Vom 2. bis 17. Dezember 2016 tagt in Cancún, Mexiko, die UNO-Biodiversitätskonferenz der Convention on Biological Diversity (Biodiversitäts-Konvention, CBD). Für den Leipziger Biologen Dr. Marten Winter ein Grund, seiner Sorge Ausdruck zu geben. Denn wir verlieren gerade den Artenreichtum unserer Welt. Die Ökosysteme verarmen, gleichen sich immer mehr an. Winter spricht von einer „McDonaldisierung“ der Welt.

Ein Schwerpunkt-Thema in Cancún sind gebietsfremde, invasive Arten. Der Biologe Dr. Marten Winter, der am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig sowie an der Universität Leipzig forscht, gibt eine Einschätzung der Problematik und erklärt, warum sich die Ökosysteme global angleichen.

Dr. Marten Winter

„Wir verlieren biologische Vielfalt gleich dreifach: Erstens gehen die Bestände vieler Arten, also die schiere Anzahl an Individuen, immer weiter zurück. Zweitens sterben dadurch viele seltene Arten unwiederbringlich aus. Und drittens verlieren Lebensgemeinschaften ihre Einzigartigkeit und werden einander immer ähnlicher, oft bezeichnet als „McDonaldisierung“.

Wir leben in einer Zeit, in der die Bestände vieler Arten massiv zurückgehen. Laut kürzlich veröffentlichtem „Living Planet Report“ ist die Zahl unserer Wirbeltiere (Individuen) seit 1970 um über die Hälfte zurückgegangen. Der Rückgang der Bestände führt in vielen Fällen dazu, dass Arten lokal ganz verschwinden. Aktuelle Daten zeigen, dass allein in 30 europäischen Ländern schon insgesamt über 1060 Pflanzen lokal ausgestorben sind. Das ist viel, wenn man bedenkt, dass Europa ohnehin ein artenarmer Kontinent ist. Die Tier- und Pflanzenarten, die wir verlieren, sind oft so genannte Spezialisten, die an besondere Lebensbedingungen angepasst sind. Mit Veränderungen in ihren Ökosystemen – z.B. durch Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft – kommen sie nicht gut zurecht.

Doch obwohl zahlreiche Spezialisten aussterben, wird die Gesamtzahl der Arten in vielen Ökosystemen nicht geringer. Grund dafür ist die Ausbreitung und Verschleppung gebietsfremder Arten. Dies sind dann oft Generalisten, die mit unterschiedlichen Lebensbedingungen besonders gut zurechtkommen.

Für Pflanzen konnten wir zeigen, dass bereits vier Prozent aller Arten auf dieser Erde, also über 13.000 Arten, außerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes vorkommen – das entspricht der Anzahl aller einheimischen Pflanzenarten in Europa. Für Vögel sind es sogar fast 10 Prozent. Ein kleiner Teil dieser Arten bereitet in seinen neuen Heimaten große Probleme, bei uns zum Beispiel die nordamerikanische Ambrosia, oder der asiatische Laubholzbockkäfer. Aber auch wir Europäer exportieren problematische Arten in fremde Länder. Der europäische Regenwurm zum Beispiel stört das ökologische Gleichgewicht in den Laubwäldern Kanadas. Gebietsfremde Arten wie der Regenwurm in Nordamerika können mitunter auch einheimische Arten zurückdrängen und im Einzelfall ganz auslöschen.

Das Aussterben der einheimischen Spezialisten und die gleichzeitige Einwanderung gebietsfremder Generalisten führen dazu, dass sich die Lebensgemeinschaften in den Ökosystemen weltweit einander angleichen.

Wir stehen moralisch und politisch in der Pflicht, den Verlust an Biodiversität zu stoppen. Alle Länder müssen jetzt auf sämtlichen wissenschaftlichen und politischen Ebenen zusammenarbeiten, um gefährdete Arten und ihre Lebensräume endlich effektiv zu schützen. Und wir müssen die Ausbreitung gebietsfremder Arten durch Handel und Transport konsequent eindämmen. Viele der sogenannten „Aichi-Ziele“ der UNO-Biodiversitäts-Konvention werden wir bis 2020 sonst nicht erreichen. Es gibt also noch viel zu tun. Mit unserer Forschung tragen wir bei iDiv unseren Teil dazu bei und schaffen die Grundlage für effektive Maßnahmen zum Erhalt unserer Biodiversität.“

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