Sachsen im Kinderrechte-Index nur im Mittelfeld: Linke fordert die Absenkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre

Bewertung der Kinderechte im Ländersteckbrief Sachsen. Grafik: Deutsches Kinderhilfswerk
Bewertung der Kinderechte im Ländersteckbrief Sachsen. Grafik: Deutsches Kinderhilfswerk

Es gibt eine Menge Möglichkeiten, ein Bundesland für seine Bewohner attraktiver zu machen und ihnen das Gefühl zu geben, dass das Land tatsächlich ihr gemeinsames Projekt ist – und nicht nur das von verkniffenen alten Männern, die immer nur erzählen, was alles nicht geht. Eine dieser Möglichkeiten ist der Ausbau von Kinderrechten, gerade in einer Zeit, in der Sachsen die Kinder auszugehen drohen. Wer bitteschön soll das Land eigentlich in Zukunft auf seinen Schultern tragen? Im neuen Kinderrechte-Index jedenfalls kommt Sachsen bestenfalls mittelmäßig weg.

Der vom Deutschen Kinderhilfswerk erstellte Kinderrechte-Index analysiert die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in den Bundesländern. Konkret geht es um Beteiligung, Schutz, Gesundheit, angemessener Lebensstandard, Bildung sowie Ruhe, Freizeit, Spiel und kulturelle Teilhabe. Im Bereich der Kinder- und Jugendbeteiligung benennt der Bericht Entwicklungsnotwendigkeiten für Sachsen.

Besonders schlecht kommt Sachsen in den Kategorien „Recht auf Beteiligung“ und „Recht auf Schutz“ weg. „Es gibt derzeit keine Landesstrategie zur Förderung und Stärkung von Kinder- und Jugendbeteiligung“, stellt das Kinderhilfswerk fest. Und in der Verfassung des Freistaats steht dieses Recht auch nicht.

„Nur 3 Prozent gaben in der Kinder- und Jugendumfrage (2024) an, häufig in ihrer Stadt oder in ihrem Ort mitbestimmen zu können. Bei 16 Prozent ist das gelegentlich der Fall. 25 Prozent können selten und 36 Prozent nie mitbestimmen. Im Ländervergleich sind diese Werte gering, die Mitbestimmung liegt insgesamt auf einem niedrigen Niveau.“

Natürlich macht das Mühe. Und ältere Lokalpolitiker lassen schon mal durchblicken, dass sie die Kinder- und Jugendbeteiligung für überflüssig erachten. Was die Sache nicht besser macht.

Der Ländersteckbrief Sachsen zum Kinderrechte-Index.

Dunkelfeld Kinderschutz

Und beim Kinderschutz landet man in Sachsen schnell im Bereich der Ahnungslosigkeit: „Es gibt keine regelmäßige öffentliche Berichterstattung zum Stand des Kinderschutzes. Dadurch fehlt
eine systematische Grundlage, um Fortschritte und Handlungsbedarfe sichtbar zu machen.“

Und das, obwohl die Jugendhilfe – nicht nur in Leipzig – immer öfter tätig werden muss. „Eine verpflichtende Entwicklung von Kinderschutzkonzepten ist weder im Sächsischen Schulgesetz noch in einem anderen Landesgesetz geregelt“, stellt das Kinderhilfswerk fest.

Möglichkeiten, das zu ändern, gibt es eine Reihe.

Das Wahlalter senken

Zum Beispiel eine, die die Linksfraktion im Sächsischen Landtag vorschlägt: Sie hat einen Antrag zur Absenkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre eingebracht, der im kommenden Jahr abschließend behandelt wird. Ziel ist es, jungen Menschen mehr politische Mitbestimmung zu ermöglichen und ihre Interessen stärker in demokratische Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Der Antrag setzt sich für mehr Generationengerechtigkeit und eine zeitgemäße Weiterentwicklung der demokratischen Beteiligung in Sachsen ein.

„Der Kinderrechte-Index bestätigt: Bei der Stärkung und Verankerung der Kinderrechte in Sachsen gibt es Handlungsbedarf. So mahnt der Bericht, das Wahlalter auf Landes- und kommunaler Ebene, wie in vielen anderen Bundesländern, zu senken und zusätzlich die Beteiligungsrechte junger Menschen zu stärken. So bleibt bislang auf der kommunalen Ebene die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen weit hinter den Möglichkeiten zurück“, kommentiert die Kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Juliane Nagel, den Kinderrechte-Index 2025 für Sachsen.

„Die Landesregierung hat die einfache Möglichkeit, unserem im Verfahren befindlichen Gesetzesentwurf (Drucksache 8/4218) zur Absenkung des Wahlalters zuzustimmen und an einer Realisierung zu arbeiten!

Jugendliche übernehmen Verantwortung in Schule, Ausbildung und Gesellschaft – deshalb müssen sie auch über politische Entscheidungen mitbestimmen dürfen. Das fordert die Linksfraktion im Landtag seit vielen Jahren. Eine Absenkung des Wahlalters stärkt unsere Demokratie, fördert politische Bildung und erhöht die Wahlbeteiligung junger Menschen. Wir hoffen, dass die Landesregierung die Impulse des Kinderrechte-Index ernst nimmt und ihre Blockadehaltung bei der Senkung des Wahlalters überdenkt.“

DIW-Prognose für die deutsche Wirtschaft: Die Finanzpolitik bringt erst einmal einen Aufschwung auf Pump

Konjunkturprognose des DIW bis 2027.
Die Konjunkturprognose des DIW bis 2027. Grafik: DIW Berlin

Eigentlich wissen es deutsche Politiker: Zumindest jene wissen es, die damals in Mathematik nicht geschlafen und wenigstens ein klein wenig Ahnung davon haben, was es bedeutet, wenn der Staat Geld in Infrastrukturen investiert. Gerade in konjunkturell schwachen Zeiten ist der Staat in der Regel die Instanz, die mit Milliardeninvestitionen die wirtschaftliche Blockade lösen kann.

Nur: Das allein mit Schulden zu finanzieren, ist ein ziemlich dummer Weg. Auch wenn es nun hilft, dass die deutsche Wirtschaft 2026 wieder aus dem Knick kommen könnte, wie das DIW feststellt.

Die deutsche Wirtschaft nimmt – so schätzt das DIW ein – einen langen Anlauf bis zum Aufschwung: Nach zwei Jahren der Rezession und einer Stabilisierung in diesem Jahr dürfte es ab 2026 wieder bergauf gehen. Getragen werde die Belebung vom expansiven finanzpolitischen Kurs der Bundesregierung, der die tiefgreifenden strukturellen Probleme aber nur überlagert und nicht löst.

Die Winter-Konjunkturprognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) geht für dieses Jahr von einem minimalen Wachstum von 0,2 Prozent aus. 2026 und 2027 dürfte die Wirtschaft um 1,3 beziehungsweise 1,6 Prozent kräftig anziehen: „Die wirtschaftliche Lage hat sich zwar nicht grundlegend verbessert, aber stabilisiert“, sagt DIW-Konjunkturchefin Geraldine Dany-Knedlik. „Jetzt bahnt sich ein Aufschwung an – dank staatlicher Impulse, die die Bremse im Außenhandel vorerst wettmachen.“

Staat wird zum Konjunkturmotor

Mit dem wachsenden finanziellen Spielraum der öffentlichen Hand sorgen die anlaufenden Investitionen in Infrastruktur, Verteidigung und Klimaschutz und vor allem die Ausweitung des öffentlichen Konsums zunehmend für wirtschaftliche Impulse. Der Staatskonsum dürfte damit weiterhin deutlich mehr zum Wachstum beitragen als der private Verbrauch.

Zuletzt hielten sich Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten und Sorgen um ihren Arbeitsplatz eher zurück und legen Geld auf die hohe Kante, was die Sparquote erneut steigen ließ. Im Laufe des Prognosezeitraums dürften die finanzpolitischen Impulse auch die Kauflaune der privaten Haushalte aufhellen, wenn sich mit dem Aufschwung die Lage auf dem Arbeitsmarkt allmählich verbessert.

