Vielleicht ist es an der Zeit, zu akzeptieren, dass Breitband-Netze teure Infrastrukturen sind und dass es auch in einem Flächenland wie Sachsen nicht unbedingt Sinn macht, das ganze Land bis in die hinterste Ecke so schnell wie möglich mit leistungsstarken Breitband-Verbindungen auszustatten.

Am Dienstag, 18. August, hat Staatssekretär Stefan Brangs, Beauftragter der Sächsischen Staatsregierung für Digitales, über den aktuellen Stand und weitere Schritte bei den Konzepten für Digitalisierung und Breitbandausbau in Sachsen informiert.

“Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Mit dem Ausbau eines modernen, innovativen und zukunftsfähigen Freistaates soll damit vielmehr ein wichtiger Beitrag geleistet werden, Sachsen sozial und wirtschaftlich weiterzuentwickeln”, sagte Brangs. “Damit die vielfältigen Chancen der Digitalisierung genutzt werden können, brauchen alle Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen einen möglichst schnellen Breitbandanschluss. Eine flächendeckende, leistungs- und zukunftsfähige digitale Infrastruktur ist dabei die Grundlage für den Anschluss des Freistaates an europäische und internationale Entwicklungen. Dafür schaffen wir den strategischen Rahmen.“

An dem Wörtchen flächendeckend stieß sich dann Nico Brünler, Sprecher für Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Fraktion Die Linke: “In vielen Punkten hinkt der Freistaat Sachsen hier der Entwicklung hinterher. Hat die alte Staatsregierung noch angekündigt, Sachsen zum Vorreiter im Bereich Digitalisierung und Breitbandausbau zu machen, so ist gegenwärtig das Gegenteil der Fall. Während internationale Wirtschaftsregionen bereits heute an einer flächendeckenden Verfügbarkeit von Breitbandanschlüssen mit über 250 Mbit arbeiten, ist man in Sachsen bestrebt, bis 2018 eine Infrastruktur mit einer Leistung von 50 Mbit umzusetzen. Zugleich muss man selbst eingestehen, dass die Breitbandverfügbarkeit im Freistaat deutlich hinter dem Bundesdurchschnitt liegt.”

Die Zahlen dazu aus dem sächsischen Wirtschaftsministerium: Derzeit liegt die Breitbandverfügbarkeit in Sachsen im Bereich 50 Mbit bei 46,6 Prozent (Bundesdurchschnitt 66,1 Prozent; Stand jeweils Ende 2014), wobei es große Disparitäten zwischen städtischen und ländlichen Regionen gibt. Aus der Prozentangabe ergeben sich nach Schätzung rund 1,17 Millionen Haushalte, die noch nicht mit der angegebenen Mindestbandbreite versorgt sind.

Nur braucht es dafür, wie es scheint, eine Menge Kreativität, denn die gängigen Netzanbieter konzentrieren sich auf jene Gebiete, in denen einem dichten Versorgungsausbau auch eine hohe Nutzerzahl gegenüber steht. Entsprechend gut ausgebaut ist die Versorgung zum Beispiel in Großstädten wie Leipzig und Dresden, neben einer guten Ausstattung mit der teureren leitungsgebundenen Breitbandversorgung ergänzen hier auch drahtlose Netze das Angebot.

Aber was passiert in jenen Regionen, in denen die Anbieter sagen: Lohnt sich nicht? Ist zu teuer?

Da sollten eigentlich schon die Förderprogramme der letzten Landesregierung greifen. Doch irgendwie hat das überhaupt nicht funktioniert, stellt Brünler fest.

“Daran ändert auch die Förderung öffentlicher WLAN-Hotspots in touristisch interessanten Gebieten nichts. Zumal auch hier bisher kein einziger Förderantrag bewilligt wurde. – In der Realität herrscht eine erschreckende Kenntnis- und Interesselosigkeit über den Ausbaustand der für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Sachsen notwendigen Dateninfrastruktur. Ebenso fehlt es an fundierten Erkenntnissen über die derzeit zur Anwendung kommenden Technologien, bzw. die Frage, was das für die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der Datennetze bedeutet.”

