Seit geraumer Zeit beschäftigt sich das in Leipzig heimische Leibniz-Institut für Länderkunde mit der Frage: Wie rettet man die abgehängten Regionen Europas? Was muss man tun, damit die Menschen dort bleiben und nicht ganze Landstriche in politischen Radikalismus abdriften? Eine zentrale Frage ist die Wirtschaft. Denn nur wo Betriebe Arbeit und Einkommen bieten, haben Menschen eine Existenzgrundlage.

Wenn die wirtschaftlichen Strukturen in den Regionen wegbrechen, dann ziehen nicht nur die jungen Menschen fort – dann brechen die Geburtenraten ein, werden Infrastrukturen zu teuer, wird rückgebaut. Es passiert genau das, was derzeit überall in Europa die Wahlen beeinflusst und Populisten nach oben spült. Denn was da passiert, wird selten bis nie von der offiziellen Politik thematisiert.

Viel zu tief sitzt das Denken in Wettbewerbskategorien. Länder konkurrieren mit Ländern, Regionen mit Regionen, Städte mit Städten. Und die Unternehmen siedeln sich da an, wo sowieso schon die Post abgeht.

In den Metropolen.

Aber nicht alle, stellt man am Leibniz-Institut für Länderkunde fest. Denn wenn man genauer hinschaut, findet man auch abseits der Metropolen in Deutschland namhafte und international erfolgreich operierende Unternehmen. Man nennt sie dann gern „hidden champions“ – verborgene Gewinner.

Aber: Welchen Beitrag leisten mittelständische Unternehmen in peripher gelegenen Kleinstädten für eine ausgewogene Entwicklung aller Teilräume? Dieser Frage gehen Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Länderkunde im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit in einer Studie auf den Grund.

Ihr Ansatz: Kleinstädten kommt in Deutschland eine Schlüsselrolle für die gleichwertige Raumentwicklung zu. Voraussetzung dafür sind nach Auffassung von Experten integrierte Konzepte und Beteiligungsformate, die Politik, Gesellschaft und besonders auch die Wirtschaft mit einbeziehen. Welche Impulse für Kleinstädte und ihre Stadtentwicklung von sogenannten Hidden Champions – mittelständische Unternehmen, die in Nischen-Marktsegmenten besonders erfolgreich sind – ausgehen können, untersuchen Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Länderkunde (IfL) derzeit in einer Studie.

Jeder fünfte der rund 1.700 heimlichen Weltmarktführer in Deutschland ist demnach außerhalb der Verdichtungsräume beheimatet, viele von ihnen in peripher gelegenen Kleinstädten. Dort bieten sie qualifizierte Arbeitsplätze und sorgen mit ihren Gewerbesteuern für Spielräume in den kommunalen Finanzen. Was der Hauptgrund dafür ist, dass seit 1990 ein regelrechter Unterbietungswettbewerb der Kommunen um solche Unternehmensansiedlungen ausbrach – man stellte aus dem Acker gestampfte Gewerbegebiete zur Verfügung, lockte mit niedriger Besteuerung und oft auch Subventionen.

Aber haben die Unternehmer auch verinnerlicht, welche wichtige Rolle ihr Engagement in der Region spielt?

Das wollen die Leibniz-Forscher jetzt erkunden. Man fragt ja diese Unternehmer viel zu wenig. Inwieweit die marktführenden Unternehmen sich der Bedeutung ihres lokalen und regionalen Umfeldes bewusst sind und aktiv für dessen Aufwertung einsetzen, ist eine der Fragen, die die Wissenschaftler in den kommenden anderthalb Jahren beantworten wollen.

Anhand von Interviews wollen sie zudem herausfinden, aus welchen Motiven die Firmen freiwillige Beiträge für das Gemeinwohl und die Stadtentwicklung leisten und welche positiven Effekte damit verbunden sind. Die Studie nimmt dabei auch die möglichen Risiken einer politischen Einflussnahme durch privatwirtschaftliche Unternehmen in den Blick.

Erste Ergebnisse wird das Forscherteam um Projektleiter Dr. Thilo Lang am Mittwoch, 24. Januar, auf einem Workshop in Leipzig vorstellen. Unter der Überschrift „Hidden Champions als Impulsgeber für die Kleinstadtentwicklung?“ kommen Wissenschaftler, kommunale Vertreter und Unternehmer am IfL zusammen, um die Bedeutung innovativer Unternehmen für die Stadt- und Regionalentwicklung abseits der Metropolen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten.

Die Studie „Hidden Champions – Stabilisierungs- und Entwicklungsfaktoren von Kleinstädten in peripheren Lagen“ wird im Rahmen des Forschungsprogramms „Allgemeine Ressortforschung“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) durchgeführt und ist vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) beauftragt.

Sie knüpft an Forschungen des IfL zu alternativen Perspektiven der Regionalentwicklung in strukturschwachen Regionen sowie zu mittelständischen Weltmarktführern an. Eine weitere Grundlage bilden die Forschungen des BBSR zu den Potenzialen von Kleinstädten in peripheren Lagen sowie zur Situation und Zukunft der Kleinstädte in zentralen Lagen.

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