Vertrauensvorschuss der Unternehmen an Bundesregierung bröckelt

Die Entwicklung der Privatwirtschaft blieb bisher hinter den Erwartungen. Die anfängliche Zuversicht, dass die Bundesregierung rasch für bessere langfristige Wachstumsaussichten sorgen könnte, ist zunehmend einer Ernüchterung gewichen. Unternehmen zögern mit Investitionen, nicht zuletzt aufgrund unsicherer wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen. Im weiteren Prognoseverlauf dürfte die öffentliche Nachfrage dennoch vermehrt private Investitionen anstoßen, so das DIW.

Der deutschen Wirtschaft macht zudem die nur moderate Exportentwicklung zu schaffen. Auch wenn eine weitgehende Einigung im Zollkonflikt mit den USA die Planungssicherheit wieder erhöht hat, koppelt sich die deutsche Wirtschaft zunehmend vom Welthandel ab.

Profitierten die exportierenden Unternehmen in der Vergangenheit von globalen Aufschwüngen, scheint die Nachfrage aus dem Ausland vermehrt anderweitig bedient zu werden. Die Wettbewerbsfähigkeit sinkt Umfragen zufolge weiter. Auch die im internationalen Vergleich hohen Produktions- und Energiekosten sowie steigende Kosten für den Faktor Arbeit infolge steigender Sozialbeiträge und der Mangel an Fachkräften wirken als Bremsen.

DIW-Präsident Fratzscher: „Bislang keine nachhaltige Trendwende spürbar“

„Der prognostizierte Aufschwung darf nicht als gesicherte Wende interpretiert werden“, mahnt DIW-Präsident Marcel Fratzscher. „Die Entwicklung wird maßgeblich von staatlichen Impulsen und temporären Entlastungseffekten bestimmt.“

Strukturelle Herausforderungen wie demografische Entwicklung, Energiewende, Defizite bei Innovation und Produktivität sowie der Modernisierungsbedarf staatlicher Institutionen blieben bestehen. Eine nachhaltige Trendwende erfordere deutlich mehr private Investitionen, Produktivitätsfortschritte und eine zügige Transformation der Wirtschaft in zentralen Bereichen.

„Die Wirtschaftspolitik muss daher die bestehenden Investitions- und Transformationsbedarfe adressieren, ohne die sozialen und fiskalischen Belastungen zu erhöhen“, ergänzt Fratzscher. „Dies erfordert sowohl eine deutliche Stärkung öffentlicher und privater Investitionen als auch den Abbau regulatorischer Hürden.“

Um dies zu finanzieren, bedürfe es einer Reform des Steuersystems, insbesondere im Bereich großer Vermögen, Erbschaften und immobilienbezogener Wertzuwächse. Zudem sollten klimaschädliche und ineffiziente Subventionen abgebaut werden.

Weltwirtschaft erweist sich widerstandsfähiger als gedacht

Die Weltwirtschaft zeigt sich – so das DIW – trotz der verschärften US-Handelspolitik robuster als erwartet. Zwar belasten höhere US-Zölle zahlreiche Volkswirtschaften, doch der globale Handel bleibt überraschend dynamisch – speziell im asiatischen Raum.

Die US-Handelsabkommen mit wichtigen Partnern haben die zuvor hohe Unsicherheit reduziert und trotz des insgesamt höheren Zollniveaus die Stimmung der Unternehmen weltweit wieder aufgehellt. Zudem stützen finanzpolitische Maßnahmen vielerorts die Binnenwirtschaft.

Während die US-Wirtschaft bislang solide expandierte, dürfte sie zum Jahresende unter anderem infolge des Shutdowns auf eine Wachstumsdelle zusteuern. Der Euroraum wächst moderat, getragen unter anderem von steigenden Reallöhnen, während der starke Euro den Ausblick jedoch dämpft.

China verfehlt wegen einer schwachen Binnenkonjunktur und der US-Zölle sein Wachstumsziel von fünf Prozent knapp. Für die Weltwirtschaft insgesamt wird in diesem Jahr ein Wachstum von 3,3 Prozent erwartet. Für 2026 wird ein Plus von 3,0 und für 2027 von 3,2 Prozent prognostiziert.

Schaubühne feiert 20 Jahre Theater-Aktiengesellschaft: Aktie von Thomas Moecker neu aufgelegt

Schaubühne Lindenfels. Foto: Sabine Eicker
Schaubühne Lindenfels. Foto: Sabine Eicker

Es ist ein Jubiläum, auf das diejenigen, die es ermöglicht haben, stolz sein können. Denn sie haben mit der Schaubühne Lindenfels in der Karl-Heine-Straße nicht nur ein Kulturkleinod in Leipziger Westen gerettet, als noch niemand sicher sein konnte, dass Plagwitz und Lindenau wieder aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen könnten. Sie haben das Projekt auch zu einer Aktiengesellschaft für ihr Publikum gemacht: Die Schaubühne Lindenfels ist seit 20 Jahren im Publikumsbesitz.

Das einzigartige Konzept der gemeinnützigen Aktiengesellschaft, mit dem einst das Haus gerettet wurde, feiert Jubiläum – mit einer Neuauflage der Kunstaktie des Leipziger Künstlers Thomas Moecker.

Die Schaubühne Lindenfels ist Deutschlands erste und einzige Theater-Aktiengesellschaft und macht vor, wie Kultur in gemeinschaftlichen Strukturen alternativ finanziert werden kann.

Die gemeinnützige AG wird heute von mehr als 1.300 Aktionär/-innen getragen, die vor 20 Jahren die Schließung des Hauses verhinderten und ermöglichten, das Gebäude der Schaubühne zu kaufen. Sie führten damit eine völlig neue Art ein, Theater zu organisieren. In der gemeinnützigen AG bestimmt das Publikum mit, gestalten engagierte Bürger/-innen als Korrekturinstanz oder Inspiration ihr Theater.

Ein Ausschnitt aus dem Aktienmotiv von Thomas Moecker. Grafik: Thomas Moecker
Ausschnitt aus dem Aktienmotiv von Thomas Moecker. Grafik: Thomas Moecker

Deutschlands erste und einzige Theater-Aktiengesellschaft entstand ursprünglich in der Nachwendezeit, als in Leipzig Aufbruch auf Perspektivlosigkeit traf. 1993 schufen Schauspieler/-innen in einem brachliegenden Veranstaltungsgebäude einen Ort, Bühne neu zu denken: als Zentrum des Quartiers, Heimat der freien Szene, Wachmacher der Stadtgesellschaft.

Ökonomische Notwendigkeiten wurden zu künstlerischen Chancen – mit Theater als Brückenbauer zwischen allen Milieus. In der Theater-AG gibt es keine Dividende oder Spekulation, aber das gute Gefühl, etwas zu gestalten, was im Stadtteil und weit darüber hinaus künstlerisch-gesellschaftliche Wirkung zeigt.

Jubiläumsaktie von Thomas Moecker

Zum Jubiläum wird die erste Aktie von 2005 wieder aufgelegt. Der Leipziger Künstler Thomas Moecker hat das Motiv aktualisiert und die vorher ausverkaufte Aktie erscheint als limitierte Auflage. Sie ist über die Website der Schaubühne Lindenfels und vor Ort zu erwerben.

Weniger Herbst: Mit Thomas Böhme den kindlichen Blick auf die Welt wiederfinden

Cover des Buches.
Thomas Böhme: Weniger Herbst. Foto: Ralf Julke

„Der Mensch stammt von der Walnuss ab …“ Kann ja jeder sehen, der eine Walnuss knackt. Dann kommt ein kleines Gehirn zum Vorschein. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass sich die wirklich begabten Dichter einfach etwas bewahrt haben, was andere Leute so schnell wie möglich loswerden wollen: den kindlichen Blick auf die Welt. Offen für alles, auch für Täuschungen, Verträumtheiten, den Übermut des Fabulierens. Denn als Kind sieht man die Welt noch voller Geschichten. Und voller Abgründe. Wie zieht einer da Bilanz, wenn das Kind schon 70 ist?

