Man fühlt sich zunehmend an die kleine Welt der "Leute von Seldwyla" erinnert, wenn sich die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg zum Stelldichein einfinden und so kleine Pakte schließen gegen die großen Veränderungen, die sie nicht wahrhaben wollen. Bergeweise haben sie Briefe geschrieben, im Bundesrat eine Abfuhr bekommen. Und trotzdem haben sie nun das nächste Papier verfasst: Lasst uns doch bitte unsere Kohle!

Geschrieben haben es die beiden Landesregierungen bei einer gemeinsamen Kabinettsitzung mittendrin im Problemgebiet, der Lausitz: in Görlitz. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich hatte ins Schlesische Museum der Europastadt eingeladen.

Und aus Sicht der beiden Provinzregierungen heißt die Zukunft der Lausitz nun einmal Kohle.

“Die Landesregierungen betonten die große Bedeutung der Braunkohle-Industrie für die regionale Wirtschaftskraft der brandenburgisch-sächsischen Lausitz. Erklärtes Ziel ist es, den angekündigten Eigentümerwechsel des Braunkohlegeschäfts von Vattenfall aktiv zu begleiten und den bislang erfolgreichen Strukturwandel in der Region weiterhin zu unterstützen”, heißt es in einem entsprechenden Beschluss. Was sie ja schon getan haben, indem sie gleich die nächsten Tagebauaufschlüsse anboten, damit sich nur ja ein Käufer findet, wenn sich der schwedische Energiekonzern von seinen Tagebauen in der Lausitz trennt.

Kein Wort darüber, dass der Strompreis, die Renditen und sogar die Preise für Kraftwerke und Tagebaue seit Monaten im Sturzflug sind und dass Vattenfall sich von seinem ostdeutschen Kohleengagement trennen will, weil es sich wirtschaftlich nicht mehr rechnet.

Es geht nicht um eine viel beredete Benachteiligung, auch wenn Sachsens Regierungschef glaubt, dass die mit dem vom Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabiel vorgelegten “Eckpunktepapier Strommarkt“ beabsichtigt wäre. Tatsächlich hat der erstmals seit zehn Jahren wieder ein Papier vorgelegt, dass einen einigermaßen geordneten Ausstieg aus der Braunkohleverstromung ermöglicht.

Doch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und sein sächsischer Amtskollege Tillich wollen noch nicht springen.

Noch einmal warnten sie davor, “die Braunkohle einseitig zu benachteiligen. Für einen fairen Wettbewerb der Energieträger untereinander seien langfristig stabile Rahmenbedingungen erforderlich. Die bisherigen Vorschläge des Bundeswirtschaftsministeriums zur CO2-Reduzierung verschlechterten die Rahmenbedingungen für die Braunkohlenutzung in Brandenburg und Sachsen deutlich.”

Und sie versuchen wieder, was schon im Bundesrat gescheitert ist: Beide Landesregierungen forderten die Bundesregierung auf, sich klar zur Braunkohle als Partner der Energiewende und als strukturbestimmender Faktor in der brandenburgisch-sächsischen Lausitz zu bekennen.

Stanislaw Tillich appellierte: „Nötig ist eine klare und verlässliche Perspektive. Dass die betroffenen Bundesländer jetzt beteiligt werden, ist der richtige Weg. Wir brauchen die Braunkohle als Brückentechnologie, damit die Energiewende gelingt. Es geht darum, dass Strom bezahlbar und zuverlässig verfügbar ist. Nicht zuletzt sichert die Braunkohle unsere heimischen Arbeitsplätze und verringert die Abhängigkeit von Energieimporten.“

Und Dietmar Woidke: „In den vergangenen 25 Jahren hat die Lausitz erfolgreich einen gravierenden Strukturwandel vollzogen, der sozialpolitisch verträglich fortgeführt wird. Nur mit der Braunkohleindustrie als industrieller Basis hat die Lausitz das Potenzial, sich weiter zu einer stabilen zukunftsfähigen Wirtschaftsregion zu entwickeln. Brandenburg und Sachsen werden die Entwicklung der Lausitz hin zu einem innovativen Energiestandort fördern. Und mit der kontinuierlichen Sanierung der ehemaligen Braunkohlegebiete wird die Voraussetzung für eine attraktive Seen- und Kulturlandschaft geschaffen.“

Und dann wird gleich mal hochgerechnet: Die Braunkohleindustrie sichere derzeit rund 30.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze in der Lausitz und trage erheblich zur Wertschöpfung in der Region bei. Direkt betroffen sind nur ein Zehntel der Arbeitsplätze. Für die müssten jetzt endlich neue Angebote geschaffen werden.

