Während das Amt für Stadtgrün und Gewässer sich so überzeugt davon zeigte, dass man eine funktionierende Kommunikationsstrategie zum Auenwald habe, zeigt jeder Besuch im Leipziger Stadtwald, dass es nicht mal den Ansatz einer solchen Strategie gibt. Und auch keinen Ansatz, die Zerstörung des geschützten Waldes zu unterbinden. Ein Problem, auf das jetzt Marcus Weiss (Die PARTEI) mit einem Stadtratsantrag aufmerksam macht.

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den Schutz des NSG Elster-Pleiße-Auwald mit konkreten Maßnahmen umzusetzen, um dem spätestens seit der Corona-Pandemie erhöhten Nutzungsdruck und den dadurch verschärften Beeinträchtigungen des Gebietes Rechnung zu tragen“, lautet er.

„Dazu soll an allen das Schutzgebiet tangierenden Wegen eine Beschilderung installiert werden, um Besucher zu sensibilisieren und am Verlassen der Wege, Baden der Hunde und Anlegen von Einrichtungen jeglicher Art zu hindern.“

Solche Schilder vermisst man tatsächlich. Obwohl auch die Stadt die Folgen kennt. Jahr um Jahr durchziehen immer neue Trampelpfade die Waldgebiete, die sich ziemlich schnell zu breiten Wegen ausweiten, weil dem ersten Wildnis-Jogger bald der nächste folgt, ihnen folgen die Mountain-Biker, die sich Auwaldreviere zum Abenteuer-Parcours ausbauen.

Schön zu beobachten war auch, als einige gewerbliche Bärlauchpflücker vor wenigen Jahren begannen, mit ihren Anhängern gleich mitten hineinzufahren in die Bärlauchwiesen. Aus den so verursachten Fahrspuren wurden ausgetretene Wege, die immer breiter wurden. Irgendein Zeichen, dass die Forstverwaltung auch nur bemerkt hätte, was da passierte, war nicht zu sehen.

Da werden natürlich alle Versuche, den Schutz des Auenwaldes überhaupt zu diskutieren, zur Farce. Es fehlen schlicht die Signale an die Zeitgenossen, die für ihren Fitness-Spaß den Auenwald zum schnöden Waldparcours machen.

Die Spuren der gewerblichen Bärlauchpflücker. Foto: Ralf Julke
Die Spuren der gewerblichen Bärlauchpflücker. Foto: Ralf Julke

Worüber auch der Stadtrat bis heute nicht diskutiert hat, auch nicht beim Kommunikationskonzept zum Auenwald. Es geht eben nicht nur darum zu vermitteln, was die Forstbewirtschaftungen bezwecken. Die Diskussion läuft ins Leere, wenn nicht einmal die Sorge um den Schutz des geschützten Waldes sichtbar wird.

Ein paar Schilder mit Eulen auf gelbem Grund reichen nicht. Die meisten Zeitgenossen wissen nicht einmal, was diese Schilder implizieren. Das lernen sie nämlich nicht mehr in der Schule, wenn das Thema in Biologie- oder Geographieunterricht überhaupt noch drankommt.

Also setzt sich das übliche Denken der Optimierungsgesellschaft durch: Man nimmt sich, was keinem gehört.

Und nur Menschen wie Marcus Weiss blutet bei so einem Anblick das Herz: „Weiterhin sollen die bestehenden Trampelpfade und Mountainbike-Strecken gesperrt und bereits errichtete Bauwerke wie Staudämme und Schaukeln, oder andere private Einrichtungen wie Flöße zurückgebaut werden. Zudem soll die Einhaltung der Verbote regelmäßig kontrolliert werden, wie es z. B. bereits am Floßgraben zur Einhaltung der Allgemeinverfügung erfolgt. Die Maßnahmen sollen ausdrücklich vor der Erarbeitung eines Auenentwicklungskonzeptes für die Südliche Aue erfolgen, da akuter Handlungsbedarf besteht, die Ausweisung als Naturschutzgebiet bereits erfolgt ist und die damit verbundenen Gebote und Verbote unstrittig sind.“

Kann es sein, dass Leipzig den Zeitpunkt verschlafen hat, als mit der Deklarierung der Schutzgebiete auch eine belastbare Informationskampagne hätte erfolgen sollen?