Oder zieht er gar keine Bilanz, auch wenn das mit dem Untertitel „Ährenlese“ scheinbar anklingt? Ein „Best-of“ ist das Büchlein, das der Verlag anderort Thomas Böhme zum 70. Geburtstag schenkt, ganz bestimmt nicht. Ährenlese hat eher mit dem Sammeln von Früchten zu tun, die in den vergangenen Jahren „so nebenbei“ angefallen sind, aber nicht wirklich in einem der publizierten Bände Platz finden konnten, die Böhme ja in der Regel thematisch streng gebaut hat.

Er gehört ja zu den Dichtern, die nicht nur die strengen Formen beherrschen, sondern sich auch immer wieder große Theme vornehmen, in denen sich die Freude am Entdecken mit dem Spaß am Stil vereint – so wie in „Heikles Handwerk“ oder in „101 Asservate“.

Dichtung ist Arbeit. Und zwar eine sehr bereichernde. Und der Dichter hört nicht auf, zu sein, was er ist, wenn er die Tastatur loslässt und mal zum Luftschnappen vor die Tür geht. Und genau davon erzählt diese Auswahl von kleineren und etwas größeren Texten, die oft schweben zwischen Essay und Feuilleton, den schönen spielerischen Formen, die Literatur annehmen kann. Und annehmen muss, wenn einer wie Thomas Böhme seine Gedanken schweifen lässt.

Schöner schreiben

Über ganz irdische Themen wie zum Beispiel die Linkshändigkeit, die ihm in jungen Jahren ausgetrieben werden sollte, was letztlich dafür sorgte, dass seine Handschrift mit links wie rechts geradezu ungebändigt wurde und es ein riesiges Glück war, als er endlich auf seiner ersten Erika tippen konnte, die dann durch immer modernere Geräte ersetzt wurde.

Dichtung lebt nicht von schöner Handschrift (obwohl das Bedauern über deren Verlust unüberlesbar ist), sondern vom geschulten fantasievollen Geist und von der Beherrschung von Sprache. Wovon ja die oben genannten Gedichtbände genauso erzählen wie Böhmes Erstling „Mit der Sanduhr am Gürtel“, der schon beides vereinte: die lustvolle Beherrschung der Sprache und die Eleganz des aufgerufenen Wissens über die Welt.

Dichter sind Welt-Entdecker. Ganz im kindlichen Sinn. Sie tun das, was „gut erzogene“ Kinder nicht mehr tun (dürfen): abschweifen, träumen, die Gedanken fliegen lassen – und sei es, wie in „Weniger Herbst“ an einem düsteren Herbsttag, „wenn die Lampen von Tag zu Tag früher angezündet werden“ und die Wildgänse gen Süden ziehen, sich ihr Schwarm aber unverhofft teilt. Was passiert da oben? Hat der Himmel da vielleicht ein Loch?

So beginnen Texte zu entstehen, die allein schon im Abschweifen ihre Poesie entfalten und zeigen, wie es sich lebt als Mensch, der die Welt noch immer mit Dichter-/Kindesaugen betrachtet und die Fähigkeit bewahrt hat, dem Verwundertsein eine Form zu geben. Etwa wenn er einen durchaus fordernden Brief an eine gewissen Fritz Nietzsche schreibt, der auf der Schulbank in Schulpforta noch nicht weiß, was er künftig einmal anrichten wird.

Oder wenn er in einem scheinbar ganz luziden Gedicht von Gottfried Benn etwas findet, was es von Benn offiziell, nie gab. Ein gewisses Schuldeingeständnis, verpackt in ein Gedicht aus Benns Kindheitslandschaft in der Prignitz.

Gebrauchsspuren und Heimlichkeiten

Manchmal regt einen so ein Funke aus der Wirklichkeit an und dann wird, je mehr sich der Text entfaltet, etwas daraus, was in keinen Gedichtband passt. In einen Band mit Essays schon eher. Aber dann bleiben die Texte doch liegen, weil noch das richtige Buch für sie fehlt. Eben wie Ähren auf dem Feld, die noch zu sammeln sind. So wie der Text „Gebrauchsspuren“ von 2014, der mit einem dieser überwältigenden Besuche auf der Leipziger Buchmesse beginnt, sich aber um ein kleines, unscheinbares Bändchen dreht, das einst subversiv im Buchregel der Tante versteckt war.

2013 war es ein kleines Nachdenken über das geradezu seltsame Wort Heimlichkeit, aus dem der Dichter dann eine ganze Landschaft menschlicher Gefühlswelten entwickelt. Denn in solchen Worten stecken Assoziationen, Bilder und Gefühle. Wer so lange in seinem Handwerk ist wie Böhme, der weiß um diese Aura der Worte.

Der weiß auch, wie man aufpassen muss, dass einem die falsch platzierten Kleinode nicht den ganzen Text zerhauen. Umso mehr lohnt es sich, gerade über die Exoten unter den Worten einmal länger nachzusinnen und gespannt zu sein, was da aus dem Unterbewusstsein alles auftaucht.

Solche Texte können durchaus auch fantastisch werden, so wie in „Waben“, ein Text, in dem im Grunde ein ganzer Roman stecken würde, würde sich Thomas Böhme auch dem SF-Genre zugeneigt fühlen. Denn was passiert mit uns, wenn eine „Zentrale, wo alle Informationen zusammenlaufen“, auch noch Kontrolle über unser Denken bekommt und falsche Gedanken mit einer Pling-Warnung versieht?

Mit Golem in Prag

Was Thomas Böhme hier als „Ährenlese & Nebelkerzen“ gesammelt hat, ist im Grunde eine kleine Schatztruhe, ein kleiner Blick in die Werkstatt, wo sich über die Jahre eben auch Texte ansammeln, für die immer nur das richtige Buchformat gefehlt hat. Texte, die aber genauso die unverwechselbare Sicht ihres Autors auf die Welt zeigen wie seine Gedichte. Und manches ist einem nur zu vertraut.

Die Realität hat ja selbst oft den blankgewetzten Schimmer von Poesie, manchmal ganz alter, wie in „Golem“. Denn wer als Dichter nach Prag fährt, der hat seinen Golem genauso im Kopf wie seinen Herrn K. und seinen Schwejk. Nur dass er dort inzwischen auf eine für den Tourismus aufgemotzte Stadt trifft, in der die alte, stille Poesie nicht mehr so leicht zu finden ist. Auch nicht die aus Kindertagen, als die allererste Begegnung mit dem Golem in einem „Mosaik“-Heft stattfand.

Womit wir wieder beim kindlichen Schaue auf die Welt wären, mit dem Poesie nun einmal beginnt. Wer in der Welt keine Geheimnisse und Überraschungen mehr sieht, hat nicht nur das Kind in sich verloren, sondern auch die Fähigkeit, die Poesie des eigenen Lebens wahrzunehmen. Die immer da ist. Aber man braucht den Blick dafür.

Und die Selbstermutigung, die Fantasie doch immer wieder schweifen zu lassen, wenn sie an den Zügeln rüttelt. Mal ist es ein Apfelbaum, der sie aufscheucht, mal sind es die klappernden Walnüsse, die die Kinder knacken und dann staunen, was für niedliche kleine Gehirne da unter der Schale stecken.

Thomas Böhme „Weniger Herbst. Ährenlese & Nebelkerzen“ anderort Verlag für Lyrik, Leipzig 2025.

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Mehrere Rügen für Nahost-Berichterstattung

Schriftzug Zeitung
Foto: Ralf Julke

Irreführende Aussagen über EU-Förderverträge für NGOs

WELT.DE erhielt eine Rüge wegen einer Serie von vier Artikeln. Unter anderem unter der Überschrift „Geheime Verträge – EU-Kommission bezahlte Aktivisten für Klimalobbyismus“ hatte die Redaktion behauptet, die EU-Kommission habe in „Geheim-Verträgen“ festgelegt, dass NGOs unter anderem Kohlekraft und Handelsabkommen torpedieren sollten. Dafür habe die EU-Kommission den NGOs viel Geld gezahlt.

Tatsächlich stellten die Organisationen Förderanträge, in denen sie – wie in solchen Fällen üblich – selbst darlegten, wie sie beantragte Gelder verwenden wollten. Eine Beauftragung durch die Behörde fand somit nicht statt. Auch erhielten die genannten NGOs nicht hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Beschwerdeausschuss sah darin eine gravierende Irreführung der Leserschaft und einen schweren Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht (Ziffer 2).

