Da hat die LVZ am 14. Mai wohl so richtig danebengehauen mit ihrem Interview mit Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz, das sie betitelte mit „Kinder- und Jugendkriminalität explodiert – Leipzigs Polizeichef schlägt Alarm“. Zwei Antworten aus Landtag und Stadtrat zeigen nun, dass von Explosion keine Rede sein kann. Augenscheinlich war da wirklich jemand unfähig, Statistiken richtig zu lesen.

Lernt man ja nicht in der Schule, oder? Aber man kann mit falsch gelesenen Zahlen so richtig Stimmung machen in einer Stadt wie Leipzig. Bis dann die Anfragen an die verantwortlichen Instanzen da sind, kocht die Stimmung hoch. Aber die Antworten sind da. Die L-IZ berichtete darüber.

Laut der Antwort auf eine Stadtratsanfrage der Linken ist bei der Kinder- und Jugendkriminalität in Leipzig nur ein geringer Anstieg zu verzeichnen. Der Leipziger Polizeipräsident hatte im Mai diesen Jahres in der Leipziger Volkszeitung von einer Explosion der Zahlen gesprochen, kritisiert nun auch Juliane Nagel, die jugendpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat.

Die absoluten Steigerungsraten im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität erscheinen auf den ersten Blick immens. Laut Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Enrico Stange gab es in der Stadt Leipzig bei Kindern (unter 14-Jährige) einen Anstieg von 638 Straftaten (2015) auf 1.624 im Jahr 2016. Bei Jugendlichen (14 bis 18 Jahre) stieg die Zahl der Straftaten von 1.912 (2015) auf 2.705 (2016).

Diese Zahlen müssen allerdings in Relation zum allgemeinen Bevölkerungswachstum gesetzt werden, das selbstverständlich auch die Zahlen Kinder und Jugendlicher betrifft. So stieg beispielsweise die Zahl der 15 bis 20-Jährigen von 21.446 im Jahr 2015 auf 23.133 im Jahr 2016. Das ist eine Steigerung um fast 8 %.

„Zudem gab es mit der gestiegenen Zahl von Geflüchteten, darunter auch unbegleitete Minderjährige, einen deutlichen Aufwärtstrend bei den Asyl- und Aufenthaltsdelikten – Straftaten, die nur von Menschen ohne deutschen Pass begangen werden können. Bei den von Kindern begangenen Straftaten machen die entsprechenden Delikte mehr als 68 % aus, bei Jugendlichen immerhin noch ca. 21 %“, so Juliane Nagel zum Hintergrund der „explodierenden“ Zahlen.

„Die Stadtverwaltung kommentiert die Entwicklung der Kinder- und Jugendkriminalität in Antwort auf die Anfrage meiner Fraktion wie folgt: Die Statistik der Polizei zeigt, „dass es keine erhebliche Zunahme bei den tatverdächtigen Kindern und Jugendlichen gibt. So stieg die Zahl der tatverdächtigen Kinder von 2015 auf 2016 um 10 Fälle, das sind 2,1 % und die der Jugendlichen um 122 Fälle, das sind 10,4 %.“

„Herausgerechnet sind hier richtigerweise die Straftaten nach Asyl-, Aufenthalts- und EU-Freizügigkeitsgesetz und damit Straftaten, die insofern zwangsläufig erfasst werden, weil sie zumeist durch die als Straftat gewertete Einreise nach Deutschland begangen werden. Diese Zahlen vernebeln den Blick auf die tatsächliche Entwicklung der Kinder- und Jugendkriminalität“, stellt Juliane Nagel fest. „Fakt ist also: Bevor über Maßnahmen und Handlungsbedarfe gesprochen wird, müssen Statistiken richtig gelesen und ausgewertet werden. Panikmache auf Basis falscher Zahlen nutzt niemandem etwas. Es steht zu vermuten, dass es sich bei der geringen Steigerung der Kinder- und Jugendkriminalität um ganz normale statistische Schwankungen handelt.“

Dass die Zusammenarbeit von Stadt und Polizei zur Verhinderung von Jugendkriminalität weitergehen muss, das hält die Stadträtin, die für die Linke auch im Landtag sitzt, für selbstverständlich. Aber sie sieht die Ursachen eben nicht in einer „kriminellen Veranlagung“ von bestimmten Bevölkerungsgruppen (wie ja gern diskutiert wird), sondern in sozialer Benachteiligung und Armut.

„So oder so muss darüber gesprochen werden, wie präventiv gegen Kinder- und Jugendkriminalität gehandelt werden kann. Dies kann nur bedeuten, endlich wirksam gegen das Problem der Kinderarmut vorzugehen – Leipzig ist hier in Sachsen immer noch negativer Spitzenreiter, jedes 4. Kind lebt hier von Sozialleistungen, kann nur bedeuten, Familien zu stärken und eine stabile und vielfältige Kinder- und Jugendhilfelandschaft zu gewährleisten“, so Juliane Nagel.

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“Augenscheinlich war da wirklich jemand unfähig, Statistiken richtig zu lesen.”
Die richtige Deutung der Statistik hätte aber nicht so viel Aufmerksamkeit gebracht. Aber ich muss ja mal sagen, für ne Schlagzeile Kinder zu benutzen ist echt unterste Schublade. Da kann man ja fast nur hoffen, dass die da in der Redaktion wirklich “nur” zu blöd zum lesen sind und gar nicht geplant hatten, ihre Auflage auf dem Rücken der Kinder zu erhöhen.

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