Am Mittwoch, 29. Januar, diskutierte der Sächsische Landtag über die aktuellen Stellenkürzungen an Sachsens Hochschulen, die mittlerweile ganze Institute gefährden. Doch die Regierungskoalition hält am Kahlschlag fest. Entsprechend deutlich kritisierte die Opposition die Kürzungsorgie und die Feigheit der zuständigen Ministerin.

“Genug gekürzt! Hochschulen aus der Autonomiefalle befreien – das Beispiel Leipzig”, hieß die kurzfristig anberaumte Debatte, an die die angekündigten Stellenstreichungen in der Theaterwissenschaft und der Archäologie in der Uni Leipzig Thema wurden.

“Der Auftritt der Staatsministerin und der regierungstragenden Koalition war ein Trauerspiel: statt klarer Ansagen versteckte man sich duckmäuserisch hinter dem – absichtlich falsch verstandenen – Titel der Debatte”, erklärt dazu mit spürbarer Wut im Bauch erklärt Michael Weichert, Leipziger Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im sächsischen Landtag. “Dabei ist die Lage so eindeutig wie verheerend: Die Hochschulen in Sachsen leisten einen enormen Beitrag zum erfolgreichen Technologie und Wissenstransfer und sind unverzichtbar für die Gewinnung gut ausgebildeten Fachkräftenachwuchses. Statt diese unschätzbaren Innovationsmotoren zu fördern, tut die Staatsregierung allerdings genau das Gegenteil. Auf der Grundlage von völlig veralteten Studierendenzahlprognosen werden zehn Jahre alte Stellenkürzungspläne ohne Rücksicht auf Verlust durchgesetzt.”

Speziell auf das Beispiel Leipzig bezogen, seien die Folgen katastrophal. Weichert: “Noch schlimmer ist, dass sich die Staatsregierung nun auch noch aus der Verantwortung stiehlt. Wie heute wieder zu hören war, versteckt man sich hinter der Entscheidungsautonomie der Hochschulen. Frei nach dem Motto ‘wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass’ werden den Hochschulen bis zu 1.042 Stellenkürzungen aufgezwungen, dann aber erstaunt registriert, wenn einzigartige Studiengänge wie die Pharmazie und die Theaterwissenschaften wegfallen. – Für uns Grüne ist die Lage klar, solange wir in der glücklichen Situation sind, so viele Studierende zu haben, sind Stellenkürzungen gänzlich unangebracht.”

Genauso deutlich wurde der Landtagsabgeordnete der SPD Holger Mann.

“Aus Sicht der SPD-Fraktion, sind nicht mehr Freiheiten für Hochschulen das Problem, sondern die Stellenkürzungen, welche diese CDU-FDP-Koalition im Dezember 2010 beschlossen hat und für die sie die Verantwortung nun – unter dem Deckmantel der Autonomie – auf die Hochschulen abschiebt. Deswegen gleich zum Kern: CDU und FDP haben den Abbau von 1.042 festen, unbefristeten Stellen bis 2020 beschlossen. Final wären das 52 Millionen Euro Haushaltskürzungen pro Jahr”, sagte er in seiner Landtagsrede. “Wir haben in den Haushaltsberatungen 2010 gegen diese Stellenkürzungen gewandt, da damals bereits absehbar war, dass die Studierendenzahlen steigen werden. Schwarz-gelb hat dies bestritten und mit Verweis auf entstehende Reserven durch den Hochschulpakt abgelehnt. Heute ist die Situation wie folgt: vier Jahre später, sind die Studierendenzahlen auf Rekordniveau und die Mittelzuweisungen des Bundes aus dem Hochschulpakt haben sich von 7 Millionen in 2010 auf nunmehr 84 Millionen mehr als verzehnfacht. Ihre Kürzungen aber setzen sie fort”, warf er der Landesregierung vor.

Auch die eigene Hochschulentwicklungsplanung der Landesregierung stelle fest, dass “?KEIN Bedarf zur Konzentration in Geist-, Sozial- & KulWi gegeben ist, eher von einer hohen Nachfrage bei bereits 120 prozentigen Auslastung (und mehr) auszugehen ist und vielmehr steht – mit Verweis auf das Ziel der Anteil von Frauen in der Wissenschaft zu steigern – in der HEP die Aussage: das für die Geist-, Sozial- & KulWi sich die konstant hohe Nachfrage (Zitat): ‘mittelfristig in der Mittelverteilung und Stellenausstattung spiegeln muss’.”

