Es war eine ziemlich seltsame Idee, als die Bundesregierung 2005/2006 ihre sogenannte Exzellenzinitiative startete, ein Förderprogramm für deutsche Hochschulen, mit dem eigentlich Spitzenforschung etabliert und gestärkt werden sollte. Doch schon in den ersten Runden zeigte sich, dass gerade die finanzschwächeren Universitäten im Osten deutlich geringere Chancen hatten, an die Millionenförderung zu kommen. Und das ist auch in der 2017er-Runde nicht anders, stellt das IWH in Halle fest.

Wie auch in den vorhergehenden Runden zeigt sich auch diesmal, dass Universitäten, die eh schon mit sparsamen Etats auskommen müssen und über kein reiches Hinterland verfügen, in solchen Wettbewerben schlechte Karten haben. Denn solche Projektbewerbungen kosten Zeit, Geld und vor allem die Kraft ganzer Teams, die sich darum kümmern, das Projekt überhaupt erst einmal wettbewerbsfähig zu machen.

Da ist zwar das ureigenste Wesen von Universitäten angesprochen – nämlich neue Wissens- und Forschungswelten vorausdenken zu können und entsprechend durchstrukturiert zu entwickeln. Aber je geringer die personellen und finanziellen Spielräume bei den Bewerbern sind, umso weniger Ressourcen stehen zur Entwicklung solcher Projekte zur Verfügung.

Universitäten, die also sowieso schon über größere Ressourcen verfügen, hatten logischerweise auch mehr Power, in diesem Wettbewerb die meisten Punkte zu sammeln.

Und das scheint auch 2017 so zu sein. Zumindest kommt das Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle zu dieser Einschätzung.

Die Entscheidung, welche Universitäten im Rahmen der „Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder“ einen Exzellenzcluster und damit millionenschwere Förderung beantragen dürfen, ist gefallen. Drei ostdeutsche Bundesländer gehen leer aus. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sieht hier einen direkten Zusammenhang zwischen der unterrepräsentierten Forschung und Entwicklung in Ostdeutschland und dem stockenden wirtschaftlichen Aufholprozess.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat Ende September 2017 bekanntgegeben, welche Universitäten Vollanträge in der Förderlinie Exzellenzcluster stellen dürfen. 88 von 195 Antragsskizzen haben es in die Endrunde des mehrstufigen Auswahlprozesses geschafft.

„Im Großen und Ganzen korrespondiert die Anzahl der in der ersten Stufe erfolgreichen Anträge mit dem Bevölkerungsanteil der Bundesländer“, macht das IWH auf einer entsprechenden Skizze deutlich. „Die Universitäten in den drei ostdeutschen Flächenländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt können jedoch keinen einzigen Vollantrag stellen. Sachsen ist unter den ostdeutschen Bundesländern das einzige, in dem der Anteil der erfolgreichen Anträge auf der ersten Stufe höher als der Bevölkerungsanteil ist. In Westdeutschland ist die Situation heterogen; besonders erfolgreich waren die Universitäten in Baden-Württemberg.“

Die deutsche Forschungsgemeinschaft hatte zum weiteren Fortgang des Wettbewerbs mitgeteilt: „Für den weiteren Verlauf des Wettbewerbs sollen die ausgewählten Skizzen nun bis zum 21. Februar 2018 zu Förderanträgen ausgearbeitet und wiederum bei der DFG eingereicht werden. Nach erneuter Begutachtung in international besetzten Panels im Frühjahr 2018 entscheidet am 27. September des kommenden Jahres die Exzellenzkommission darüber, welche Projekte gefördert werden (…) Die dann erfolgreichen Exzellenzcluster werden ab 1. Januar 2019 gefördert. Die Förderdauer beträgt sieben Jahre, wobei nach einer erfolgreichen Wiederbewerbung eine zweite Förderperiode von ebenfalls sieben Jahren folgen kann. Für die in der Verwaltungsvereinbarung veranschlagten 45 bis 50 Exzellenzcluster sind dabei jährlich rund 385 Millionen Euro Fördermittel vorgesehen, die zu 75 Prozent vom Bund und zu 25 Prozent vom jeweiligen Sitzland bereitgestellt werden.“

Die Universität Leipzig zum Beispiel darf einen Vollantrag für das Programm „Adipositas verstehen“ einreichen.

Wie sehr auch Landespolitik in diesen „Exzellenzwettbewerb“ hineinwirkt, macht die Erfolgsverteilung der sächsischen Anträge deutlich. Die Anträge der TU Chemnitz und der TU Bergakademie Freiberg haben es gar nicht erst in die nächste Runde geschafft. Für die Universität Leipzig ist ein einziger Antrag eigentlich viel zu wenig – aber schon die vorhergehenden Runden hatten stets gezeigt, dass für mehr als einen aussichtsreichen Antrag die Ressourcen (personell vor allem) fehlen. Hingegen zur TU Dresden vermeldet die sächsische Staatsregierung stolz: „Die TU Dresden errang einen großen Zwischenerfolg. Sie darf nun sechs Vollanträge einreichen.“

Durch den Erfolg bei der zurückliegenden Exzellenzinitiative wurde die TU Dresden von den großen Personalkürzungen an Sachsens Hochschulen zurückgestellt.  Der Erfolg im Wettbewerb machte sich also gleich doppelt bezahlt. Gleichzeitig wurde ganz zentral der Ausbau wichtiger Forschungscluster gefördert, die nun auch die nötigen personellen Ressourcen haben, um in solchen Wettbewerben erfolgreich mitmischen zu können. Im Fall der TU Dresden sind das Mikroelektronik, Informationstechnologie, Materialwissenschaft und Biomedizin.

Das ist zwar für Sachsen ein Erfolg, zeigt aber, wie sehr der Uni Leipzig die Kraft fehlt, weitere zukunftsweisende Forschungscluster zu entwickeln und wettbewerbsreif zu machen.

Der unterschiedliche Erfolg der ost- und westdeutschen Universitäten in der Förderlinie Exzellenzcluster mache erneut deutlich, dass Forschung und Entwicklung in Ostdeutschland unterrepräsentiert sind, betont das IWH.

Und dann geht Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makro­ökonomik und Vizepräsident am IWH, auf einen Aspekt ein, der im Bologna- und Exzellenz-Denken der deutschen Politik immer wieder untergeht: Eigentlich brauchen gerade Bundesländer im Anpassungsprozess dringend Unterstützung beim Aufbau neuer, moderner Forschungszweige, die die Basis für neue wirtschaftliche Entwicklungen bieten können.

Aber wenn immer wieder nur jene Länder und Hochschulen abräumen, die sowieso schon stark gefördert werden, verstärkt der Exzellenzwettbewerb die Ungleichgewichte.

„Dies ist eine der Hauptursachen dafür, dass es beim wirtschaftlichen Aufholprozess Ostdeutschlands kaum Fortschritte gibt und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Ostdeutschlands weiter etwa 20 % unter der­jenigen Westdeutschlands liegt“, sagt Holtemöller.

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