Es ist ambitioniert, was das PISA Immobilienmanagement nun zum zweiten Mal versucht hat: einen detaillierten Marktbericht zum Wohnungsmarkt in Leipzig. Den ersten legte das Unternehmen 2016 vor. Auch damals mit dem Hinweis: Kein Grund zur Panik. Global betrachtet stimmt das auch. Wer gut verdient, kann sich das neue Mietniveau leisten. Panik ist in Leipzig mittlerweile eine Sache des Geldbeutels.

Um die Werte für die derzeit gültigen Angebots- und Bestandsmieten herauszubekommen, hat PISA wieder zehntausende Daten ausgewertet. Was zumindest schon einmal gewisse Begrenzungen mit sich bringt. Prof. Dr. habil. Kerry-U. Brauer, Direktorin der staatlichen Studienakademie Leipzig, eine der Kooperationspartnerinnen von PISA, beschreibt es so: „Für die Studie wurde die Angebotsdatenbank von Immobilienscout24 für die Jahre 2014, 2015 und 2016 bereinigt und mit den Methoden der deskriptiven Statistik bis auf Ortsteilebene detailliert ausgewertet. Eine der größten Herausforderungen war die Frage, wie man die Datenqualität verbessern kann und beispielsweise die Vielzahl von Dubletten beseitigt. Dies konnten wir halbautomatisch lösen. Durch diese Methode sind aus der ursprünglichen Datenbasis von 166.512 Datensätzen schlussendlich 89.613 Datensätze in die Auswertung eingegangen.“

Aber das sind nur die Angebotsmieten, die so oft auch nicht zur realistischen Grundlage in Mietverträgen werden. Und dazu kommt das Problem: Nicht alle Vermieter bieten hier an.

Brauer: „Wir müssen darauf hinweisen, dass die Beschränkung auf die Angebotsmieten und die Beschränkung auf nur einen Angebotskanal bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen sind. So gehen Wohnungen, die nicht über Immobilienscout24 beworben wurden, nicht in die Studie ein. Wohnungsgenossenschaften und auch das kommunale Wohnungsunternehmen vermieten häufig nicht über dieses Portal und bieten auch Wohnungen unterhalb des ermittelten Preisniveaus an. Wir vermuten deshalb, dass das tatsächliche Preisniveau unter dem in der Studie ermittelten Preisniveau liegt.“

Das muss man wissen, wenn man den Marktbericht liest. Was auch deutlich wird, wenn der Marktbericht feststellt, dass die ermittelten Bestandsmieten deutlich über den in der Bürgerumfrage der Stadt ermittelten Durchschnittswerten liegen.

11 Prozent rauf in zwei Jahren

Die Angebotsmieten in Leipzig stiegen im Mittel von 2014 bis 2016 um 14 Prozent von 5,81 Euro/m² auf aktuell 6,60 Euro/m², hat PISA ermittelt. Damit liegen sie im Moment 22 Prozent über den in der kommunalen Bürgerumfrage der Stadt Leipzig ermittelten Bestandsmieten von 5,39 Euro/m².

Aber wo liegen nach PISA die Bestandsmieten? – „Bei den Bestandswohnungen wurden im Median im Jahr 2016 Wohnungen zu 6,01 Euro/m² angeboten. Das ist ein Plus von 10,7 Prozent im Vergleich zu 2014. Beim Erstbezug stiegen die Preise um 11,4 Prozent auf einen Median von 7,80 Euro/m² im Jahr 2016.“

Die 5,39 Euro Euro/m² stammen übrigens aus der „Kommunalen Bürgerumfrage 2016“. Das heißt, wir haben es auch mit einer offensichtlichen Zahlendifferenz im aktuellen Bestand von über 11 Prozent zu tun. Es gibt also gute Gründe, die Ergebnisse des PISA-Marktberichts mit Vorsicht zu genießen.

Auch wenn für die aktuelle Angebotsentwicklung stimmt: Die angebotenen Neumieten sind deutlich angezogen.