Details zu Casino-Raub frei erfunden

BILD.DE erhielt eine Rüge wegen des Artikels „Raffiniertes Verbrechen in der Schweiz aufgedeckt: So raubten ‚Chinese Eleven‛ ein Casino aus“. Die Redaktion erfand mehrere Details zu diesem Casino-Raub, darunter Aussagen eines nicht-existierenden Sicherheitsmitarbeiters, ein Hotelzimmer zur Beobachtung des Spieltisches, einen präparierten Kartenschlitten sowie einen eingeschleusten Croupier. Als Quelle wurde ein Schweizer Online-Medium genannt, die über diese Details jedoch nicht berichtet hatte.

Der Beschwerdeausschuss erkannte massive Verstöße gegen die Präambel des Pressekodex (Ansehen der Presse) sowie gegen Ziffer 1 (Wahrhaftigkeit) und Ziffer 2 (Sorgfalt). Zwar wurde der Artikel später gelöscht. Jedoch erfüllte der zugehörige Transparenzhinweis inhaltlich und formal nicht die Anforderungen des Pressekodex (Ziffer 3).

Fehlerhaften Bericht über Casino-Raub übernommen

Wegen des fehlerhaften Berichts über den Casino-Raub wurde auch STERN.DE gerügt. Das Medium hatte die Geschichte einschließlich der erfundenen Einzelheiten von BILD.DE ohne hinreichende eigene Recherche übernommen und zudem ebenfalls fälschlich behauptet, die Informationen stammten von dem Schweizer Medium.

Als die Fehler öffentlich bekannt wurden, löschte die Redaktion den Beitrag, legte den Verstoß aber nicht mit transparenter Korrektur offen. Der Beschwerdeausschuss sah darin einen eklatanten Verstoß gegen die Ziffern 2 (Sorgfalt) und 3 (Richtigstellung) des Pressekodex.

Spekulationen nicht eingeordnet

Die Redaktion von INNSALZACH.DE erhielt eine Rüge wegen des Artikels „Nach Groß-Razzia in Waldkraiburg und Europa: Schlag gegen illegales Wett-Netzwerk“. Im Text wurden Spekulationen eines Anwohners über Drogen und Waffen als ein möglicher Hintergrund des Polizeieinsatzes wiedergegeben. Der Ausschuss stellte eine Verletzung der Sorgfaltspflicht (Ziffer 2 des Pressekodex) fest: Für die Mutmaßungen bestanden keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Die Redaktion hätte die Aussagen des Nachbarn entweder einordnen oder weglassen müssen.

Schleichwerbung für Proteinriegel, Polstermöbel und mehr

BRIGITTE wurde wegen eines schweren Verstoßes gegen das Gebot zur strikten Trennung von Werbung und Redaktion (Ziffer 7 des Pressekodex) gerügt. Das Magazin veröffentlichte auf einer Printseite vier Produkte – Proteinriegel, Gin, Polstermöbel, Tabakerhitzer – mit kurzen werblichen Beschreibungen. Außerdem gab es Angaben zu Preisen und Bezugsquellen sowie jeweils der Homepage des Anbieters.

Beigestellt waren jeweils PR-Fotos der Produkte. Der Beschwerdeausschuss sah darin eine reine Produktpräsentation ohne redaktionelle Einordnungen. Die Grenze zur Schleichwerbung (Richtlinie 7.2 des Pressekodex) wurde weit überschritten.

Mitarbeiter eines Leuchtenherstellers schreiben anonym über eigene Produkte

HIGHLIGHT erhält eine Rüge wegen eines schweren Falls von Schleichwerbung und eines Interessenkonflikts: Das Fachmagazin hatte unter der Überschrift „Licht und Dunkelheit in Balance“ über Beleuchtungssysteme berichtet, die Lichtemissionen minimieren. Die namentlich nicht genannten Autoren waren Mitarbeiter eines Leuchtenherstellers und stellten insbesondere Produkte ihres Unternehmens vor.

Der Beschwerdeausschuss sah einen schweren Interessenskonflikt (gemäß Richtlinie 6.1 des Pressekodex), der zwingend hätte transparent gemacht werden müssen. Zudem überschritt die Nennung der Produkte ohne redaktionelle Einordnung oder ersichtliche Alleinstellungsmerkmale deutlich die Grenze zur Schleichwerbung gemäß Richtlinie 7.2 des Pressekodex.

Kommentar mit irreführenden Tatsachenbehauptungen zur Situation in Gaza

BILD.DE wurde wegen eines Meinungsbeitrags mit der Überschrift „Alle reden über Gaza, aber nicht über die Wahrheit“ gerügt. Der Text verstieß gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) und 2 (Sorgfalt) des Pressekodex. Der Kommentator hatte geschrieben, die deutsche Presse zitiere gefälschte Zahlen, wenn es um die Todesopfer in Gaza gehe.

„Palästinensische Behörden“ seien „von der islamistischen Hamas gelenkt, die systematisch Falschmeldungen verbreitet, um Israel zu schaden“. Die Passage suggeriert nach Ansicht des Beschwerdeausschusses, die Behörden würden die Todeszahlen in Gaza systematisch überhöhen. Dafür fehlte es jedoch an konkreten Anhaltspunkten.

Weiter hatte der Autor über ein bekannt gewordenes Foto einer Palästinenserin, die ein abgemagertes Kleinkind im Arm hält, geschrieben: „Das Foto löst weltweit Entsetzen aus, gehört aber zum Propaganda-Arsenal der Hamas und ist eine Lüge“. Der Junge leide unter schweren Krankheiten und sei deshalb so abgemagert. Weitere Fotos zeigten daneben gut ernährte Kinder.

Den Verweis auf die Vorerkrankungen als alleinigen Grund für den Zustand bewertete der Ausschuss als Irreführung der Leserschaft dahingehend, dass es keine Hungersnot in Gaza gegeben habe.

Bilder abgemagerter Kinder als Propaganda dargestellt

Um nicht belegte Behauptungen über Fotos unterernährter Kinder ging es auch bei einer Rüge, die gegen WELT.DE ausgesprochen wurde. Das Medium wurde wegen des Gastbeitrag „Diese Kinder sind Opfer des viralen Dschihads der Hamas“ gerügt. In dem Meinungsbeitrag kommentierte die Autorin die weltweite Nahost-Berichterstattung.

Enthalten waren Fotos von zwei abgemagerten Jungen aus dem Gazastreifen. Die Autorin behauptete, die kriegsbedingte Hungersnot habe nichts mit dem Zustand der Kinder zu tun. Sie suggerierte, ein Gendefekt allein sei hierfür verantwortlich. Der Beschwerdeausschuss sah hierin nicht belegte Behauptungen und einen Sorgfaltsvorstoß (Ziffer 2 des Pressekodex).

„Witz“ legt nahe, „auf Araber zu schießen“

DIE ZEIT und ZEIT.DE erhielten eine Rüge wegen einer Kolumne zum Nahost-Konflikt mit der Überschrift „Morbus Israel“. In einer im Stil eines Witzes erzählten Passage hieß es, für israelische Soldaten sei es nicht ratsam, nicht „auf Araber zu schießen“. Aus Sicht des Beschwerdeausschusses legte der Beitrag damit die Begehung von Kriegsverbrechen an Zivilisten nahe: Tatsächliche zivile Opfer der israelischen Kriegsführung werden durch diese Äußerung zu bloßen Objekten herabgewürdigt und entmenschlicht.

Der Beitrag, der von der Redaktion später gelöscht wurde, verstieß damit gegen Ziffer 1 des Pressekodex (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde). Andere Passagen in der Kolumne wie die Bezeichnung mehrerer prominenter Personen als „leicht entflammbare Islamversteher“ waren hingegen von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Harmlose Pflanzenfresser zur Gefahr für Menschen hochstilisiert

DERWESTEN.DE wurde gerügt wegen eines Artikels über die Sichtung von Riesenhaien vor der Küste von Marbella. Im Text hieß es richtig, die Tiere könnten bis zu 12 Meter lang werden, für Menschen seien sie jedoch ungefährlich, da sie sich nur von Plankton ernährten. Für Urlauber bestehe also keine Gefahr. Die Überschrift des Beitrages hingegen suggerierte anderes: „Urlaub am Mittelmeer: Gefahr lauert im Wasser! Erste Touris fliehen“.

