2012 hat der Buchverlag für die Frau zum ersten Mal ein kleines Büchlein mit Weihnachtsbräuchen aus durchaus exotischen Ländern der Erde vorgelegt. Seitdem wissen auch die Leser kleiner Bücher, dass Weihnachten nicht überall auf dem Globus genauso gefeiert wird wie in Deutschland. Nicht mal in Europa sind die Bräuche gleich. Nun hat Katharina Kleinschmidt einen Folgeband geschrieben. Diesmal vielleicht sogar zur Warnung.

Denn in manchen Ländern wird Weihnachten so ausgiebig und lange gefeiert, dass selbst die Autorin anmerkt, dass es für die Feiernden möglicherweise die eigentliche Vorfreude ist, dem Ende des Festes entgegenzusehen. In anderen Ländern ist Weihnachten tatsächlich das Fest der Liebe – und fast die einzige Möglichkeit, mit der Liebsten mal einen Abend zu zweit zu erleben.

Aber es wird bei dieser Rundreise von Äthiopien bis Venezuela auch deutlich, dass sich in vielen – gerade christlichen – Ländern auch der tiefe Bezug zu den alten Riten erhalten hat – mit einer langen Fastenzeit vor dem Fest, in der sich die Gläubigen einstimmen auf den Heiligen Abend. Und dann kommt – man kennt es eben nicht nur im Islam – das große Fastenbrechen und alles kommt auf den Tisch, was man sich vorher alles verkniffen hat.

Jetzt darf geschmaust werden und gefeiert. Ein Fest der Liebe und der Küche. Meist wieder eingebettet in Gottesdienste, zu denen die Gläubigen vorher und nachher in Scharen in die Kirche strömen. Ihnen ist oft noch viel bewusster, worum es geht: nämlich die Feier der Geburt des Kindes in Betlehem.

Weihnachten mit und ohne Schnee

Und das darf auch ausgiebig gefeiert werden – mit Festen, Tänzen, Vergnügen. Und natürlich mit der ganzen Verwandtschaft. Weihnachten ist ein geselliges Fest. Gerade in Ländern, in denen es am Heiligabend nicht klirrend kalt ist, sondern pudelig warm, sodass auch draußen weitergefeiert werden kann.

Was nicht ausschließt, dass Katharina Kleinschmidt erzählt, was die Grönländer und die Isländer zu Weihnachten eigentlich treiben. Denn Schnee haben sie ja genug – nur keine Weihnachtstannen, wenn sie nicht gerade aus Hamburg eine geschickt bekommen. Was nicht ausschließt, dass sie – wie die Isländer – das Fest auch mit langem Atem und allerlei wilden Trollen begehen, die erst verschwinden, wenn der Weihnachts-Glögg ausgetrunken und der letzte Feier-Tag gekommen ist.

Weihnachten scheint in vielen Ländern tatsächlich ein Fest für Hartgesottene und echte Ausdauersportler zu sein. Für Genießer leckerer Getränke und schmackhafter Speisen sowieso. Weshalb es zu jedem Land auch ein köstliches Rezept gibt, meist direkt aus der landestypischen Küche, sodass man auch im Weihnachtsland Sachsen so eine Ahnung davon bekommt, was andere Völker so schmausen am heimeligen Abend.

Globalisiertes Fest

Oder was sie angestellt haben mit dem Exportgut Weihnachten aus dem hohen Norden, denn Weihnachten wird längst auch in Ländern ohne christliche Tradition gefeiert. Die Globalisierung zeigt auch hier ihre Folgen, obgleich es eher nicht die weihnachtlichen Bräuche aus dem verschneiten Europa sind, die den Siegeszug um die Welt angetreten haben, sondern die wirksamen Werbesprüche und Marketingkampagnen amerikanischer Konzerne, die mit dem Weihnachts-Geklingel ihre Süßbrause und ihre Hähnchen an die Leute gebracht haben.

Und mit Süßbrause und Hähnchen auch all den glitzernden Klamauk um einen Santa Claus im roten Kostüm, der mit Rentieren und Säcken voller Geschenke um die Erde düst und dabei eine Fahne aus lauter Ohrwürmern hinter sich her zieht. Von „Last Chrismas“ bis „Jingle Bells“. Wobei nun wirklich die Frage ist, ob das schönere Lieder sind als „Stille Nacht, heilige Nacht“.

Und mit den üblichen Weihnachtsfilmen geht es weiter. Katharina Kleinschmidt meint, es seien „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ und „Der kleine Lord“, die bei den hiesigen Weihnachtsvergnügen jedes Jahr über die Bildschirme flimmern. Ist das wirklich so? Stehen sie nicht längst in echter Konkurrenz zur „Weihnachtsgeschichte“ (in der Muppets-Version) oder zum „Grinch“?

Da ist es wahrscheinlich wie mit allen Zutaten zum Weihnachtsfest: Die Palette ist längst viel breiter und internationaler, als es die üblichen Weihnachtsbücher behaupten. Man lernt voneinander. Und das Verhältnis zu diesem Fest verändert sich auch mit dem Wetter und dem Klima.

Denn wenn bei uns die Glöckchen süß erklingen, ist auf der Südhalbkugel Sommer und die Menschen feiern im Bikini und schmücken Palmen und Zypressen oder sie erfreuen sich am rot blühenden Pohutukawa-Baum wie in Neuseeland. Der tatsächlich zur Weihnachtszeit blüht, wenn die weihnachtliche Strandparty steigt – mit Truthahn und Plumpudding, wie sie aus dem Mutterland England importiert wurden.

Es muss von Herzen kommen

Gäbe es – wie zu Silvester – eine Live-Schalte rund um die Erde, würden die Feiernden alle staunen, wie anders das Fest anderswo gefeiert wird. Auch wenn es im Kern um dasselbe geht: den oft einzigen Moment im Jahr, in dem die ganze Familie zusammenkommt und bei Tafeln, die sich unter der Last der Speisen biegen, wieder vergewissern, dass es zu Hause doch am schönsten ist.

Wo Weihnachten dann am verlockendsten ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Vielleicht in Schweden? Oder doch lieber in Griechenland? Oder dort, wo erst zwei Wochen später beschert wird, weil die Leute dort nach einem anderen Kalender feiern?

Wobei man bei dieser kleinen Weltreise lernt, dass es auf die Geschenke nicht wirklich ankommt. Jedenfalls nicht auf ihre Größe und Menge. Es kommt ganz allein darauf an, dass sie von Herzen kommen und die Beschenkten sich wirklich gemeint fühlen. Selbst dann, wenn es – wie in Indien – eine Zitrone gibt. Es gibt erstaunlich viele Zeichen der Wertschätzung. Und darum geht es ja bei diesem Fest letztlich. In einem Land ist es eine Zitrone, im anderen – Irland in diesem Fall – sind es Mince Pies.

Und wer dann auch noch in ein richtiges Märchenland reisen will zu Weihnachten, für den gibt es noch einen Ausflug nach Hogwarts als Dreingabe. Mit Truthahn und Butterbier. Für Leute, die es wirklich ausgefallen haben möchten und sich Heiligabend einfach nicht mehr nach Hause trauen.

Katharina Kleinschmidt „Noch mehr Weihnachtsbräuche & Rezepte“, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2023, 6 Euro.

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