Bevor jetzt irgendwann in der zweiten Hälfte des Jahres die ersten Konzeptionen zu einem möglichen neuen Leipziger Nahverkehrsplan vorgestellt werden, lohnt sich natürlich ein Blick in die Mottenkiste. Denn wo man sich bei einer möglichen Einwohnerzahl von 720.000 sicher sein kann, dass es ohne eine Erweiterung im Straßenbahnnetz nicht geht, wurde 2007 noch eifrig mit Streckenstilllegungen spekuliert.

Einige davon sorgten für heftige Proteste, weil sich alle Prognosen der Planer als Mumpitz erwiesen. Die Strecken blieben in Betrieb – wie die Linie 9 in der Arthur-Hoffmann-Straße. Oder erlebten sogar ein furioses Comeback wie die Linie 14, deren Fahrtzeit immer weiter verdichtet werden musste, weil Lindenau/Plagwitz nun einmal zu Boom-Vierteln geworden sind.

Aber es lohnt auch ein Blick in die alten Vorschlagslisten über mögliche Erweiterungen im Streckennetz. Einige werden auch im jetzt vorgelegten Evaluationsbericht zum „Nahverkehrsplan 2007“ erwähnt. Einige sind hoch aktuell, weil die betroffenen Stadtgebiete mittlerweile ebenfalls zu Wachstumsgebieten geworden sind.

Nr. 1 – Durch die Zweinaundorfer nach Mölkau

Wer erinnert sich noch daran, dass durch die Zweinaundorfer Straße mal eine Straßenbahn fuhr? Die Linie 2 war das zuletzt. Sie endete kurz hinterm Bahndamm vor dem Ostfriedhof.

Längst ist die Diskussion darüber wieder entbrannt, hier wieder eine Straßenbahn fahren zu lassen. Im Evaluationsbericht heißt es dazu: „Im Rahmen der Diskussion zum STEP VöR (Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum, d. Red.) wurde die Wiederaufnahme des Straßenbahnbetriebes in der Zweinaundorfer Straße, allerdings mit Verlängerung bis Mölkau, diskutiert und letztendlich als neue Trasse dargestellt.“

Heißt im Klartext: Die Stadt hat diese Straße wieder für den Bau einer Straßenbahnstrecke freigehalten.

Nr. 2 – Von Thekla zum Technischen Zentrum Heiterblick

Im Nordosten gab es eine Menge Träume in den 1990er Jahren. Das war die Zeit, als selbst die Stadtplaner geradezu berauscht waren von den ganzen künstlichen Siedlungen, die am Stadtrand aus dem Boden schossen. Eine davon war die „Parkstadt 2000“. Aber das erscheint nicht mehr wirklich als lohnendes Fahrziel.

Im Evaluationsbericht heißt es dazu: „In Thekla wurde die Verlängerungsoption nach Portitz aufgrund der seit Jahren stagnierenden Entwicklung im Bereich ‚Parkstadt 2000‘ aufgegeben. Stattdessen wird Potenzial für einen Lückenschluss zwischen Thekla und der neuen Hauptwerkstatt Heiterblick gesehen und diese Verbindung neu in den STEP VöR aufgenommen.“

Die LVB-Planer können sich dabei auch noch einen anderen Lückenschluss vorstellen: Diese Straßenbahn direkt am S-Bahn-Haltepunkt Thekla vorbeizuführen und damit eine weitere Übergangsmöglichkeit zwischen S-Bahn und Straßenbahn zu schaffen.

Nr. 3 – Mit der Straßenbahn zum Lindenauer Hafen

„Auch in der Plautstraße wurde eine neue Trassenfreihaltung bis zum Lindenauer Hafen in den STEP VöR übernommen“, heißt es im Evaluationsbericht ganz kurz und trocken. Als ginge es nur um das neue Wohngebiet am Lindenauer Hafen und nicht die Chance, das Mischgebiet rechts und links der Plautstraße deutlich besser zu erschließen.

Nr. 4 – Nicht weiter in Knauthain

Das ist jetzt mal eine gekappte Gelegenheit: Ursprünglich sollte die Straßenbahn auch mal in Knauthain verlängert werden. Damit wäre auch eine wesentlich bessere Anbindung von Hartmannsdorf und der Thomas-Müntzer-Siedlung denkbar gewesen. Aber diese Chance hat man mittlerweile gekappt: „Mit dem Bau der neuen Wendeschleife in Knautkleeberg wurde die Entscheidung über die Endstelle der Linie 3 getroffen, so dass die Trassenerweiterung in Knauthain entfällt.“

Nr. 5 – Mit der Tram zum Herzklinikum?

„Im Zusammenhang mit der geplanten Erweiterung des Klinikstandortes in Leipzig-Probstheida (Herzzentrum, Park-Klinikum) wurde eine umfangreiche Untersuchung zur Verbesserung der umwelt- und verkehrsgerechten Erschließung dieses Standortes durchgeführt“, geht der Evaluationsbericht auf dieses zumindest in der Bürgerdiskussion weit entwickelte Projekt ein, bei dem bis heute unklar ist, inwieweit die Klinikbetreiber selbst die Schaffung dieser neuen Strecke unterstützen. „Im Ergebnis dieser Untersuchung und einer umfangreichen Bürgerbeteiligung wurden die Nordvariante aus Richtung Stötteritz (Option Verlängerung der heutigen Straßenbahnlinie 4) sowie die Südvariante aus Richtung Probstheida/Meusdorf (Option Verlängerung der heutigen Straßenbahnlinie 2) als Vorzugsvarianten herausgearbeitet. Beide Varianten sind Bestandteil des STEP VöR und wurden in den Flächennutzungsplan der Stadt Leipzig übernommen.“

Tatsächlich hat man sich in der Bürgerbeteiligung dann vorerst auf eine Verbesserung der Busanbindung verständigt – zu der man aber die Unterstützung der Klinikbetreiber gebraucht hätte, die ja nun einmal ein Problem mit der Flut parkender Pkw haben. Aber dazu ist es nicht gekommen. Was natürlich die Frage aufwirft: Wie stehen dann eigentlich die Chancen für ein wesentlich teureres Straßenbahnprojekt?