Der Presserat sah in der Headline eine schwere Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Sie ist falsch und irreführend und nicht durch den Inhalt des Artikels gedeckt.

In Gaza getöteter Korrespondent Al-Sharif: Medium übernimmt unzureichend belegte Tatsachenbehauptung

BILD.DE erhielt eine Rüge wegen eines Artikels über die Tötung des palästinensischen Al-Jazeera-Korrespondenten Anas Al-Sharif durch die israelische Armee. Im Text des Beitrags hieß es, laut der israelischen Armee sei Al-Sharif „Anführer einer Zelle der Terrororganisation Hamas“ gewesen. In der Überschrift „Als Journalist getarnter Terrorist in Gaza getötet“ erhob das Medium diese Darstellung zur Tatsache.

Hinreichende objektive Belege für die Behauptung nannte es nicht. Der Ausschuss bewertete dies als grobe Missachtung der Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 und als gravierende Verletzung der persönlichen Ehre des getöteten Journalisten nach Ziffer 9 des Pressekodex.

Vorwurf gegen NGOs nicht belegt

DIE WELT und WELT.DE werden wegen eines Artikels mit der Überschrift „Der Staat darf nicht mit Steuergeldern auf die öffentliche Meinungsbildung einwirken“ gerügt. Darin wurde behauptet, dass Vereine und Initiativen, darunter die „Omas gegen Rechts“, projektbezogene Mittel aus Bundesprogrammen illegal für Demonstrationen gegen rechts verwendet hätten.

Tatsächlich fehlte ein Beleg für die Behauptung. Der Presserat bewertete die Darstellung daher als Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Dadurch seien die genannten Organisationen fundamental in Misskredit gebracht worden.

Zeitungen berichten über angebliche Tochter Putins, aber verifizieren Identität nicht

BILD/BILD.DE und B.Z. erhielten jeweils Rügen wegen ihrer nahezu identischen Berichterstattung über eine angebliche Tochter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. In den Artikeln mit den Überschriften „Phantom-Tochter rechnet mit Putin ab: Es ist so schön, der Welt wieder mein Gesicht zu zeigen“ und „Endlich kann ich mein Gesicht zeigen!“ hieß es etwa, die angebliche Tochter Putins „rechne knallhart mit dem russischen Präsidenten ab“.

Die Redaktionen hatten es unterlassen, zu verifizieren, ob es sich bei der Frau wirklich um eine Tochter Putins handelt. Darin sah der Presserat einen gravierenden Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex.

Statistik

14 öffentliche Rügen, 37 Missbilligungen und 25 Hinweise. 33 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet, eine Beschwerde war begründet, es wurde aber auf eine Maßnahme verzichtet. Eine Beschwerde war nicht aufklärbar. Bei 13 Beschwerden handelte es sich um Wiederaufnahmen und Einsprüche. Insgesamt behandelt wurden 124 Beschwerdeakten.

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Aktuelle Verkehrsinfos für die Autobahnen A4 und A72

Baustellenschilder auf einem Anhänger
Vorsicht Baustelle. Foto: LZ

A4

In der Nacht vom 16.12.2025 auf den 17.12.2025 (von 19:00 Uhr bis 05:00 Uhr) ist in Fahrtrichtung Frankfurt a.M. die Abfahrt der Anschlussstelle Dresden-Hellerau gesperrt. Grund dafür sind Instandsetzungsarbeiten. Der Verkehr wird mittels Wendefahrt über die Anschlussstelle Dresden-Wilder Mann umgeleitet.

A4 / A72

Am 17.12.2025 (zwischen 09:00 Uhr und 15:00 Uhr) ist am Autobahnkreuz Chemnitz die Überfahrt von der A72 Fahrtrichtung Hof auf die A4 Fahrtrichtung Frankfurt a. M. für maximal zwei Stunden gesperrt. Grund dafür sind Baugrunduntersuchungen. Die Umleitung erfolgt direkt am Autobahnkreuz Chemnitz.

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Pulli aus, sonst …

Schild mit der Aufschrift Bundespolizei Leipzig
Bundespolizei Leipzig. Foto: Sabine Eicker

Die Logos zweier Vereine auf seinem Pullover waren der Grund, warum ein 31- Jähriger Fußball-Fan am Samstagabend auf der Wache der Bundespolizei landete. Kurz zuvor war der Mann mit seiner Freundin in der S-Bahn zum Hauptbahnhof Leipzig unterwegs. Beim Ausstieg verfolgte die beiden eine Gruppe von ca. 15 Personen.

Diese bedrohten den 31-Jährigen auf dem Weg in Richtung Ausgang und sollen ihn geschlagen haben. Der Mann sollte seinen Pullover ausziehen, „sonst wisse er, was ihm drohe“. Um weiteren Repressalien zu entkommen, tat er dies und übergab den Pullover an die Gruppe.

Die Bundespolizei leitete daraufhin ein Strafverfahren wegen Raubs ein und sicherte diverse Videoaufzeichnungen vom Hauptbahnhof und der S-Bahn. Die Aufnahmen werden nun von der ermittelnden Polizeidirekti-on Leipzig ausgewertet.

Kein Mordversuch: 20-jähriger Lok-Fan kommt nach brutalem Angriff mit Bewährungsstrafe davon

Angeklagter mit Sichtschutz sitzt neben Anwalt.
Louis W. (r.) im Landgericht mit seinem Anwalt René Lau. Foto: Lucas Böhme

Es waren Szenen wie aus einem düsteren Brutalo-Film: An einer Tankstelle in Böhlitz-Ehrenberg hatte eine rund 30-köpfige Personengruppe im März acht Männer attackiert und erheblich verletzt. Die Angreifer: offenbar Lok-Anhänger, die den gegnerischen Fans von BSG Chemie Leipzig kurz vor dem Derby eine Abreibung verpassen wollten. Ein Beteiligter (20) war sogar wegen versuchten Mordes angeklagt worden – am Landgericht kam er nun aber recht glimpflich davon.

Sein Opfer kann ihm laut einem LVZ-Bericht nicht verzeihen, ringt bis heute mit dem traumatischen Erlebnis, wies eine Entschuldigung des Täters im Gerichtssaal zurück: Fast neun Monate nach einem brutalen Gruppenangriff an einer Böhlitz-Ehrenberger Tankstelle verurteilte das Leipziger Landgericht einen 20-Jährigen aus der Anhängerszene von Lok Leipzig am Montag, dem 15. Dezember, zu zwei Jahren Jugendhaft, ausgesetzt zur Bewährung – wegen gefährlicher Körperverletzung und schweren Landfriedensbruchs.

Den Vorwurf des versuchten Mordes gegen Louis W., an dem die Anklage bis zuletzt festgehalten hatte, befand die Strafkammer für unbelegt.

Demonstration von Macht und Dominanz?

Der 20-jährige Lehrling gehörte zu einer Gruppierung von etwa 30 Personen aus der Lok-Fanszene, von denen einige in der Nacht zum 22. März 2025 an einer Tankstelle in Böhlitz-Ehrenberg auf acht Männer losgegangen waren – diese wurden offenbar dem Fan-Milieu von BSG Chemie zugerechnet. Beide Vereine trafen im Sachsenpokal-Derby am 23. März aufeinander.

Schon im Vorfeld des brisanten Viertelfinales habe man den Rivalen seine Überlegenheit demonstrieren wollen und sich dafür den als Chemie-Szenetreff bekannten Tatort ausgesucht – so die Annahme der Leipziger Staatsanwaltschaft. Auch ein 18-Jähriger, der sich selbst nicht mal als Fußballfan bezeichnet, geriet ins Visier der Angreifer: Videoaufnahmen zeigen, wie der Angeklagte Louis W. seinem schon am Boden liegenden Opfer gegen den Kopf tritt – 19 Mal soll es gewesen sein.

