Schulausfall war das große Thema in der sächsischen Bildungspolitik im Schuljahr 2011/2012. Bis zuletzt versuchte die Landesregierung das Thema Lehrermangel auszusitzen und das Problem des Stundenausfalls kleinzureden und kleinzurechnen. 2 Prozent, 3 Prozent, 5 Prozent - das hörte sich auch nach dem Abgang von Kultusminister Roland Wöller noch beherrschbar an. Aber zum Schuljahresende hat der Landessschülerrat selber gezählt.

Oder zählen lassen. 100 Fragebögen hat er dafür verteilt und in 87 Fällen akribisch erhoben, wieviel Unterricht in den Schulen tatsächlich ausfiel. Am Mittwoch, 12. September, hat er die Ergebnisse vorgestellt. Und sie zeigen, dass sich der Freistaat selbst mit dem Zugeständnis von 5 Prozent Ausfall in die eigene Tasche lügt.

Der Vorsitzende Konrad Degen kritisierte bei der Gelegenheit die Kultusministerin für ihre Aussage, dass das Schuljahr ausreichend abgesichert sei: “Viele Schülerinnen und Schüler in Sachsen sind vergangene Woche in die Schule gekommen und haben Verunsicherung anstatt Absicherung gespürt. Es gab Unterrichtsausfall schon an den ersten Tagen, die Stundenpläne waren meist schon am ersten Tag hinfällig, von Kurs- und Klassenzusammenlegungen erfuhren Schüler am ersten Schultag und gelegentlich stand kein Klassenlehrer vor den Schülern. Das Schuljahr muss von der ersten bis zur letzten Unterrichtswoche abgesichert sein und schon am Anfang des Schuljahres gab es in Sachsen Probleme. Wir hoffen, dass die Kultusministerin schnell auf diese Probleme reagiert.”

Über 30.000 Wochenstunden wertete der LandesSchülerRat Sachsen aus und gewann viele Erkenntnisse. “Die Statistik zeigt große Unterschiede zur Darstellung des Kultusministeriums. Dass es mehr Ausfall- und Vertretungsstunden im Vergleich zum Kultusministerium gibt, haben wir erwartet. Dass allerdings viel mehr Stunden fachfremd anstatt fachgerecht vertreten werden und dass auch in Prüfungsklassen der Unterrichtsausfall dramatisch ist, finden wir schockierend. Wir fordern das Kultusministerium auf, eine ausreichende Vertretungsreserve zu schaffen und endlich transparente Zählweisen und realitätsnahe Statistiken vorzulegen!”, so Konrad Degen.”Wir freuen uns, dass das Kultusministerium probiert, für kurzfristige Vertretungen genug Geldmittel bereitzustellen. Allerdings ist die angedachte Form, ‘Geld statt Stellen’, für uns nicht akzeptabel. Pädagogisch unqualifiziertes Personal darf nicht an Sachsens Schulen unterrichten und schon gar nicht ohne zeitliche Beschränkung. Geld allein schafft keine Qualität in der Schule”, kritisiert Degen den vorgelegten Haushaltsentwurf für die Jahre 2013 und 2014. “Der vorgelegte Haushaltsentwurf gibt wieder nur die Richtung für die kommenden zwei Jahre vor. Ein Bildungssystem plant man aber nicht von Jahr zu Jahr sondern für mindestens fünf bis zehn Jahre. Das Kultusministerium muss endlich offenlegen, wie die Zukunft der sächsischen Schulen aussieht.”

Und entsprechend deutlich war denn auch die Kritik der Opposition im Landtag, die das Problem schon seit mehreren Jahren benennt.

“Die Statistik des Landesschülerrates zeigt deutlich, dass die offizielle Unterrichtsausfallstatistik nach wie vor geschönt ist. Nicht nur 3 bis 5 %, sondern deutlich über 10% der Stunden fallen landesweit aus oder werden fachfremd vertreten”, stellt Holger Mann, Leipziger Abgeordneter und Sprecher für Hochschule und Wissenschaft der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, fest. “Von einer ‘ausreichenden Unterrichtsabsicherung’, wie Kultusministerin Kurth verkündet, kann nicht die Rede sein. Von den in Leipzig erhobenen 2.773 Unterrichtsstunden fallen mehr als 8 Prozent aus und werden weitere 5 % nicht von Fachlehrern vertreten.”