Was für all jene Leipziger, die seit 2014 keine 10-prozentige Lohnerhöhung bekommen haben, natürlich ein Grund zur Panik ist. Gerade weil parallel der Wohnungsleerstand der Stadt auf 3 Prozent geschrumpft ist. Was natürlich die Vermieter freut: Sie haben es mit einem deutlich verknappten Markt zu tun, auf dem sie auch Mieten durchsetzen können, die deutlich über den Möglichkeiten vieler Niedrigverdiener liegen.

Oder wie Timo Pinder, Geschäftsführer PISA Immobilienmanagement, es ausdrückt: „Es gibt keinen Grund zur Panik auf dem Leipziger Immobilienmarkt. Denn die Angebotsmieten zeigen, dass die Mieter bereit sind, höhere Mieten zu zahlen. Das zeigt die Zahl der innerstädtischen Umzüge: Sie sind zwischen 2015 und 2016 um rund 1.800 auf 56.000 gestiegen.“ Werden die Wohnungen in einem Markt zu teuer, sinkt die Zahl der Umzüge, weil die Mieter in ihren günstigen Wohnungen bleiben. Leipzigs Mieten weisen auch im Vergleich zu anderen Städten wie Berlin (9,00 Euro/m²) nach wie vor ein eher niedriges Niveau auf. In sechs von zehn Stadtbezirken Leipzigs liegt der mittlere Angebotsmietpreis im Bestand unter 6,00 Euro/m². Das betrifft die Stadtbezirke West, Nordost, Ost, Nordwest, Alt-West, Südost. „Die Zahlen bedeuten also auch, dass gerade Bestandswohnungen nach wie vor preiswert zu mieten sind.“

Es gibt keinen gleichen Wohnungsmarkt für alle

Das trifft alles zu. Das Problem des Leipziger Wohnungsmarktes ist, dass das Durchschnittseinkommen deutlich unter dem vergleichbarer Großstädte im Westen liegt. Und gerade die Haushalte mit niedrigen Einkommen zahlen auch heute schon 30 bis 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete, nicht die 22 Prozent, die auch PISA zitiert und die aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung stammen.

Augenblicklich ziehen vor allem die Angebotsmieten an. Das werde aber so nicht bleiben.

„Die Preisanstiege in den Angebotsmieten werden abflachen“, schätzt Timo Pinder ein. Dafür sprächen mehrere Indizien.

So schwäche sich der enorme Zuzug und damit die Nachfrage gerade ab, meint er. Aber wo hat er das her? Die Bevölkerungszahlen des Amtes für Statistik und Wahlen sprechen eine andere Sprache. Der Zuzug bleibt weiter auf dem hohen Niveau der letzten Jahre.

In diesem Jahr erwarten die Statistiker ein Wachstum um höchstens 10.000 Personen und damit deutlich weniger als 2015 und 2016, meint Pinder. Die Septemberzahlen zeigen, dass es deutlich über 10.000 sein werden. Da flacht sich nichts ab. Die Ausreißer von 2015 und 2016 beruhen beide auf dem starken Zuzug von Menschen, die im Gefolge der Syrienkrise Asyl in Sachsen gefunden haben.

„Der Druck auf den Markt wird sich auch wegen der vielen Neubauprojekte vermutlich nicht weiter erhöhen. Andererseits wird es zukünftig die spannende Frage sein, wie viele Neubauprojekte Leipzig verträgt und ob alle derzeit in Planung befindlichen Bauvorhaben zu den kalkulierten Preisen vermietet werden können. Aus unserer Sicht müssen Baukosten gesenkt werden, damit die Mieten realistisch bleiben“, so die Einschätzung des Immobilienmarktexperten.

Die preiswerten Marktsegmente brechen weg

Womit gleich eine Reihe von Konfliktpunkten genannt sind, um deren Lösung sich die Politik in Bund und Land gerade drückt. Denn mit aktuellen Fördermitteln ist ein sozialer Wohnungsbau nur in Mini-Portionen möglich. Es sind die preiswerten Marktsegmente, die unter Druck geraten sind, nicht die Preissegmente, die sich Gutverdiener leisten können.

Dass es andererseits Spielräume für Preissteigerungen gäbe, zeige die relativ niedrige Mietpreisbelastung, die in den letzten Jahren durch steigende Einkommen gesunken sei, meint Pinder. Und er zitiert dann die Studie der Hans-Böckler-Stiftung, nach der derzeit in Leipziger Haushalten durchschnittlich 22,6 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens in die Kaltmiete fließen. In vielen deutschen Großstädten liegt dieser Wert bei über 30 Prozent.