Strafkammer: Im Zweifel für den Angeklagten

Die Leipziger Anklagebehörde ging im Ergebnis des Prozesses am Landgericht gegen Louis W. von einem Tötungsvorsatz aus, forderte ebenso wie die Nebenklage vier Jahre und neun Monate Haft für den jungen Mann. Die 3. Strafkammer wollte dem nicht folgen: Auch wenn es an der Täterschaft des Angeklagten an sich keine Zweifel gab, sei die hohe Zahl der Tritte gegen den Kopf aufgrund von Bildern einer Überwachungskamera nicht nachzuweisen.

Hinzu kam, dass Louis W. über seinen Anwalt zwar ein Geständnis abgelegt, aber eine Absicht zum Töten bestritten hatte. Nach dem Prinzip „Im Zweifel für den Angeklagten“ ging das Gericht unter dem Vorsitz von Bernd Gicklhorn schlussendlich „nur noch“ von gefährlicher Körperverletzung und schwerem Landfriedensbruch aus.

Louis W. wurde zugutegehalten, dass sein Geständnis das Verfahren wesentlich abkürzte und er dem Opfer 10.000 Euro Schmerzensgeld anbot. Auferlegt wurden ihm 250 Arbeitsstunden und ein Anti-Gewalt-Training.

Opfer nahm Entschuldigungsversuch nicht an

Louis W.s Verteidiger René Lau hatte nach Gerichtsangaben ein bewährungsfähiges Strafmaß für seinen Mandanten gefordert, der bislang der einzige Angeklagte in der schockierenden Gewaltorgie ist. Nach einer vorübergehenden U-Haft in diesem Jahr soll W. seine Straßenbau-Lehre inzwischen wieder aufgenommen haben, die 2026 abgeschlossen sein soll.

Doch fest steht: Das junge Opfer wird psychisch ein Leben lang an dem zu leiden haben, was ihm widerfahren ist. Einen Entschuldigungsbrief von Louis W. hatte der Teenager im Prozess zurückgewiesen.

Gegen das heutige Urteil kann noch Revision eingelegt werden.

Montag, der 15. Dezember 2025: Landwirts-Proteste, „Sächsischen Separatisten“ und Bewährungsstrafe für Lok-Fan nach Überfall auf BSG-Chemie-Anhänger

Mann mit Ordner vor dem Gesicht im Gerichtssaal
Ein 20-jähriger Lok-Fan wurde heute am Landesgericht wegen des Überfalls auf BSG-Chemie-Fans im März dieses Jahres verurteilt. Foto: LZ

In den frühen Morgenstunden protestierten sächsische Landwirte vor dem Logistikzentrum des Discounters Lidl gegen zu niedrige Milch- und Butterpreise. Außerdem: Im kommenden Jahr wird der Prozess gegen die „Sächsischen Separatisten“ eröffnet und in Australien wurden ein Vater und sein Sohn als mutmaßliche Täter nach einem Anschlag am Bondi Beach in Sydney identifiziert. Die LZ fasst zusammen, was am Montag, dem 15. Dezember 2025, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Proteste sächsischer Landwirte

Rund 100 Traktoren standen am frühen Montagmorgen vor dem Radeburger Logistikzentrum der Supermarktkette Lidl. Unter dem Slogan „Lidl lohnt sich – nur nicht für uns Landwirte…“ protestierten Landwirte vor Ort gegen die niedrigen Preise für Milch und Butter. Die derzeitigen Milchpreise belasteten die wirtschaftliche Lage vieler Milcherzeuger erheblich, äußerte sich der Sächsische Landesbauernverband e. V. bereits am vergangenen Freitag zur aktuellen Lage.

Weiter hieß es: „Die Aggressivität, mit der die Lebensmitteleinzelhandel den Preis mit immer neuen Preissenkungsrunden drücken, ist von neuer Qualität. Dies verurteilen wir auf das Schärfste und appellieren an die politischen Entscheidungsträger, den Blick auf die Handelspraktiken zu richten und damit langfristig verlässliche und partnerschaftliche Beziehungen zwischen Milcherzeugern und Verarbeitern zu sichern.“

Infolge des sinkenden Weltmarkthandelspreises für Milch waren die Preise für Butter zuletzt drastisch gesunken und so günstig wie seit Jahren nicht. So kostet ein 250-Gramm-Stück Deutscher Markenbutter der Eigenmarken momentan weniger als ein Euro.

Prozess gegen „Sächsische Separatisten“

Das Oberlandesgericht Dresden teilte am heutigen Montag mit, dass im kommenden Jahr der Prozess gegen acht Männer beginnen soll, welchen unter anderem die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung sowie die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens vorgeworfen wird. Die Mitglieder der selbsternannten „Sächsischen Separatisten“ vertraten laut Gericht rassistische, antisemitische und teilweise apokalyptischen Überzeugungen.

Sie seien, so die Anklage, überzeugt gewesen, dass ein unbestimmter “Tag X” bevorstehe, an dem der staatliche und gesellschaftliche Zusammenbruch Deutschlands eintreten werde. Sie seien entschlossen gewesen, bei dieser Gelegenheit einen möglichst großen Teil Sachsens zu erobern und dort einen an der Ideologie des Nationalsozialismus ausgerichteten Staat zu errichten.

Im Zuge dessen planten die Angeklagten die „Liquidierung von Vertretern der staatlichen Ordnung und ethnische Säuberungen.“ In Vorbereitung hatte die Gruppe rund um den aus Brandis stammenden Jörg S. militärische Ausrüstungsgegenstände herangeschafft sowie paramilitärische Kampftrainings durchgeführt.

Bewährungsstrafe für Lok-Anhänger

Nach einem Überfall auf acht Fans des Fußball-Regionalligisten BSG Chemie Leipzig im März dieses Jahres wurde am heutigen Montag ein 20-Jähriger vor dem Landesgericht verurteilt. Der junge Mann hatte wegen versuchten Mordes vor Gericht gestanden, war durch das Geständnis der Tat aber mit einer Bewährungsstrafe davongekommen. Er muss außerdem 250 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten und an einem Anti-Gewalt-Training teilnehmen.

Die Staatsanwaltschaft hingegen hatte eine Gefängnisstrafe von knapp fünf Jahren gefordert. Man ging von einem geplanten Überfall aus.

Was war passiert? Am späten Abend des 22. März, ein Tag vor dem Sachsenpokalspiel, in welchem sich Lok Leipzig und Chemie Leipzig gegenüberstanden, waren etwa 30 Anhänger des 1. FC Lokomotive Leipzig in der Leipziger Straße in Böhlitz-Ehrenberg angerückt. Mindestens elf von ihnen sollen der Anklage zufolge über die Chemie-Fans hergefallen sein.

Der damals 19-jährige Angeklagte hatte, so der Vorwurf, einem 18-jährigen Chemie-Anhänger 19mal gegen den Kopf getreten, als dieser am Boden lag. Laut Gericht konnte dieser Vorwurf nicht zweifelsfrei geklärt werden.

Unser Redakteur Lucas Böhme war im Gericht vor Ort und wird zu späterer Stunde einen ausführlichen Prozessbericht liefern.

