Die Reihe mausert sich. Jedes Buch ist ein farbenfrohes Angebot für Eltern, ihre Kinder wegzulotsen von Fernseher Playstation und Smartphone, zurück in die wirkliche Welt, wo man mit Phantasie und den eigenen Händen lauter faszinierende Dinge tun kann und vor allem eines lernt: Die Wirklichkeit ist änderbar. Man muss nur zupacken und keine Scheu haben vor kleisterklebrigen Händen.

Die Berlinerin Julia Schmidt betreibt selbst einen Blog, auf dem sie Tipps gibt, was man mit Kindern alles machen kann, wenn man ihnen Papier, Kleber, Malfarben, Schere und Stifte in die Hand gibt. Und wie man sie dazu anregt, das eigene Leben selbst zu gestalten, egal, ob es die eigene Geburtstagsparty ist, wirklich selbst gemachte Geschenke, über die sich Freunde und Freundinnen auch freuen können, oder einfach witzige Dinge, die einen durchs Leben begleiten, wie das dicke runde Sparschwein von Seite 36.

24 Ideen, was man mit Papier und Pappe alles so anstellen kann, hat Julia Schmidt in diesem Buch versammelt, ordentlich aufbereitet mit einer nach Punkten sortierten Handlungsanleitung und entsprechenden Fotos von jedem Arbeitsschritt. Arbeitsschritt klingt gut. Und am schönsten ist unterwegs der herrliche Ratschlag, Eltern sollten überhaupt nicht verzweifeln, wenn die Kinder auf einmal tapetenkleisterklebrige Hände haben. Das ist nämlich nicht schlimm, sondern – im Gegenteil – der Sinn der Sache, der sich mit dem schönen Überbegriff Handarbeit fassen lässt.

Etwas, was in heutigen Bildschirmzeiten geradezu zu verschwinden droht: Die wichtige Erfahrung für junge Menschen, dass man ganz anders und gründlicher lernt, wenn man dabei mit seinen Händen richtig zugreifen kann. Deswegen heißt das eingängige Wort im Deutschen nun einmal: begreifen. Denn was wir mit allen Sinnen und allen voran unserem Tast- und Greifsinn erfassen, das bildet sich auch in unserem Gehirn plastisch ab, das wird in einem riesigen Umfeld an eindrücklichen Sinneserfahrungen gespeichert. Und entsprechend plastisch wird diese Erinnerung später auch abgerufen.

Jungen und Mädchen, die früher, in längst vergangenen Zeiten, noch Handwerksunterricht in der Schule hatten, werden sich, wenn sie sich an das Sägen, Schleifen und Leimen der hübschen Holz-Kunstgewerbe-Produkte erinnern, gleichzeitig noch an den berauschenden Duft frischen Holzes und deftigen Leims erinnern und das Werkzeug regelrecht in den Handflächen spüren.

Dasselbe trifft auf alte Erlebnisse mit Knete, Kastanien, Plakatfarben und Pappmaché zu, aus dem man Faschingsmasken gebastelt und danach bunt angemalt und beklebt hat. Nur braucht man dafür natürlich alle diese Dinger. Ohne richtigen Vorrat kein Bastelerlebnis. Deswegen gibt es auch erst einmal eine kleine Einführung zu dem, wie ein ordentlicher Kinderarbeitsplatz aussehen sollte und welche Vorräte man möglichst immer da haben sollte, falls mal wieder ein verrücktes Ereignis naht, zu dem man etwas aufregend Selbstgebasteltes braucht.

Und zu diesen Materialien gehören nicht nur neue Papiere aus dem Papier- oder Bastelladen, obwohl das dortige Angebot natürlich die Phantasie so richtig auf Trab bringt, egal, ob es buntes Papier, Krepppapier oder Glitzerkleber ist. Denn auch Papier, das ganz selbstverständlich in jeder Familie anfällt, lädt regelrecht dazu ein, es bastelnd in etwas völlig Neues zu verwandeln. Dazu gehören natürlich alte Zeitungen, die man herrlicherweise gut gebrauchen kann, um daraus eigenes, richtig schönes Papier zu schöpfen oder das oben erwähnte Sparschwein zu formen. Dazu gehören aber auch alte Geschenkpapiere, weil sie so schön bunt sind, nicht mehr gebrauchte Eierverpackungen und natürlich die berühmten Klopapierrollen, die in diesem Buch in witzige bunte Stifthalter-Vögel verwandelt werden.