Und es fehlt augenscheinlich auch an Erhebungen, wo denn der Breitbandausbau eigentlich vordringlich ist. Dass in den attraktiven Bevölkerungsknoten die privaten Anbieter längst aktiv geworden sind, ist im Breitband-Atlas der Bundesregierung bestens zu sehen. Doch schon der Blick in die Klein- und Mittelstädte zeigt, dass gerade der leitungsgebundene Breitbandausbau dort oft genug noch rudimentär ist. Brünler hat Recht, wenn er sagt, dass es eigentlich nicht zuerst um touristische Nutzungen geht.

Aber moderne Unternehmen aus fast allen Bereichen vom verarbeitenden Gewerbe bis zur Logistik sind auf leitungsbasierte Breitbandversorgung angewiesen. Und wer ein Ausbauprojekt wie die Digitale Offensive Sachsen (DiOS) auflegt, der kann die Gelder nicht wahllos im Land auskippen, der wäre im eigenen wirtschaftlichen Interesse gut beraten, im ersten Schritt alle wichtigen Wirtschaftsstandorte in ein sicheres Breitbandnetz einzubinden – und zwar nicht auf Antragsbasis, wie es sich die letzte Regierung gedacht hat, weil sie glaubt, Bürgermeister und Landräte könnten so etwas entscheiden, sondern als eigene Investitionsstrategie mit klarer Prioritätenliste.

Aber bei der Kenntnis der vernetzten und nicht vernetzten Wirtschaftsstrukturen wird es wohl ganz ähnlich aussehen wie bei all den Detailfragen, die Brünler in drei verschiedenen Landtagsanfragen abgefragt hat.

Nico Brünler: “Wie zwei weitere Kleine Anfragen ergeben haben, verfügt die Staatsregierung derzeit weder über belastbare Kenntnisse hinsichtlich der derzeitigen Verfügbarkeit photonischer Datennetze im Freistaat, noch über Vorstellungen, wie bestehende Lücken bis 2018 technologisch geschlossen werden sollen.”

Es läuft tatsächlich darauf hinaus, dass solche Meldungen wie die vom Dienstag eher die Organisationsmalaise in Dresden beschreiben, als die tatsächlichen Notwendigkeiten im Breitbandausbau des Freistaats. Nicht ohne Grund hat Brünler gerade die seltsame Fixierung des Ministeriums auf die touristische Breitbandversorgung kritisiert. Denn genau dort will das Wirtschaftsministerium jetzt richtig viel Geld einsetzen – mit einem geradezu erschütternd geringen Effekt.

Aus der Meldung des SMWA: “Im Rahmen von DiOS stehen über 280 Millionen Euro für den Breitbandausbau und WLAN Hot Spots in touristisch geprägten Gebieten zur Verfügung. Bisher befinden sich 73 Prozent der sächsischen Gemeinden in der Analysephase des Förderverfahrens der entsprechenden Richtlinie DiOS oder haben diese bereits abgeschlossen, dies entweder direkt in Form von Einzelverfahren (57 Gemeinden) oder interkommunaler Zusammenarbeit (27 Gemeinden) bzw. indirekt durch die Beteiligung ihrer jeweiligen Landkreise (5 Landkreise mit insgesamt 229 Gemeinden). Die bisher vorliegenden 17 Analysen würden bei kompletter Umsetzung in der Investivphase zu Investitionen in Höhe bis zu 126 Millionen Euro führen. Die Höhe der staatlichen Förderung könnte sich dabei auf bis zu 88 Millionen Euro belaufen. Durch die Erschließungsmaßnahmen würden bis zu 145.000 Haushalte mit Bandbreiten von mindestens 50 Mbit/s versorgt. Dies würde rein rechnerisch die Versorgungslage in diesem Bandbreitenbereich in Sachsen von den bisherigen 46,6 auf dann knapp 53,2 Prozent erhöhen.”

Anfrage zur Förderung von WLAN-Hotspots in Sachsen.

Anfrage zu Breitband-Ausbau in Sachsen.

Anfrage zu Breitbandausbau und Netzneutralität.

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