Da sind sich augenscheinlich „Klimaskeptiker“, „Klimawandelleugner“, Lobbyisten der Fossilwirtschaft, konservative Politiker und neoliberale Marktexperten einig: Die Energiewende ist ein unbezahlbares Ding und macht unsere ganze schöne deutsche Wirtschaft kaputt. Nach ersten Vorgeplänkeln hat ja bekanntlich das mittlerweile marktradikale Magazin „Der Spiegel“ eine regelrechte Angstkampagne um den Wirtschaftsstandort Deutschland entfacht.

Motto: „Deutschland schmiert ab“. Auch gleich Thema fürs gedruckte Heft: „Alle schaffen Wachstum. Wir nicht“.

Doch vieles hat mit deutscher Bürokratie zu tun. Und vor allem mit einer in Gesetze gegossenen Angst vor Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nach Deutschland einwandern wollen. Sozusagen ein selbstorganisierter Fachkräftemangel. Die Verliebtheit in Öl und Kohle kommt dann obendrauf, als wäre die Bundesrepublik immer noch das Adenauer-Land der 1950er Jahre.

Trotzdem schüren Apostel des Untergangs immer stärker die Angst vor dem Abschied von fossilen Energiequellen und versuchen damit die gerade einmal zaghaft angelaufene Energiewende der aktuellen Ampelregierung zu diskreditieren. Motto: „Die Leute wollen das nicht.“ Ein sturer Appell an die Bequemlichkeit: Nur ja nichts ändern und die Bürger tatsächlich einladen dazu, den Wandel mitzugestalten. Manchmal passiert das tatsächlich nur, wenn die Politik nachvollziehbare Rahmenbedingungen schafft.

Obwohl man den „Leuten“ gerade gehörig Angst eingejagt hat.

Die Klimaziele sind erreichbar

Dabei ist im hochindustrialisierten Deutschland die Energiewende nicht nur machbar. Sie kann sogar noch immer so umgesetzt werden, dass Deutschland auch seine 2015 in Paris zugesagten Klimaziele einhalten kann.

Ein Prognosemodell des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat jetzt einmal untersucht, unter welchen Voraussetzungen deutsche Emissionsziele erreicht werden können und welche Effekte dies auf das Wirtschaftswachstum hätte.

Zwei zugrunde gelegte Voraussetzungen: Entweder muss sich der technologische Fortschritt stark beschleunigen oder zusätzliche Maßnahmen wie eine relativ hohe CO₂-Bepreisung müssten eingeführt werden, damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann.

Das Problem dabei: Eine CO₂-Bepreisung würde zulasten des langfristigen Wirtschaftswachstums gehen, wenn die daraus generierten Einnahmen nicht an Haushalte und Unternehmen zurückgeführt werden.

Dies ist das Ergebnis der Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), in der die DIW-Konjunkturexperten Timm Bönke, Geraldine Dany-Knedlik und Werner Roeger ein Prognosemodell mit Energiewende entwickelt und dabei analysiert haben, unter welchen Voraussetzungen die Emissionsziele erreicht werden können und welche Effekte dies auf das langfristige Wirtschaftswachstum hätte. Dazu wurden verschiedene Szenarien im Vergleich zu einem Basisszenario ohne Emissionsreduktionen modelliert.

Der technologische Fortschritt allein wird es nicht bringen

Bisher wächst der technologische Fortschritt, der zu Energieeinsparungen führt, jährlich lediglich um 2,7 Prozent. Bleibt es bei dieser Geschwindigkeit, können den Ergebnissen zufolge die Emissionsziele bis zum Jahr 2030 nicht erreicht werden, da der Energieverbrauch damit nur um 20 Prozent sänke. Der technologische Fortschritt müsste stattdessen auf jährlich 4,6 Prozent steigen, was den Energieverbrauch um 33 Prozent bis 2030 senken würde. Die Wirtschaft wüchse dadurch um fast 0,15 Prozent stärker als in einem Szenario ohne Emissionsreduzierung.

„Dass sich der technologische Fortschritt so rasant beschleunigt, ist nicht sehr wahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich“, sagt Studienautorin Dany-Knedlik, die auch Co-Leiterin des Konjunkturteams im DIW Berlin ist.

In einem weiteren Szenario hat sie mit ihren Kollegen daher berechnet, was eine zusätzliche CO₂-Bepreisung für Effekte hätte.

„Beschleunigt sich der technologische Fortschritt nicht genügend, könnte eine entsprechend hohe CO₂-Bepreisung zwar für Energieeinsparungen sorgen. Dadurch steigende Energiepreise würden aber die Unternehmen belasten und das langfristige Wirtschaftswachstum dämpfen“, erläutert Studienautorin Dany-Knedlik. Der langfristige Output könnte so um knapp zwei Prozent bis zum Jahr 2030 niedriger ausfallen.

Einnahmen aus CO₂-Bepreisung klug investieren

Das Ergebnis fiele aber anders aus, gibt Dany-Knedlik zu bedenken, wenn die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung zum einen als Klimageld und zum anderen für Förderungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien oder insgesamt als klimazielkonforme Investitionen wieder an Unternehmen und Haushalte zurückflössen. Damit ließen sich wirtschaftliche Verwerfungen und negative Verteilungswirkungen abmildern.

„Wie auch immer die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung verwendet werden, müssen wir bei einer erhöhten Geschwindigkeit des energiesparenden technologischen Fortschritts jedenfalls mit keinen wirtschaftlichen Einbußen rechnen“, prognostiziert Dany-Knedlik.

Eine Kombination aus einem forcierten technologischen Fortschritt und einer vernünftig gestalteten CO₂-Bepreisung könne nicht nur den Energieverbrauch so stark senken, dass die Emissionsziele erreicht werden, sondern auch für wirtschaftliche Impulse sorgen.

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