Insgesamt konstatiert der Landesschülerrat, dass in Leipzig fast jede 6. Stunde nicht regulär stattfindet.

“Besonders bedenklich sind die hohen Ausfallquoten in den Klassenstufen 10 und 11”, meint Holger Mann. “Die erhobenen Daten zeigen deutlich das ganze Ausmaß des Lehrermangels in Leipzig und Sachsen. Die schwarz-gelbe Staatsregierung muss endlich reagieren und mindestens so viele Lehrer einstellen, wie in Rente gehen. Die SPD-Landtagsfraktion hat bereits vor über einem Jahr die Schritte zur Lösung des Lehrermangels vorgestellt. Wann wird schwarz-gelb endlich handeln?”
Für die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Cornelia Falken, ist das Ganze nur noch ein einziges Chaos. “Auf der heutigen Pressekonferenz widersprach der Landesschülerrat der Kultusministerin, die der Öffentlichkeit versichert hatte, dass der Unterricht im Schuljahr 2012/ 2013 gesichert sei. Nach Angaben des Landesschülerrates dauert der hohe Unterrichtsausfall an”, stellt sie fest. “Das Chaos aus dem vergangenen Schuljahr setzt sich im neuen fort. Viele Schülerinnen und Schüler starten in das neue Schuljahr mit Ausfallstunden, mit überraschenden Zusammenlegungen von Klassen und Kursen und mit Stundenplänen, die am ersten Schultag schon überholt waren. Selbst Klassenlehrer fehlten zu Beginn des Unterrichts an den sächsischen Schulen. Der Landesschülerrat fordert die Kultusminister auf, rasch auf die Probleme zu reagieren, und kritisierte das ‘Programm Unterrichtsgarantie’ als unzureichend.”

Und während Kultusministerin Brunhild Kurth jüngst den Stand der sächsischen Bildungspolitik freundlich mit Note 4 (“ausreichend”) beschrieb, verpasste der Landesschülerrat der sächsischen Regierung – wie Dr. Eva-Maria Stange, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, es sieht, zwei Mal ein “Ungenügend” (Note 6). Die Ursache des stetig steigenden Unterrichtsausfalls ist ja nicht beseitigt – es ist der Mangel an Lehrkräften.

“Respekt vor der Leistung des Landesschülerrates: Sie haben der schwarzgelben Staatsregierung ein Armutszeugnis mit zweimal ?ungenügend? ausgestellt”, sagt Stange nach der Pressekonferenz des Schülerrates. “Zum einen für die bewusst falsche Darstellung des Unterrichtsausfalls in Sachsens Schulen und zum anderen für die schlechte Unterrichtsversorgung mit ausreichenden Lehrkräften. Wenn Schüler den hohen Ausfall an Unterricht kritisieren und sich sogar die Mühe machen, ihn genau zu erfassen, dann ist die Situation an den Schulen wirklich besorgniserregend.”

Jede 6. Stunde wird nicht regulär gehalten. “Erschreckend ist die hohe Zahl der Ausfälle in Klassenstufe 10 und 11, sind sie doch für den Schulabschluss von besonderer Bedeutung”, benennt Stange ein Problem, das nun mit weiteren Belastungen auf die sächsische Wirtschaft zurollt, die den Nachwuchs so dringend braucht. “Die erhobenen Zahlen können die Situation im gesamten Land nur eingeschränkt widerspiegeln. Aber das ist auch nicht Aufgabe der Betroffenen, sondern des Ministeriums. Die offizielle Unterrichtsausfallstatistik ist nach wie geschönt und spiegelt nur einen Teil der Wirklichkeit wieder. Ursache für den stetig steigenden Ausfall von Unterricht ist der Mangel an Lehrkräften und vor allem an Reserven, um krankheitsbedingten Ausfall auffangen zu können.”

Der Staatsregierung sollte es zu denken geben, wenn Schüler massenhaften Unterrichtsausfall anprangern, so Stange. “Leider hat das neue Schuljahr nicht besser begonnen als das alte geendet hat. Ganz im Gegenteil: Das neue Schuljahr wird diese Situation weiter verschärfen, denn die Schülerzahlen steigen und die Lehrerstellen sinken.”

www.lsr-sachsen.de

http://lsr-sachsen.de/2012/09/unterrichtsausfallstatistik-im-freistaat-sachsen/

Die Auswertungsmappe der Stadt Leipzig als PDF zum download.

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