Das Pflanzengift der Gegenwart, das heftige politische Reaktionen auslöst, ist Glyphosat. Aber es ist nicht das erste Gift in der landwirtschaftlichen Nutzung, das heftige Proteste und dann ein Verbot nach sich zog, weil die verheerenden Folgen für die Umwelt einfach nicht mehr zu vertuschen waren. Vor 40 Jahren hieß das verbotsreife Gift Lindan. Und es belastet unsere Umwelt noch heute.

Lindan wurde in Deutschland lange Zeit als Insektizid eingesetzt. Im Jahr 2003 wurde der Einsatz von Lindan in der Landwirtschaft aufgrund seiner stark toxischen Wirkung und seiner hohen Langlebigkeit EU-weit verboten. Böden und Grundwasser sind jedoch teilweise noch immer stark damit belastet, erinnert das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) daran, dass selbst das Entfernen der Gifte aus unserer Umwelt eine Arbeit für Generationen ist.

Für ein effizientes Umweltmanagement aber ist es wichtig zu wissen, ob und wie schnell der Schadstoffabbau voranschreitet.

Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben deshalb eine Methode erarbeitet, mit der sich der biologische Abbau von Lindan quantifizieren lässt und die zeitliche Abschätzungen zum Fortschritt des Schadstoffabbaus ermöglicht. Die Studie wurde in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Environmental Science and Technology“ veröffentlicht.

Lindan gehört zu den sogenannten HCHs (Hexachlorzyklohexanen). Sie sind schwer abbaubar, reichern sich in der Nahrungskette an und gelten als hormonell wirksam. Die Anwendung von Lindan in der Landwirtschaft ist in der Bundesrepublik Deutschland seit 1977 verboten, in der DDR kam es bis 1990 zum Einsatz.

Die Messmethode

Das UFZ-Team um den Biogeochemiker Dr. Hans-Hermann Richnow hat auf der Basis von Grundwasser- und Bodenproben an ehemaligen Produktions- und Deponiestandorten in der Region Bitterfeld/Sachsen-Anhalt ein neuartiges Konzept entwickelt, mit dem sich der biologische Abbau von HCHs in der Umwelt überwachen lässt.

Der innovative Ansatz der UFZ-Forscher ist, dass sie mit der Isotopen- und der Enantiomeren-Fraktionierung zwei Detektions-Methoden miteinander kombinierten. In Laborversuchen entwickelten sie ein Modell, mit dessen Hilfe das Ausmaß des Schadstoffabbaus aus Umweltproben messbar ist.

„Damit ist es nun möglich, den biologischen Abbau von Lindan und anderen HCHs in Böden und Grundwasser mit geringem Aufwand und elegant zu analysieren“, sagt Richnow. Mit der Methode könne der biologische Abbau beim Transport im Wasser oder mit Bodenpartikeln ermittelt werden. Künftig würden damit Berechnungen möglich, wie lange die HCHs die Umwelt noch belasten.

Bislang war es so, dass Forscher bei der Isotopenfraktionierung das Verhältnis zwischen leichten (12C) und schweren (13C) Kohlenstoffatomen der in den Proben enthaltenen Lindan-Moleküle analysieren. Normalerweise liegt das Verhältnis zwischen 12C und 13C bei 99:1.

„Findet ein chemischer oder biologischer Abbau statt, werden zunächst die Schadstoffmoleküle mit leichten Kohlenstoffatomen abgebaut, da hier die Bindungsspaltung mit einem geringeren energetischen Aufwand verbunden ist“, erklärt Richnow. Verschiebe sich das Isotopenverhältnis zum schweren Kohlenstoff 13C, sei das ein klares Indiz dafür, dass Abbauprozesse stattfinden. Bei der Herstellung eines chemischen Stoffes entstehen sogenannte Spiegelbild-Moleküle (Enantiomere) – so wie linke und rechte Hand – jeweils zu gleichen Teilen. Dies dient als Grundlage der Enantiomeren-Fraktionierung. Auch hier untersuchen die Forscher die Proben danach, ob sich an dem Verhältnis etwas geändert hat.

„Je nachdem mit welchen Enzymen schadstoffabbauende Bakterien ausgestattet sind, bevorzugen sie entweder das eine oder das andere Enantiomer“, sagt Richnow. Lasse sich in der Umweltprobe ein verändertes Enantiomeren-Verhältnis messen, gebe das einen Hinweis auf den biologischen Abbau an der Stelle der Probenahme.

Wo kann man die Messmethode einsetzen?

Zum Einsatz könnte die neue Analysemethode nicht nur in Bitterfeld kommen. Dort wurde das Insektizid für den DDR-Bedarf hergestellt. Aber die Belastungen sind nicht nur punktuell, sondern in großen Teilen der Mulde- und Elbeauen im Raum Bitterfeld/Dessau nachweisbar. Und zwar stark nachweisbar. Aber auch an westlichen Produktions- und Einsatzstandorten von Lindan belasten die Rückstände heute noch Böden und mittlerweile auch Grundwasserkörper.

Weltweit stellt die Umweltbelastung durch Lindan und andere HCHs ein Problem dar.

Richnow: „Wir hoffen, dass wir damit ein Monitoring-Instrument liefern, mit dem die aktuelle HCH-Belastung von Böden, Grundwasser und Gewässern besser eingeschätzt und bewertet werden kann“. Damit lasse sich die Entwicklung geeigneter Methoden für ein effizientes Umweltmanagement vorantreiben.

Die Arbeiten wurden vom Ökologischen Großprojekt Bitterfeld-Wolfen, der Landesanstalt für Altlastenfreistellung Sachsen-Anhalt sowie dem Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH mit Daten und Hilfe bei der Probenahme unterstützt.

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Da kann man ja wirklich froh sein, dass Zeitmaschinen nur Phantasiensind. Die Besucher aus der Zukunft dürften nicht gut auf uns zu sprechen sein, vor denen möchte ich mich nicht verantworten müssen.

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