Warnstreik bei Momox

Der Online-Handel Momox wird am heutigen Montag und morgigen Dienstag bestreikt. „Solange die Arbeitgeberseite nicht verhandelt, machen wir Druck, und zwar immer mehr“, erklärte der zuständige Gewerkschaftssekretär Ronny Streich am Montag. „Sie – die Arbeitgeber – sollten nicht den Fehler machen, die Ernsthaftigkeit, den Mut und die Entschlossen der Kolleginnen und Kollegen zu unterschätzen.“

„Bei momox in Leipzig arbeiten viele migrantische und geflüchtete Kolleginnen und Kollegen z.B. aus Afghanistan, Syrien, Iran, Venezuela, Indien. Sie stehen unter besonderem Druck“, erklärt die Gewerkschaft. „Arbeitshetze und Leistungsdruck treffen auf Existenzängste. Die migrantischen Beschäftigten befürchten mit Verlust des Arbeitsplatzes auch den Verlust des Aufenthaltstitels. Diese Angst nutzt auch momox aus, insbesondere mit befristeten Einstellungen.“

Schon vor zwei Wochen hatten Mitarbeitende des Unternehmens für einen Tag ihre Arbeit niedergelegt. Die Gewerkschaft kritisiert weiterhin viel zu niedrige Löhne für die Mitarbeitenden. „Der Mindeststandard ist der Tarifvertrag.“

„Verstecke“ Kondensstreifen, die Gier der Reichen und ein politischer Spiegelmoment

Worüber die LZ heute berichtet hat:

Leipziger Studie: „Versteckte“ Kondensstreifen in Zirruswolken tragen zur Klimaerwärmung bei

Die Gier der Reichen zerstört die Demokratie: Fratzscher fordert ein modernisiertes Steuersystem

Studie von ADFC und Verkehrswende Leipzig: Leipzig hat zu wenige Fahrradübungsplätze

Das Rätsel Alexander Eichwald: Ein politischer Spiegelmoment

Torgau und seine Huldigungen gegenüber dem Landesherrn: Was Huldigungen über Macht und Autonomie erzählen

Kant, Biodiversität und Wissenschaftskommunikation: Kein bisschen verstaubt diese Akademie + Videos

Klage gegen AfD-Abgeordneten und neue Erkenntnisse nach Attentat in Sydney

Was heute außerdem wichtig war: In Berlin fanden heute weitere Gespräche über das weitere Vorgehen und einen möglichen Waffenstilltand bezüglich des Ukraine-Krieges statt. Schon am gestrigen Sonntag waren Verhandlungen aufgenommen worden von Vertreter*innen der USA und der Ukraine.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten Matthias Moosdorf erhoben. Dem 60-Jährigen wird vorgeworfen, während der laufenden Bundestagssitzung am 22. Juni 2023 im Bereich der Garderobe des Reichstagsgebäudes einen Parteifreund öffentlich mit einem Hackenschlag und Hitlergruß begrüßt haben.

Nach dem tödlichen Anschlag auf eine jüdische Feier am Beach in Sydney, Australien, wurden die beiden Tatverdächtigen identifiziert. Laut Polizei handele es sich um Vater und Sohn (50 und 24 Jahre alt). Bei dem als antisemitischen Terroranschlag eingestuften Angriff wurden 16 Menschen getötet, mehr als 40 Personen wurden verletzt. Der 50-jährige mutmaßliche Attentäter wurde von Polizisten erschossen.

Kant, Biodiversität und Wissenschaftskommunikation: Kein bisschen verstaubt diese Akademie + Videos

Prof. Dr. Christian Wirth beim Festvortrag, Foto: Thomas Köhler

„Wir müssen raus aus unserer Blase, ich glaube, das ist ganz wichtig. Es ist immer schön, wenn man sich mit den Kollegen austauscht und in einem wissenschaftlichen Diskurs verbleibt. Aber das wird uns nicht retten. Wir müssen raus aus unserer Wissenschaftsblase und wir müssen, regional die Leute ansprechen und versuchen, die zu Hause abzuholen. Diese ganz großen Würfe, die man immer versucht, die funktionieren meistens eben nicht.“

So sagte Katja Bühler auf dem Podium der öffentlichen Herbstsitzung der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, am 12. Dezember 2025 in der Bibliotheca Albertina.

Warum stelle ich das an den Anfang des Artikels?

Akademie der Wissenschaft, das klingt verstaubt etwa wie: Alte weiße Professoren sitzen da und reden über Dinge, die nur wenige Akademiker interessieren. Ja, eben diese Wissenschaftsblase, darüber muss man doch nicht berichten.

Wie war das am 12. Dezember?

Beginnen wir mit dem Podium, da saßen zwei Professorinnen und zwei Professoren, der Altersschnitt war etwa 50 Jahre. Das ist in diesem Bereich kein hohes Alter. Einer dieser Professoren, Christian Wirth, Direktor des Botanischen Gartens der Universität Leipzig und Direktor de iDiv, hielt vorher einen Festvortrag. Das Thema war „Mit Biodiversität gegen den Klimawandel und seine Folgen“.

Die Podiumsdiskussion bestritt er dann gemeinsam mit Katja Bühler, Professorin für „Technologie produktiver Biofilme“ an der TU Dresden, Emese Domahidi, Professorin für Kommunikationswissenschaft an der TU Ilmenau, und Martin Bertau, Direktor des Instituts für Technische Chemie der Bergakademie Freiberg. Zum Thema „Wissen und Wandel: Wie können Wissenschaft und Gesellschaft gemeinsam Probleme lösen?“ wurde unter der Moderation von Tanja Busse diskutiert.

Zwischenfazit: „Alte Professoren“ und „verstaubte Themen“ – Fehlanzeige.

Leider hatte sich die Akademie darauf verlassen, dass die Tonanlage am Veranstaltungsort zur Verfügung stand und die eigene nicht mitgebracht. So gab es Probleme mit den Mikrofonen und für mich keine Möglichkeit den Ton von der Anlage abzunehmen.

Das Video des Festvortrages habe ich mit „Adobe podcast“ verbessert, Veränderungen der Sprachfärbung waren dabei bedauerlicherweise unumgänglich. Ein Video der Diskussion steht leider nicht zur Verfügung, die Aufnahme des Raumtons ist nicht geeignet.

Hornmusik und Kant

Horn-Quartett der Hochschule für Musik und Theater, Foto: Thomas Köhler

Bevor es mit dem Festvortrag losging, gab es eine musikalische Einleitung, vier Studierende der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ spielten Stücke von Bizet, Mozart und Weber auf dem Horn. Der Präsident der Akademie, Prof. Dr. Hans-Joachim Knölker, eröffnete die Herbstsitzung und gab einen kurzen Einblick in die Arbeit der Akademie.

Es folgte die Verleihung des Nachwuchsförderpreises des Fördervereins der Akademie an Dr. Jens Pier, für seine Arbeit zu „Kants Selbstbewusstseinsgedanke als methodologischer Neuanstoß für die gegenwärtige Metaphysik.“ Der Philosoph war extra aus London angereist und hielt auch einen 10-minütigen, durchaus hörenswerten, Kurzvortrag zu dem Thema.

Mit einem Gedanken aus dem Vortrag gehe ich über zu dem Hauptteil:

Prof. Dr. Hans-Joachim Knölker, Dr. Jens Pier und Prof. Dr. Harald Krautscheid, Foto: Thomas Köhler

„Die artikulierte Einheit des Denkens ist also ein Projekt, das wir von Kant empfangen haben. Ein solches Projekt ist, wie alle Teile der Geistesgeschichte, teils problembehaftet, teils ein Kind seiner Zeit, aber wie alle guten Ideen der Geistesgeschichte weist es jedoch über sich selbst und seine Entstehung hinaus. Und in den besten Momenten der Philosophie ist sie ein Beitrag zu unendlichen Aufgaben, die uns als Menschen aufgegeben ist, der Bestimmung des menschlichen Standortes in der Welt.“

Prof. Wirth zur Biodiversität

Christian Wirth teilte seinen Vortrag in drei Teile, zuerst beschäftigte er sich mit dem Einfluss des Klimawandels auf die biologische Vielfalt hat. Im zweiten Punkt führte er aus, dass biologische Vielfalt in der Lage ist, mindestens teilweise, den Klimawandel zu bremsen oder die Folgen abzumildern. Im dritten Teil ging es um die Anwendung dieser Kenntnisse.

Es war eine kurze, wenn auch 25-minütige, inhaltsreiche Zusammenfassung zum Thema, mit Zahlen, Fakten, Verweisen auf Veröffentlichungen und Beschreibungen von Versuchen. Wichtig erschienen mir die Ausführungen zur Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen. Beispielsweise, dass Artenreichtum in Wäldern die Produktivität erhöht, also gut für die Holzwirtschaft ist.

Aber auch die Möglichkeiten für neue Technologien in Land- und Waldwirtschaft, die zu innovativen und weltmarktfähigen Technologien führen können. Biodiversität ist keine Bremse für die Wirtschaft. Dieser Teil ist unter „Ökologische Intensivierung“ – Wirtschaften mit Biodiversität, im Video ab Minute 14 zu finden.

