Da musste dann tatsächlich eine Nachtsitzung eingelegt werden. In der Nacht vom 25. zum 26. Oktober einigte sich das sächsische Regierungskabinett endlich auf das lange angekündigte und im ersten Anlauf gescheiterte Maßnahmepaket gegen den Lehrermangel in Sachsen. Kritik hagelte es zwar trotzdem. Aber mit 213 Millionen Euro ist das Paket doppelt so gut finanziert wie ursprünglich geplant.

Was zu erwarten war. Denn spürbare Effekte wird es in den Jahren 2017/2018, wenn das Paket in Kraft tritt, nur geben, wenn sich die Lehrervergütungen flächendeckend deutlich verbessern und vor allem junge Lehrkräfte besser honoriert werden. Gerade in Grundschulen soll die gegebene Stundenzahl leicht sinken, damit die LehrerInnen überhaupt mal zum Durchatmen kommen. Dadurch erhöht sich logischerweise der Bedarf an neuen Lehrern in den kommenden Jahren deutlich. Damit dieses nicht zulasten der Unterrichtsversorgung geht, werden die Lehrerstellen um insgesamt 722 Stellen für die nächsten beiden Haushaltsjahre erhöht.

Was alles in der Nachtsitzung beschlossen wurde, ist im verlinkten Anhang nachzulesen.

Was aber sagen die Parteien? Sind sie nun glücklich? Oder war es doch erst die halbe Miete?

Für die CDU ein richtiger Schritt

CDU-Bildungspolitiker Patrick Schreiber: „Das Ziel der CDU-Fraktion ist es, dass vor jeder Klasse ein Lehrer steht. Deshalb ist das Maßnahmenpaket der Staatsregierung ein richtiger Schritt. Sachsen wird mit zusätzlichen 213 Millionen Euro in den kommenden beiden Jahren für mehr Lehrkräfte an den Schulen sorgen. Das ist ein wichtiges Signal für Lehramtsstudenten, Pädagogen und auch für die Eltern von Schulkindern. Dieses Paket ist auch ein deutliches Signal in Richtung der Gewerkschaften und gilt ebenso als Aufforderung, gemeinsam für den Erhalt der hohen Qualität im sächsischen Bildungssystem zu sorgen. Im Landtag werden wir mit dem kommenden Doppelhaushalt die Umsetzung des Paketes anpacken.“

Für die FDP eine kurzatmige Flickschusterei

Holger Zastrow, Landesvorsitzender der FDP Sachsen und Präsidiumsmitglied der Bundespartei: „Das heute vorgestellte Maßnahmenpaket der Staatsregierung zur Bekämpfung des Lehrermangels ist trotz einiger Verbesserungen eine kurzatmige Flickschusterei. Leistungs- und Qualitätskriterien spielen bei der Lehrervergütung nach wie vor keine Rolle. Ein langfristiges Lehrer-Personalentwicklungskonzept für die kommenden 10 bis 15 Jahre fehlt völlig. Und solange CDU und SPD durch zu geringe Studienplatzkapazitäten beispielsweise rund 900 Interessenten für den Lehrerberuf an der Technischen Universität Chemnitz abweisen, wird auch der Lehrermangel anhalten. Notwendig wäre vielmehr, die auf Druck der FDP 2013 wieder eingeführte Grundschullehrerausbildung in Chemnitz auch auf Oberschullehrer auszuweiten.“