Ob immer neue Appelle an die Bundesregierung da helfen, darf bezweifelt werden. Die Landesregierungen selbst sind gefragt, ein belastbares Ausstiegsszenario für die Kohlelandschaft zu entwickeln. Sie können nicht dauerhaft so tun, als wäre das nicht ihr Aufgabengebiet. So, wie sie es nun auch lange genug beim Thema der durch den Bergbau verursachten Verockerung der Spree getan haben.

Jetzt nehmen sie das wenigstens ernst. Auch wenn sie auch das nicht ohne den Bund angehen wollen.

“In enger Zusammenarbeit stimmen sich beide Länder bei dem Thema weiterhin ab. Die Landesregierungen betonten in ihrer gemeinsamen Sitzung, dass die Braunkohlesanierung auch über 2017 hinaus eine gemeinsame Aufgabe des Bundes und der Länder Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bleibt. Beide Länder unterstützen daher die bundeseigene Sanierungsgesellschaft LMBV bei der Erarbeitung eines nachhaltigen Konzeptes für die Entsorgung der in großen Mengen bei der Gewässersanierung anfallenden Eisenhydroxid-Schlämme”, meldet die sächsische Regierung nach der Kabinettssitzung. “Gleichzeitig fordern beide Landesregierungen, dass der Bund sich weiterhin aktiv für eine Reduzierung der Eiseneinträge in die Fließgewässer der Lausitz einsetzt und auf der Grundlage eines neuen Braunkohlesanierungsabkommens die organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen für die kommenden Jahre zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus soll auch die Entwicklung des länderübergreifenden Lausitzer Seenlandes als Folgenutzung des Braunkohletagebaus weiterhin unterstützt werden.”
Da hört man selbst von der Linkspartei ein Aufatmen. Ein kleines. Denn dass sich SPD und CDU weigern, auch nur die Möglichkeit einer Stillegung der Kraftwerke und Tagebaue vorauszudenken, ist mittlerweile geradezu beängstigend.

“Es ist positiv, dass sich auf unseren gemeinsamen Druck seit 2013 hin seit Ende 2014 die Mitwirkung Sachsens an Maßnahmen für eine saubere Spree verbessert hat. Die bergbaubedingten Gewässer-Schäden und Trinkwasser-Probleme sprechen ebenso wie das Leid tausender von drohender Umsiedlung betroffener Menschen für eine mittelfristige Transformation der Braunkohle-Industrie bis 2040 in eine wirklich sozial-ökologisch nachhaltige Wirtschaftsstruktur”, erklärte deshalb postwendend am Dienstag  Rico Gebhardt, Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag.

“Aus unserer Sicht bringt es der Region daher nichts, nach langfristig stabilen Rahmenbedingungen für die Tagebaue zu rufen, da ja gerade die einseitige Fixierung der Industriepolitik auf die Braunkohle Ausdruck der Strukturprobleme ist”, benennt er das Grundproblem, das die beiden Landesregierungen in der Lausitz einfach nicht angehen wollen. “Angesagt ist aktiver Strukturwandel, dafür brauchen wir ein mehrjähriges, staatlich gefördertes Forschungsprogramm, wie wir es 2014 in einem Landtags-Antrag gefordert haben. Dass der „Strukturwandel“ in der heutigen Verlautbarung nach der Beratung der Landesregierungen eine Schlüsselrolle spielt, ist ein Schritt in die richtige Richtung, den DIE LINKE grenzübergreifend befördert hat. Ihm müssen weitere folgen.”

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 2 Kommentare

Es wird dafür geworben, eine Kulturlandschaft abzubaggern. Um dann damit zu werben, eine neue Kulturlandschaft zu schaffen???

Verrückt.
Erst handeln Pfeifenköpfe aus ideologischen Gründen an erkannter Realität vorbei – nun sind es abermals Pfeifenköpfe, die aus Profitgier anerkannte Realität leugnen.
Verrückt.

Das Problem sind also nicht; Sozialismus oder Kapital-ismus, sondern die ignoranten Pfeifenköpfe.

Schreiben Sie einen Kommentar