Die Podiumsdiskussion

Wie bringt man Wissenschaftsthemen in die Gesellschaft, wie wehrt man sich gegen Fake News im Wissenschaftsbereich, wie umgehen mit „Wissenschaftsskeptikern“, muss man soziale Medien generell kritisch betrachten oder soll man diese nutzen? Das und vieles andere mehr diskutierten die Teilnehmenden.

Tanja Busse stellte zu Beginn die Teilnehmenden vor und sprach auch gleich ein wichtiges Thema an. Sie fragte Katja Bühler: „Wie viel von dem, was Sie entwickelt haben, hilft denn jetzt Probleme zu lösen und wie viel bleibt in der Universität als eine schöne Möglichkeit?“

Prof. Dr. Katja Bühler, Prof. Dr. Emese Domahidi und Tanja Busse, Foto: SAW

Die ernüchternde Antwort war:

„Ich muss leider sagen, das meiste bleibt in der Schublade. Es steht und fällt immer mit der ökonomischen Frage, ob man damit verdient, ja oder nein. Unser großes Problem ist, dass wir gegen etablierte Prozesse antreten, die bereits in der Chemieindustrie lange laufen.

Es ist immer für die Industrie ein großes Risiko, so etwas umzustellen und in dem Moment, wo das Endprodukt zwei Cent teurer sind als das, was etabliert ist, sind sie schon vom Tisch und in der Schublade. Das große Problem ist, dass die Bepreisung dieser Produkte nicht ganz ehrlich ist. Wir haben Produkte, die auf fossilen Rohstoffen basieren, die häufig nicht die ganzen Folgeschäden, die sie mit sich bringen, einpreisen. Das heißt, sie sind unterm Strich viel zu billig.“

Ein Beispiel, wie es funktionieren kann, zeigte Martin Bertau auf:

„Wir haben eine Ausgründung aus der Uni auf den Weg gebracht, die genau das macht und die betreibt die weltweit größte betriebliche Phosphat-Recyclinganlage. Deswegen die weltweit größte, weil es die einzige ist, die es gibt und die auch tatsächlich funktioniert.

Ich will damit zeigen, es geht tatsächlich. Es funktioniert, es geht, in den Unis liegt sehr viel in den Schubladen und es liegt tatsächlich nicht nur an der Politik, sondern auch an der Gesellschaft und der Industrie, solche Verfahren aus den Schubladen herauszuholen.“

Die Frage, wie sich die Einführung von Computern, von sozialen Medien, von Digitalisierung, vielleicht auch von KI, auf unser Kommunikationsverhalten auswirkt und was das alles bewirkt und ob das an der wahnsinnig schnellen Entwicklung liegt, richtete sich an Emese Domahidi.

Der Wandel, also die Digitalisierung und die sozialen Medien kamen ja gar nicht so schnell, führte sie aus.

„Wir haben vielleicht als Gesellschaft, salopp gesagt, verpennt darauf rechtzeitig zu reagieren und uns rechtzeitig damit zu beschäftigen. Wir haben viel geforscht zu politischer Kommunikation in Krisenseiten, zum Beispiel während der Covid-Krise und haben ein bisschen das Gefühl, dass wir es mit einer irrationalen Öffentlichkeit zu tun haben. Wir haben doch Lösungen, warum wollen wir die nicht umsetzen als Gesellschaft?

Warum gibt es Akteure und Akteurinnen, die da gar nicht mitmachen wollen? Dann sehen wir die politische Entwicklung, beispielsweise in den USA. Wir sehen, wie soziale Medien da genutzt werden. Wir sehen zum Beispiel, wie soziale Medien, wie Telegram, nicht von der breiten Bevölkerung genutzt werden, sondern wo sich Akteure speziell vernetzen, die gegen Lösungen sind, die wir als gesellschaftlich wünschenswert erachten.“

Prof. Dr. Martin Bertau und Prof. Dr. Christian Wirth, Foto: Thomas Köhler

Christian Wirth sprach von einem reinen Umsetzungsproblem:

„Obwohl ich mir als Wissenschaftler gerne den Hut aufsetze und sage, wir haben noch ganz fürchterlich viele Wissensmücken und dafür brauchen wir ganz viele Fördermittel, um das alles herauszufinden, muss ich, wenn ich ganz ehrlich bin, sagen: Um die Probleme zu lösen, des Biodiversitätsschutzes beispielsweise, bei der Klimakrise, wissen wir genug. Wir könnten sofort und direkt anfangen und könnten in wenigen Jahren extrem viel erreichen. Da brauchte es eigentlich keine weitere Forschung dazu.“

Es verbietet sich von selbst eine einstündige Diskussion in einem Artikel vollumfänglich wiederzugeben. Es wurden viele Herausforderungen ausführlich aufgezeigt. Gegen Ende kam es, wie zu erwarten war, auf das Thema Wissenschaftsfeindlichkeit und Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit.

Dazu werde ich in einem weiteren Artikel ausführlich eingehen. Ein Zitat nur, welches zeigt wie sehr das Thema Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch hier beschäftigt.

„Ich gebe ehrlich zu, ich habe große Angst davor, das kann einfach wahnsinnig schnell kippen. Ich habe viel in Diktaturen gearbeitet, ich war in China, ich habe lange Jahre in Russland gearbeitet. Ich weiß, dass man mit den Menschen dort über die Wissenschaft, das Wetter, das Essen, die Familie reden kann.

Über bestimmte Dinge darf man auf gar keinen Fall reden, weil man auch nie weiß, wer mit am Tisch sitzt. Und ich merke jetzt an mir, dass meine Kommunikation mit meinen US-amerikanischen Kolleginnen und Kollegen in dieselbe Richtung geht. Dass ich mich bereits einer Selbstzensur unterziehe, weil ich Angst habe, dass ich diese Kollegen dort in irgendeiner Weise gefährde.

Das ist nicht überzogen, sondern tatsächlich real. Da entfaltet sich derzeit eine wirkliche Dystopie, das kann uns hier genauso passieren. Ich bin relativ fest davon überzeugt. Wir müssen einfach wachsam sein. Also immer schön kommunizieren, jawohl, aber zu einem bestimmten Zeitpunkt muss man sich auch wehren können. Ich weiß nur nicht genau wie.“

Eine Idee, wie es klappen könnte

Am Ende der Diskussion äußerte Christian Wirth noch seine Idee, wie man die wissenschaftlichen Lösungen in die Gesellschaft einbringen könnte.

„Ich hätte gerne etwas Haptisches. Ich hätte gerne eine Art Nachhaltigkeits-Musterlandschaft. Mit glücklichen Menschen, die Geld verdienen. Wo eine Attraktions-Wirkung entfaltet wird, der man sich gar nicht entziehen kann. Sodass Leute wirklich neugierig werden und neidisch darauf werden und das bei sich zu Hause auch so haben wollen. So etwas müssten wir bauen.

Etwas, was den ästhetischen Wert einer Caspar-David-Friedrich-Landschaft hat, mit modernen Elementen, die dort zu sehen sind. Wo Busse mit Studierenden hinfahren, die dort Exkursionen machen, um sich dieses Beispiel anzuschauen.

Wo die Chinesen Leute hinschicken, um sich anzuschauen wie wir das hingekriegt haben. Wir müssen etwas auf den Tisch legen, was extrem hohe Qualität hat. Sowohl finanziell als auch ökosystemar als auch kulturell. Daran müssen wir bauen. Und dann alle möglichen Leute begeistern, da mitzumachen. Damit man sich dem nicht entziehen kann.“

Ob ein ökologischer Gegenentwurf zur konservativen Heidi-Sehnsuchtslandschaft die Lösung ist? Einen Versuch wäre es jedenfalls wert.

Ich habe, während sich die Teilnehmenden schon am Buffet labten, ein kurzes Gespräch mit Christian Wirth geführt.

Fazit: Es lohnt sich an den Veranstaltungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften teilzunehmen und darüber zu berichten. Sei es auch nur um diese Themen nicht nur auf den kleinen Kreis der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu beschränken.

Das Projekt „LZ TV“ (LZ Television) der LZ Medien GmbH wird gefördert durch die Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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