Die Leopoldina hat schon im November reagiert und das von der Bundesregierung angekündigte Klimapaket für völlig unzureichend erklärt. Das Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig hat sich das Thema für sein neues Magazin „Umweltperspektiven“ aufgehoben. Aber das Urteil des Leipziger Umweltökonomen Prof. Erik Gawel zur Sinnhaftigkeit des Klimapakets fällt vernichtend aus.

Auch er hat von der reinen Symbolpolitik der Bundesregierung eigentlich die Nase voll: Vier solcher „Pakete“ hat die Bundesregierung schon geschnürt. Und während das erste von 2000 noch wirkte, waren die von 2007, 2014 und 2016 reine Placebo-Politik.

„Jedenfalls dürfte klar sein: Pakete-Schnüren allein genügt nicht! Es muss das Richtige drinstehen“, schreibt Gawel in seinem „Standpunkt“: „Die wichtigste Botschaft, die jenseits der Einzelmaßnahmen vom aktuellen Klimapaket hätte ausgehen müssen, wäre ein klares Bekenntnis zu zwingender Emissionsminderung, durch Zahlen belegt, und zu einer spürbaren Richtungsänderung unserer Lebens- und Wirtschaftsweise gewesen. Beides wird nicht erreicht. Im Gegenteil.

Die Fülle an eher punktuellen Fördermaßnahmen (ganz in der Tradition der bisherigen Pakete), die selbst mittelfristig eher symbolischen CO2-Preise und das Festhalten, ja die Ausweitung umwelt- und klimaschädlicher Subventionen (derzeit über 50 Milliarden Euro, darunter die Pendlerpauschale) sprechen eine andere Sprache. Zu Recht werden die gesellschaftlichen Akteure das Klimapaket als Signal des ,im Wesentlichen doch weiter so‘ empfinden. In Einzelfällen wird Pendeln jetzt sogar noch günstiger.“

Dass das Klimakabinett, wie es sich großspurig nannte, nicht den Mut hatte, die Kraftstoffpreise zu erhöhen und einen wirklich wirksamen CO2-Preis aufzulegen, wertet er ebenso als Versagen wie die Steuerpolitik, die ausgerechnet die energieverschwendenden Unternehmen belohnt.

Das ganze Paket ist tatsächlich so angelegt, dass es gerade die, die auf Kosten der Umwelt leben und wirtschaften, nicht mit den wahren Kosten konfrontiert und damit auch nicht über den Preis zwingt, ihr schädliches Verhalten zu ändern.

„Den klimaverträglichen Umbau einer kompletten Volkswirtschaft im Wesentlichen über das Gemeinlastprinzip öffentlicher Haushalte zu finanzieren, ist nicht möglich. Gegen eine fortbestehende massive Wettbewerbsverzerrung zugunsten fossiler Strukturen – durch fehlende Einpreisung von Klimaschäden sowie durch Subventionen – wird die öffentliche Hand erfolglos ,anzufördern‘ versuchen. Güterpreise, die die ökonomische und ökologische Wahrheit sprechen, sind deshalb ein unerlässlicher Baustein einer erfolgreichen und – ganz nebenbei – auch einer gerechten Klimapolitik.

CO2-Preise stellen erst jene fairen Wettbewerbsverhältnisse her, unter denen grüne Technologien eine angemessene Chance haben werden. Und zwar deshalb, weil sie mit Blick auf die Klimafolgen tatsächlich günstiger sind, als uns die Marktpreise derzeit verraten. Hier muss weitaus mehr geschehen, und zwar rasch“, schreibt Gawel, der natürlich auch erwähnt, was den Verfechtern der fossilen Wirtschaft nicht klar werden will: Für die angerichteten Schäden zahlen wir trotzdem. Wenn nicht jetzt mit klugem Umsteuern, dann später, wenn die Klimaschäden unser Land verwüsten. Aber dann wird es viel teurer.

Die demonstrierenden Schüler haben das begriffen, stellt Gawel fest: „Der gesellschaftliche Druck – an der Wahlurne ebenso wie außerparlamentarisch (Fridays for Future) – wird daher weiter hoch gehalten werden müssen. Nur so erhalten politische Entscheider die notwendigen Signale ,in ihrer Sprache‘, das Erforderliche für den Klimaschutz noch zu tun.“

Er spricht sogar von einem „kraftvollen Umsteuern“, das notwendig wäre. Aber da hätten sich die Bundesbürger wohl eine kraftvolle Regierung wählen sollen und nicht schon wieder ein Kabinett, in dem die Verhinderer auf allen wichtigen Posten sitzen.

Gawels Fazit: „Denn den Kosten des Klimawandels können wir volkswirtschaftlich nicht (mehr) ausweichen. Sie erreichen uns entweder als Klimaschäden einer Heißzeit oder aber als kluge Vorsorge in eine klimaverträgliche Zukunft. Diese Wahl sollte uns leichterfallen, als es derzeit politisch den Anschein hat.“

Ohne eine ehrliche CO2-Bepreisung wird die Energiewende nicht funktionieren

Ohne eine ehrliche CO2-Bepreisung wird die Energiewende nicht funktionieren

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