Für die SPD wurde eine wichtige Kehrtwende vollzogen

Volkmar Winkler, Sprecher für Land- und Forstwirtschaft sowie Kommunalpolitik der SPD-Fraktion: „Mit dem vom Kabinett verabschiedeten Maßnahmenpaket zur Lehrerversorgung hat die Koalition für die lang erwartete Kehrtwende gesorgt. Künftig werden die Lehrer und Lehramtsanwärter besser bezahlt, Quereinsteiger bekommen eine bessere Ausbildung, junge Leute haben einen sicheren Arbeitsplatz, wenn sie in Sachsen als Lehrer arbeiten wollen. Und – was uns besonders wichtig ist – Sachsen kann nunmehr ausreichend Lehrer einstellen. Ich bin mir sicher, dass durch die nun gestiegene Attraktivität des Berufsfeldes auch genügend Lehrer an nordsächsischen Schulen unterrichten werden. Damit sollten zukünftig die Zeiten von heimischen Hausarbeitstagen, Klassenzusammenlegungen und Stillbeschäftigung passé sein.“

Für die Jusos fehlt die Planungssicherheit

Katharina Schenk, Vorsitzende der sächsischen Jusos: „Das lange Hin und Her hat endlich ein Ende. Um den Lehrkräftemangel in Sachsen anzugehen wurde ein akzeptables Maßnahmenpaket beschlossen. Bis zu 600 Euro gibt es künftig mehr für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger. Dabei wird vor allem da mehr Geld ausgegeben, wo die meisten Lehrkräfte fehlen: Im ländlichen Raum und bei Mangelfächern. Das geht insgesamt in die richtige Richtung. Trotz allem darf nicht vergessen werden, dass auch noch andere Faktoren justiert werden müssen, um Sachsen attraktiver für Lehrkräfte zu machen. Sachsen hat in den vergangenen Monaten am laufenden Band negative, braune Schlagzeilen produziert. Auch ein entschlossener Kampf gegen Rechts, ein weltoffenes Sachsen wirken einladend.

Besonders hervorzuheben ist auch die Einsicht des Kultusministeriums, dass die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger besser qualifiziert werden müssen. Ein positives Signal wird auch an die älteren Lehrkräfte und Grundschullehrerinnen und -lehrer gesandt. So werden bis zu 3 Stunden bei den Lehrkräften ab 61 Jahren getilgt und bei den Grundschullehrerinnen und -lehrern dauerhaft von 28 auf 27 Stunden abgesenkt. Da besonders an Grundschulen viele LehrerInnen in Teilzeit arbeiten, profitieren sie besonders davon. Die Absenkung kommt hier einer Gehaltserhöhung gleich.

Dennoch gibt es aus unserer Sicht weiteren Arbeitsbedarf. Das jetzige Modell, womit Lehrerinnen und Lehrer angeworben und gehalten werden sollen, basiert auf Zahlungen von monatlichen Zulagen, das aber nur in den nächsten vier Jahren. Planungssicherheit an Schulen lebt aber davon, weit größere Zeiträume abzudecken. Dauerhaft müssen die zusätzlichen Gelder in eine Gehaltsaufstockung übergehen, denn nur so bleibt das Bildungssystem in Sachsen konkurrenz- und zukunftsfähig. Außerdem muss sich der Freistaat ohne Wenn und Aber dafür einsetzen, dass alle Lehrkräfte aller Schulformen endlich gleich bezahlt werden.“

Für die Grünen fehlt noch die Transparenz

Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag: „Wir begrüßen, dass die Staatsregierung heute ein Programm zur Lehrerversorgung an Sachsens Schulen vorgestellt hat. In den Grundintentionen entspricht das Paket unseren Forderungen und den Forderungen der Lehrergewerkschaften, deren Brüskierung im Laufe der Verhandlungen nicht nötig gewesen wäre.

Das aktuelle Paket ist finanziell mehr als doppelt so groß ausgestattet als ursprünglich geplant. Damit bestätigt sich einmal mehr, dass nicht das Geld das Problem in Sachsen ist. Es ist ein gutes Zeichen, dass sich die Bildungspolitiker in der Koalition durchsetzen konnten. Da der Lehrermarkt leergefegt ist, war klar, dass die Ressourcen im bestehenden System geschaffen werden müssen. Deshalb ist es ein wichtiges Signal, dass dies nicht ausschließlich zu Lasten der Lehrerinnen und Lehrer erfolgt ist.