Da wir diese Studie auch besprochen haben, zitieren wir uns einfach mal selbst: „Das ist dann die etwas feinere Mathematik. Denn eine durchschnittliche Mietbelastungsquote von 22,6 Prozent heißt eben nicht, dass alle nur 22,6 Prozent abzweigen müssen. Aus der Studie zitiert: ‚Während fast 19 Prozent aller Haushalte mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufbringen müssen, gibt es auf der anderen Seite auch 12 Prozent, die weniger als 15 Prozent ihres Einkommens für die Miete ihrer Wohnung benötigen.ְ‘“

Und dazu kommt: das „derzeitig“ ist falsch. Die Daten der Studie der Hans-Böckler-Stiftung stammen von 2014.

Deutlich wird, dass hier ein Marktakteur die Zahlen aufbereitet, der vor allem im Sinne der Anbieter agiert und die Zahlen aus geschäftlicher Sicht bewertet.

Dass die Angebotsmieten so hoch liegen, hat natürlich damit zu tun, dass praktisch nicht mehr unter 10 Euro/m² gebaut werden kann.

Neubau praktisch nur noch im Hochpreissegment

Ein Ergebnis ist: Es gibt Ortsteile, wo nur noch höherpreisige Wohnungen angeboten werden, weil andere gar nicht mehr auf den Markt kommen.

Bei den Angebotsmieten für Wohnungen im Erstbezug gibt es nur einen von 63 Ortsteilen, der im Median über 10,00 Euro/m² liegt. Dies ist das Zentrum-Nordwest, besser bekannt als das Waldstraßenviertel, mit 10,50 Euro/m².

Betrachtet man die zehn Stadtbezirke Leipzigs, zu denen jeweils mehrere Ortsteile gehören, dann ist es der Stadtbezirk Mitte, in dem auch das Waldstraßenviertel liegt, der erwartungsgemäß den höchsten Median im Erstbezug aufweist. Dieser liegt bei 9,50 Euro/m². Sieben der zehn Leipziger Stadtbezirke weisen eine mittlere Angebotsmiete im Erstbezug zwischen 6,99 Euro/m² und 8,00 Euro/m² auf. Der Stadtbezirk West liegt mit 5,10 Euro/m² deutlich darunter, die Stadtbezirke Süd und Mitte mit 9,00 Euro/m² bzw. 9,50 Euro/m² mit einigem Abstand darüber.

„Neubauwohnungen in den hochpreisigen Lagen sind in Leipzig gefragt“, meint Pinder. „Unsere Vermietungsprojekte in dieser Kategorie sind regelmäßig innerhalb kurzer Zeit vermietet.“

Was natürlich heißt: Es gibt tatsächlich noch die solvente Mieterschaft, die auch den Peis für gehobene Qualität zahlen kann. Der Neubau bedient dieses Segment ganz gut.

Preise zwischen 10 und 12 Euro/m² werden insbesondere in der Südvorstadt, in Schleußig, Plagwitz, Gohlis und im gesamten Stadtbezirk Mitte verlangt. Gelegentlich werden sie auch in Stötteritz, Probstheida, Reudnitz-Thonberg, Möckern, Lindenau und Alt-Lindenau aufgerufen.

Was in der Summe eben heißt: Für das Preissegment der höheren Einkommen, die sich 10 Euro/m² leisten können, wird derzeit emsig gebaut und der Bedarf ist augenscheinlich da.

Für die Bedürfnisse der geringeren Einkommen aber geschieht derzeit nichts. Was natürlich einen Lenkungseffekt auslöst: Die Menschen mit diesen Einkommen müssen in die (noch existierenden) Bestände mit Mieten um 5 Euro ausweichen. Was immer schwerer fällt. Siehe die Studie der Hans-Böckler-Stuiftung: Wer schon 40 Prozent seines Einkommens hinblättern muss für Miete, der hat eigentlich keine Spielräume mehr. Das ist ein politisches Problem. Und eine Lösung nicht in Sicht.

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