine schon die Verzögerung wird eine Menge kosten.
Sei es drum, ist ja nicht das Geld der Stadtverwaltung.

“Nicht nur wegen der gespeicherten Grauen Energie in dem hochwertigen Verwaltungsbau aus DDR-Zeiten, sondern auch wegen der längst in allen Fraktionen aufschlagenden Einsprüche der Leipziger Architekten und Ingenieure, die die Qualität des Baus betonten und seine Eignung für eine Weiterverwendung.”
Die Architekten, welche sich zu der Sache geäußert haben, waren nicht auf der Baustelle und haben sich das Objekt genauer angesehen. Die gesamte Stellungnahme war Spekulation.
Im schlechtesten Falle verliert man durch die Verfahrensänderung 3 Jahre und muss darauf hoffen, doch noch etwas länger im aktuellen Technischen Rathaus residieren zu dürfen.

Ein trauriger Tag für die Angestellten der Stadtverwaltung und die städtebauliche Architektur Leipzigs. Ein hoch auf die Architektenschaft, die aktuell schon nur absolut uninspirierte weiße Betonklötze in die Leipziger Gründerzeitviertel setzt.

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