Wichtig für uns ist, dass mit dem Paket zusätzliche Anreize geschaffen werden, dass ältere Lehrerinnen und Lehrer länger im Beruf bleiben. Auch wenn Verbesserungen in der Vergütung vorgenommen werden, bleibt die Ungerechtigkeit in der Bezahlung. Es kann nur ein erster Schritt sein – die Grundschullehrkräfte müssen nachziehen.

Aus heutiger Sicht ist das Maßnahmenpaket in vielen Punkten noch nicht transparent genug und kann deshalb nicht abschließend beurteilt werden. Ich erwarte, dass im Schulausschuss nähere Details erläutert und diskutiert werden.“

Für die Linken reichen die Maßnahmen nicht aus

Die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Cornelia Falken: „In Sachsen wird Bildungspolitik mit sogenannten ‚Maßnahmenpaketen‘ gemacht. Von einer „transparenten und fachlich fundierten Bildungsplanung‘, wie von Eltern- und Schülervertretung gefordert, sind wir hierzulande weit entfernt. Auf die Ankündigung eines Maßnahmenpaketes für den Erhalt von Schulen im ländlichen Raum vom September 2013 und ein Maßnahmenpaket ‚Für ein starkes Sachsen‘ vom März 2016, mit dem die politische Bildung gestärkt werden soll, folgt nun ein Maßnahmenpaket zur ‚Lehrerversorgung in Sachsen‘. Es enthält Regelungen, die zu begrüßen, und solche, die unzureichend sind. Andere Regelungen, die nötig wären, werden gar nicht berücksichtigt.

Um es vorwegzunehmen: Im Vergleich mit anderen Bundesländern reichen die Maßnahmen nicht aus, um ausreichend qualifizierten Nachwuchs für Sachsen zu gewinnen. Zudem vergisst die Staatsregierung die Lehrerinnen und Lehrer, die seit Jahren eine gute pädagogische Arbeit leisten und nun zusehen müssen, wenn neu eingestellte Lehrkräfte hunderte Euro mehr erhalten als sie. Das ist höchst ungerecht.

Das Seiteneinsteigerprogramm ist zu begrüßen. Eine dreimonatige Einstiegsfortbildung wird jedoch nicht ausreichen, um Seiteneinsteiger auf den Schulunterricht vorzubereiten. Die Senkung des Regelstundenmaßes von Grundschullehrerinnen und -lehrern von 28 Wochenstunden auf 27 reicht nicht, um zusätzliches Arbeitsvolumen zu gewinnen, da zurzeit nur 65 % der Grundschullehrkräfte voll arbeiten. Erforderlich wäre eine Senkung des Regelstundenmaßes um zwei Stunden.

Dass nur Fachberater in den Genuss von Verbesserungen kommen, benachteiligt andere Leistungsträger wie z.B. Beratungslehrer, Lehrer am Seminar u.a.m. Wir fordern die Beibehaltung der Regelung, Lehrkräften an dem 55. Lebensjahr eine Ermäßigungsstunde zu gewähren und nicht erst ab dem 58. Lebensjahr. Ein höheres Entgelt ab dem 63. Lebensjahr, das ihnen gewährt werden kann, sollten alle Lehrkräfte erhalten. Eine Gleichstellung von Ein-Fach-Lehrern mit Zwei-Fach-Lehren sollte sofort erfolgen und deren Eingruppierung in die E 13.

Das Modellprojekt ‚Schulverwaltungsassistenten‘ ist völlig unzureichend. Pro Landkreis bzw. Kreisfreier Stadt lediglich drei Schulverwaltungsassistenten befristet einzustellen und mit administrativen Aufgaben zu betrauen, bei einer Gesamtzahl von 1.352 öffentlichen allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulzentren im Freistaat, ist kein sinnvolles Modellprojekt.“

Die Mitteilung der Landesregierung mit den vereinbarten Maßnahmen.

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