Binnen weniger Wochen bekam sie das, was Kultusminister Wöller nie bekommen sollte: deutlich mehr Lehrer. Am Dienstag, 24. April,einigten sich Kultusministerin Kurth und Finanzminister Unland darauf, das Bildungspaket aus dem Dezember um 255 Neulehrer aufzustocken und 356 Lehrer aus der Verwaltung und den Ganztagesangeboten in die Schule zurückzuholen. Der sächsische Lehrerverband ist trotzdem unzufrieden, der Landesschülerrat nannte das Paket ein Päckchen.

Das im Dezember vom sächsischen Landtag verabschiedete Bildungspaket zur Beseitigung des Lehrermangels wird aufgestockt. Kultusministerin Brunhild Kurth und Finanzminister Georg Unland verkündeten am Dienstag, dass statt der geplanten 400 Lehrer insgesamt 655 neue Lehrer für das Schuljahr 2012/2013 eingestellt werden. Vorangegangen war eine Abrechnung mit Kurth-Vorgänger Wöller, ohne diesen namentlich zu erwähnen. Kurth und Unland haben in den vergangen vier Wochen eine angeblich genauere Untersuchung des Lehrerbedarfs als sie bisher stattgefunden hat, durchführen lassen.

“Mein Kollege Finanzminister Unland und ich sind uns einig, dass aufgrund der neuen Faktenlage für das neue Schuljahr mehr Lehrer als bisher geplant eingestellt werden müssen”, so die Kultusministerin am Dienstag, die auch gleich die Einsatzgebiete der neuen Pauker umriss. “Wir brauchen diese Lehrerinnen und Lehrer hauptsächlich an Grund- und Förderschüler. Deshalb wollen wir schnell handeln, denn diese sind auch in anderen Bundesländern gefragt. Unser Wort gilt: Der Lehrerberuf hat Zukunft in Sachsen.”

Das war nicht immer so und genau deshalb muss das Ministerium ganz schön rudern, um diese 655 Neulehrer auch für die bedürftigen Schularten zusammen zu bekommen. In der Pressemitteilung kündigte das Kultusministerium an, auch bei Lehramtsstudenten, die in den Gymnasialdienst gehen wollen, für Grund- und Förderschulen zu werben. Eine Praxis, die allerdings nicht neu ist. Schon für dieses Schuljahr wurde von einzelnen Bildungsagenturen versucht, Referendare auf andere Schularten umzulenken.
Allerdings werden 655 neue Lehrer nicht ausreichen, um den Verlust von 918 Vollzeitlehrern, die am Schuljahresende ausscheiden, zu begegnen. 828 von ihnen gehen entweder in Rente, in den Ruhestand oder in verstärkte Teilzeit, 90 Lehrer aus Grund- und Förderschulen haben zudem kurzfristig um eine Anstellung in Teilzeit gebeten. Die Landesregierung will deshalb zusätzlich zu den 655 Neulehrern noch 290 Lehrer aus dem Ganztagsangeboten zurückziehen und genauso in den Schulbereich wieder eingliedern wie 66 Lehrer aus der Verwaltung. Macht insgesamt 1.011 Lehrer, die ab dem Schuljahr 2012/2013 neu bzw. wieder in den Schuldienst eingreifen werden.

Um die Lücken im Ganztagsangebot zu schließen, sollen Schulen vermehrt auf Honorarkräfte zurückgreifen können. Und zu guter Letzt will Unland eine Million Euro bereitstellen, mit denen Schulen auf unvorhergesehenen Unterrichtsausfall mit der Anstellung von Honorarkräften flexibel reagieren können.

Insgesamt kostet die Aufstockung 23,5 Millionen extra, für das Grundpaket waren im Dezember bereits ungefähr 200 Millionen Euro veranschlagt worden.

Doch mit der Erweiterung kommen einige Fragen: Warum ging unter Wöller kein Weg in die Erhöhung der Lehrerstellen rein? Ist es am Ende nicht nur Flickschusterei und: Ist es glücklich, Lehrer aus der Verwaltung zurück an die Schulen zu holen? Immerhin wird es schon seine individuelle Gründe haben, warum diese in der Verwaltung arbeiten und vor allem ist es verwunderlich, dass so einfach 66 Lehrer ihre Verwaltungsaufgaben liegen lassen können.

Der sächsische Lehrerverband begrüßte die Erweiterung “grundsätzlich”. Der Landesvorsitzende Jens Weichelt vermisste allerdings eine langfristige Bedarfsabsicherung, die “weiterhin dringend notwendig ist.” Denn “Trotz höherer Einstellungszahlen wird keine Demografievorsorge erreicht.” Zudem sieht der Verband die geplante Verschiebung der Lehrer von den Ganztagesangeboten in die Schulen kritisch. “Für einen Ersatz der GTA-Angebote durch Honorarverträge müssten zusätzliche Mittel bereit gestellt werden, ansonsten sind diese nicht aufrecht zu erhalten. 2011 wurden wegen des Einsatzes von stellenrelevanten Lehrerstunden die Mittel für GTA um 10 Mio. Euro gekürzt.”

Auch der Landesschülerrat Sachsen, der durch einen umfangreichen, sachsenweiten Protest am 28. März auf die Problematik hingewiesen hat, begrüßt die Neueinstellungen. “Wir sehen die Veränderungen im Bildungspaket als einen Schritt in die richtige Richtung, aber um Sachsens erstklassiges Bildungssystem aufrecht zu erhalten muss mehr dafür getan werden”, heißt es in einer Erklärung. Konkret bemängelten die Schüler: “Wenn man beispielsweise die Zahlen der neueingestellten und in den Ruhestand gehenden Lehrer vergleicht, so stehen nächstes Schuljahr trotzdem kaum neue Lehrkräfte zur Verfügung. Dadurch wird es vermutlich zu weiteren Kürzungen in der Verwaltung und im Bereich der Ganztagsangebote kommen. Eine solche Verschiebung von Lehrer von A nach B sehen wir als nicht zweckmäßig an.” Die Schüler hoffen, “dass dieses Bildungspäckchen, welches als Zwischenlösung angekündigt wurde, noch zu einem Paket ausgeweitet wird” und fordern daher genauso wie der Lehrerverband die “Ausarbeitung eines – auch langfristig wirksamen – Planes zur Behebung des Lehrermangels”.

Den wichtigsten Bestandteil dieses Planes haben beide auch schon ausgemacht: die Attraktivität des Berufs muss in Sachsen steigen. “Ohne eine Erhöhung der Attraktivität des Lehrerberufs werden wir künftig Haushaltstellen, aber keine Lehrer haben. Bereits mit dem nächsten Doppelhaushalt muss deshalb eine bessere Eingruppierung der sächsischen Lehrer erfolgen”, forderte Weichelt.

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