Linke unterstützt Auwaldentwicklungskonzept, will aber unbedingt eine Bauleitplanung für den Auwald

Linke unterstützt Auwaldentwicklungskonzept, will aber unbedingt eine Bauleitplanung für den Auwald

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 3 Kommentare

Es ist natürlich richtig, dass es im Auwald zu viele Trampelpfade gibt und der Nutzungsdruck immer mehr zunimmt.
Es dürfte natürlich schwierig sein, die Bevölkerung zu sensibilisieren, Wege nicht zu verlassen, wenn die Forstwirtschaft weiter an ihrer überholten Forstideologie festhält und meint, mit schweren Maschinen und waldzerstörenden Methoden in den Wald – auch in die Naturschutzgebiete (auch im NSG Elster-Pleiße-Auwald, wo massive Altdurchforstungen und Kleinkahlschläge durch Stadtforsten erfolgten)! – einrücken zu müssen. Und – fast noch schlimmer – diese noch durch alle in Leipzig aktiven Naturschutzverbände – mit Ausnahme NuKLA – und Biologieprofessoren der integrativen Biodiversitätsforschung (beraten von der bundesweiten Lobby Forst und Holz) unterstützt werden und erzählt wird, dass auf Rückegassen die Pflanzenartenvielfalt erhöht wird, was nur erklärt, dass man den Begriff Biodiversität im systemischen Sinne überhaupt nicht verstanden hat (somit dürften die Trampelpfade doch auch die Artenvielfalt erhöhen oder?)!
So verkommt Schutz zum Psuedoschutz!
Peter Wohlleben hat das mal schön formuliert: “Ein Naturschutzgebiet ist ein Schutzgebiet, in dem nur die Harvester die Wege verlassen dürfen”.

Das geht weiter mit den Trampelpfaden über Grünanlagen wie vorm Roßplatz, Nürnberger Straße, Stadtzentrum usw. Sogar mit dem Fahrrad wird über die Rasenflächen gefahren. Man könnte sich jeden Tag aufregen über soviel Umweltfrevel!

Große Zustimmung.

Leider ist es so: gesellschaftlichem Eigentum (nicht: “was keinem gehört”) wird mittlerweile NULL Respekt gezollt.
Es gehört uns allen und wir alle bezahlen indirekt die Pflege und die Betreuung dieser Güter. Und wollen diese genießen.
Gerade deswegen sollte es uns nicht egal sein und der Erhalt muss vor gesellschaftsschädigenden Subjekten geschützt werden.

Was hier gut für den Auenwald beschrieben wird, existiert mitten in der Stadt genauso.
Ich erinnere gern und wieder an den Lene-Voigt-Park:
Hier fahren Radfahrer in größen Bögen über die Wiese, um 2 sek zu sparen.
Fast jede Wegecke mit Gras ist keine mehr, sondern nur noch Wüste oder matschiger Schlamm.
Jedes Mal kommen mir vor Wut Gedanken, hier einmal Reißzwecken auszustreuen…
Jogger laufen konsequent die Wiese am Rand herunter und sichtbar geschädigter Rasen wird von freiheitsliebenden Bürgern so lange malträtiert, dass nur noch Erde übrig ist.

Wo bleibt der Respekt und die Achtung vor gemeinschaftlichem Eigentum?
Solange diverse Bürger offensichtlich keine vernünftige Erziehung genossen haben, muss das Ordnungsamt verstärkt werden!
Ob nun in der Stadt oder im Wald.

Schreiben Sie einen Kommentar