Wenn dann auch noch Kleber, Wasser- oder Plakatfarben schon vorrätig sind, ein paar Luftballons, Schere und Pinsel, dann muss man nicht mal extra losrennen, um sich was im Papierladen zu besorgen. Was man natürlich trotzdem tun kann. Denn was Julia Schmidt hier macht, ist im Grunde ein Einführungskurs in die Welt des Selberbastelns, wie ihn vielleicht manche Kinder auch noch im Kindergarten oder im Hort bekommen, insofern dort engagierte Betreuer/-innen sind, die mit den Kindern auch mal echte Handarbeits-Projekte machen.

Denn der Einführung in die Ausstattung eines ordentlichen Handarbeitsplatzes folgen im Buch sofort die Anleitungen zu einigen grundsätzlichen Schöpfungen, bei denen Kinder wirklich lernen können, dass sie selbst zu echten Schöpfern werden können und hinterher in der Hand halten, was sie gemacht haben – in diesem Fall selbst gemachtes Papier (gern auch mit echten Blüten drin), selbst geformte Papierschalen oder marmorierte Papiere (für die Papa seinen Rasierschaum opfern muss).

Und auch das Herstellen selbst gestalteter Bilderrahmen (natürlich bunt!), Notizbücher für Freunde, Monsterlesezeichen und eben besagtes Sparschwein (in höchsteigener Bemalung) lassen die Kleinen erfahren, wie leicht man sich selbst schöne Dinge schaffen kann, ohne dass man dazu irgendetwas Fertiges im Laden kaufen muss. Stattdessen verwandelt sich eine farbenfrohe Idee binnen kurzer Zeit in etwas, das man anfassen, bestaunen und verschenken kann.

Und natürlich bieten die anderen Basteltipps herrliche Annregungen für den bunten Kinderalltag – vom Herstellen bunter Papierperlen über freche Eierpackungsmasken bis zu selbst gemachten Lampions in allen Farben der Welt oder – dann schon mit ein bisschen mehr Geduld und Fingerspitzengefühl – großen Papiersternen und ganzen Sträußen selbst gemachter Papierblumen.

Und da jeder einzelne Tipp abwandelbar ist, tut sich allein mit diesen Bastelvorschlägen eine ganze Welt auf, in der Kinder lernen können, ihre Kreativität in greifbare Dinge zu verwandeln. Und wenn es nicht gleich klappt, kann man es immer wieder versuchen. Hier stürzt kein Computer ab, hier endet kein dummes PC-Spiel, weil man etwas falschgemacht hat.

Im Gegenteil: Viele der Bastelvorschläge sehen schon so aus, dass daraus ganze neue Welten verrückter farbenfroher Ideen entstehen können. Und die Kinder haben (bis auf die da und dort hilfreiche Unterstützung durch ein paar technische Geräte der Eltern) alles selbst in der Hand, lernen mit den verwendeten Materialien umzugehen und dabei auch, ihre Hände mit Gefühl zu benutzen. Und bestimmt lernt man auch ein bisschen Geduld dabei, denn Farbe und Kleber müssen ja oft erst ein bisschen trocknen, bevor es weitergehen kann.

Und selbst wenn man mal keinen Klebestift mehr hat, weil die Kinder alles, alles aufgebraucht haben und gerade Wochenende ist, gibt es keinen Grund zum Verzweifeln, dann macht man sich den Kleister – ganz ökologisch – nämlich selbst. Und das ist dann sowieso der wichtigste Grundgedanke dabei: Den Kleinen früh schon beizubringen, dass man im Leben nie aufgeschmissen ist, wenn man weiß, was man mit Fingerspitzengefühl und ein bisschen Phantasie alles selber machen kann.

Julia Schmidt Basteln mit Papier, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2019, 14,95 Euro.

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