Doch die zuständige Wissenschaftsministerin steuert nicht, weist auch keine Mittel nach Bedarf zu, sondern überlässt den Hochschulen die Umsetzung einer vom Finanzminister vorgegebenen Stellenkürzung, die mit Bewerber- und Studierendenzahlen nichts mehr zu tun hat.

Kein Verständnis für diese Ignoranz im Amt zeigte in seiner Rede auch der Linke-Abgeordnete Gerhard Besier. “Die Uni Leipzig ist mit 40 % der Kürzungsvorgaben besonders hart betroffen. Wo soll sie die Einschnitte vornehmen? Die Mehrzahl der 14 Fakultäten hält etwa je 30 Stellen. Bei 24 wegfallenden Stellen pro Jahr müssten binnen drei Jahren etwa die Sprachwissenschaft, die Theologie und eine weitere Fakultät fallen. Wegen der Staatskirchenverträge kann die Theologie nicht zusammengestrichen werden; Einschnitte bei der Medizin sind ebenfalls undenkbar. Die Juristische Fakultät ist die Einzige in Sachsen mit Staatsexamensabschluss. Der Sport mit etwa 70 Stellen ist ebenfalls tabu – u. a. wegen der Olympiaerfolge. Wo also das Messer ansetzen?”, fragte er.

Er merkte gleichzeitig an, dass das sogenannte “Hochschulfreiheitsgesetz” eigentlich sogar noch mehr Stellenkürzungen erzwingen würde.

“Parallel zu der Stellenreduktion ist die Uni gehalten, das Hochschulfreiheitsgesetz mit allen Verordnungen, Vereinbarungen, Pakten und Paketen umzusetzen. Allein die dort festgeschriebenen Qualitätsanforderungen machen nach Angaben der Uni einen Aufwuchs von mindestens 50 neuen Stellen erforderlich; das heißt: die Uni müsste von sich aus weitere Stellen frei machen, um den gesetzlichen Anforderungen überhaupt Genüge leisten zu können”, sagte Besier. “Um den geforderten Rückbau bis 2020 erfüllen zu können, muss die Uni künftig ganze Fakultäten zur Streichung vorschlagen – oder das, was von ihnen noch übrig ist. Von der über 600 Jahre alten Volluniversität bliebe ein Torso. Nicht zufällig spricht Beate Schücking – als Medizinerin – von Amputationen. Viel deutlicher kann man nicht ausdrücken, dass hier eine Fehlentwicklung im Gange ist. Dabei steht der Löwenanteil der Stellenstreichungen den Hochschulen noch bevor – in nicht allzu ferner Zukunft werden wir nicht mehr über die Schließung von Studiengängen und Instituten sprechen müssen, sondern über das Ende ganzer Fakultäten – und vielleicht: von Hochschulen. Bringen Sie wenigstens den Mut auf, das klar zu sagen!”

Hinter dem Schweigen der Ministerin steckt also ein weiterer Kahlschlag in der sächsischen Hochschullandschaft. “Wenn die Staatsregierung sich auf den Standpunkt stellt, dass mehr nicht investiert werden kann, dann muss für den in diesem Falle dringend notwendigen Rückbau ein sachsenweites Konzept her”, meint Besier. Und spricht auch das Thema Drittmittel an, für das sich CDU und FDP feiern, als hätten sie eine Aktie daran. “Die sächsischen Hochschulen sind derzeit die Besten beim Einwerben von Drittmitteln – auch die Geisteswissenschaften, wenn man deren geringere Möglichkeiten berücksichtigt. Um erfolgreich Drittmittel einzuwerben, ist eine kritische Masse erforderlich. In dem Maß, in dem die Institute und Fakultäten filetiert werden und schrumpfen, wird diese kritische Masse nicht mehr erreicht. Die Drittmittel werden dann unweigerlich zurückgehen.”

Sein Fazit: “Ihre konzeptlosen Kürzungen lassen langsam den humanistischen Geist aus der sächsischen Hochschullandschaft weichen. Nach viereinhalb Jahren schwarz-gelber Regierung droht uns ein Trümmerhaufen.”

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