Nr. 6 – Eine neue Streckenführung in Mockau

Im Evaluationsbericht klingt es zwar knapp: „Für die in Mockau-Nord vorgesehene Netzerweiterung durch die Verlegung der Straßenbahn von der Kieler Straße in die Tauchaer Straße wurde eine umfangreiche Vorplanung erstellt.“

Hier sind die Planungen der LVB sogar schon recht weit gediehen. Indem man die Straßenbahn durch die Taucher Straße fahren lassen will, kann Mockau deutlich besser erschlossen werden.

Sind das aber schon alle bisherigen Pläne für Netzerweiterungen? Nicht wirklich.

Nr. 7 – Kein Bock auf Lindenthal

Ursprünglich geplant war auch mal eine Verlängerung der Straßenbahnlinie 4 über die Landsberger Straße bis nach Lindenthal. Aber diese Pläne wurden mittlerweile stillschweigend fallen gelassen. In den Plänen zum Neubau der Landsberger Brücke taucht die Integrierung von Straßenbahngleisen nicht mehr auf.

Nr. 8 – Wann geht’s wieder bis Liebertwolkwitz?

Ein Dauerthema ist die in DDR-Zeiten eingestellte Weiterführung der Straßenbahn von Meusdorf nach Liebertwolkwitz. Von 1928 bis 1971 fuhr die Straßenbahn bis nach Liebertwolkwitz durch. Sie führte die Liniennummer 25 und eingestellt wurde die Strecke, weil schlicht das Geld zur Erneuerung fehlte. Die Trasse aber ist bis heute freigehalten.

Nr. 9 – Mit der Linie 9 doch zum See?

2007 war auch die Entscheidung, ob die Linie 9 weiter bis zur Endstelle in Markkleeberg-West fährt, noch offen. 2011 übrigens auch noch. Und auch 2014 noch, auch wenn die Planer in Leipzig gern etwas anderes erzählen. Die Leipziger Stadträte hatten durchaus Recht, wenn sie bis 2015 davon ausgingen, dass zum Südast der Linie 9 noch keine Entscheidung gefallen war. Sie hatten sich nur dummerweise darauf festgelegt, die Entscheidung dem Landkreis Leipzig zu überlassen, der dann 2015 kurzerhand für sich entschied, die Linie einzustellen. Was Leipzigs Stadträte zu Recht auf dem falschen Fuß erwischte. Denn sie hatten das Thema seit 2007 einfach verdrängt und auch keine Alternativen durchgesprochen. Nicht nur der Ökolöwe plädiert für eine neue Strecke, die die Linie 9 in die Nähe des Cospudener Sees führen würde. Das Grundproblem bleibt: Im MDV kocht jede Kommune ihr eigenes Süppchen und so steht auch im neuen Leipziger Nahverkehrsplan zu befürchten, dass es darin keine grenzüberschreitenden Ideen geben wird.

Nr. 10 – Eine  Verbindung zur Spinnerei

Mit der Stadtratsentscheidung, das Naturkundemuseum nun in der Halle 7 der Baumwollspinnerei unterzubringen, ist natürlich ein Thema wieder aktuell geworden: eine Straßenbahnverbindung zur Baumwollspinnerei zu schaffen. Eine entsprechende Trasse von der Lützner Straße über die Saalfelder Straße haben die LVB schon untersucht – sie ist auch als Vorbehaltsfläche für die Straßenbahn ausgewiesen.

Nr. 11 – Alte Träume in Schönefeld-Ost

Fast vergessen im Eifer der Gefechte ist auch, dass auch eine neue Straßenbahntrasse von der Gorkistraße kommend durch die Bautzner Straße und die Braunstraße durch Schönefeld-Ost und das Gewerbegebiet Nordost geplant war. Sie hätte ihre Wendeschleife direkt südlich der S-Bahn-Station Thekla. Aber da im Gewerbegebiet die Entwicklung stagniert, besteht sichtlich kein Druck bei dem Projekt.

Etliches von diesen Projekten wird nicht funktionieren, weil nicht die erwarteten Gewerbe- und Wohnstandorte an der geplanten Strecke entstanden sind. Dafür rücken völlig neue Gebiete in den Blickpunkt der Planer. Das betrifft das künftige Wohngebiet auf dem Freiladebahnhof an der Eutritzscher Straße. Und:

Nr. 12 – Mit der Straßenbahn durch die Kurt-Eisner-Straße

Anders als in der Landsberger Straße hat man hier beim Brückenbau von der Kurt-Eisner-Straße zur Semmelweisstraße die entsprechenden Mittelfelder für eine künftige Straßenbahnlinie mit eingeplant und freigelassen. Damit ist zumindest eine Straßenbahnverbindung von der Südvorstadt zur Deutschen Bücherei denkbar. Wenn man die Sache konsequent weiterdenkt, kann die komplette Antonienstraße/Schleußiger Weg mit einbezogen werden und eine attraktive zusätzliche Ost-West-Verbindung geschaffen werden, was gerade mit dem geplanten Bau des neuen Wohnquartiers auf dem Gelände des Bayerischen Bahnhofs Sinn macht.

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