Man kann eine Sache auch so kompliziert machen, dass die Geldempfänger nur noch mit dem Abarbeiten bürokratischer Auflagen beschäftigt sind und die Gelder zur Hälfte liegenbleiben. So geschehen den Geldern, die bei der BaföG-Novelle des Bundes frei wurden und die man eigentlich direkt an die Hochschulen hätte ausreichen können. Aber in Sachsen wird gern alles dirigiert und kontrolliert.

Durch die Übernahme der kompletten BAföG-Kosten durch den Bund werden in Sachsen im Hochschulbereich pro Jahr etwa 56 Millionen Euro frei. In den Jahren 2015 und 2016 wurden durch die sächsische Staatsregierung hiervon insgesamt 107 Millionen Euro in einer neu eingerichteten Titelgruppe namens „Zusatzbudget für die Hochschulen“ eingestellt.

Aber 53 Millionen Euro davon haben sie gar nicht abrufen können. Das ergab eine Kleine Anfrage der hochschulpolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, Dr. Claudia Maicher.

„Im ganzen Land klagen die Hochschulen über die mangelhafte staatliche Finanzierung. Überfüllte Hörsäle, unterbezahlte Lehrbeauftragte und fehlende Ausstattung sind die bekannten Folgen der Mittelknappheit. Dass gleichzeitig 53 Millionen Euro im letzten Doppelhaushalt einfach nicht ausgegeben wurden, ist ein Skandal mit Ansage“, findet Maicher. „Seit der Bund vor drei Jahren die Kosten für das BAföG übernommen hat, fordern wir, dass das dadurch freiwerdende Geld in die Grundfinanzierung der Hochschulen gehört und für Daueraufgaben ausgegeben werden muss. CDU und SPD verweigern sich seit Jahren hartnäckig und haben lieber kleinteilige Programme aufgelegt. Sogar Baumaßnahmen sind darunter zu finden.“

Es ist wie so oft, wenn Sachsen Geld vom Bund bekommt: Die Landesregierung versucht die Geldströme zu drosseln und so zu kontrollieren, dass den eigentlichen Empfängern bis ins i-Tüpfelchen vorgeschrieben wird, wofür sie das Geld verwenden sollen. Sachsen ist ein durch und durch vormundschaftlicher Staat. Und wenn die Gelder nicht abgerufen werden, weil allein schon die Antragsbürokratie so viel Personalaufwand bedeutet, dass das in den Hochschulen nicht geleistet werden kann, dann droht das Geld in den Kassen des Freistaats zu verschwinden.

„Meine Anfrage zeigt jetzt schwarz auf weiß, wie falsch dieser Weg ist. Von den ursprünglich eingestellten 107 Millionen Euro im sogenannten ‚Zusatzbudget für die Hochschulen‘ sind in 2015 und 2016 insgesamt 53 Millionen Euro einfach liegengeblieben. Für diese Gelder muss Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange (SPD) jetzt schnell beantragen, dass sie im laufenden Haushalt noch für Hochschulmaßnahmen ausgegeben werden dürfen, sonst füllen sie nur noch das Staatssäckel des Finanzministers“, kommentiert Claudia Maicher den Vorgang. „Genau um solch eine drohende Verschwendung zu vermeiden, haben wir bei allen Doppelhaushaltsverhandlungen seit 2014 gefordert, die BAföG-Gelder den Hochschulen direkt zur Verfügung zu stellen und für Daueraufgaben wie Inklusion, Gleichstellung und Abbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse zu verwenden. Baumaßnahmen gehören gänzlich in die Landesfinanzierung.“

Aber was unter der CDU/FDP-Regierung mit dem verkniffenen „Hochschulfreiheitsgesetz“ begann, setzt sich auch in der derzeitigen Regierung fort: Kontrollsucht und Misstrauen prägen das Verhältnis der Regierung zu den Hochschulen.

„Die sächsischen Hochschulen haben schon lange bewiesen, dass sie mit den ihnen anvertrauten staatlichen Mitteln verantwortlich umgehen“, setzt Maicher dagegen. „Es ist höchste Zeit, dass die Staatsregierung auch bei den BAföG-Millionen endlich die Strategie der staatlich kontrollierten Projektfinanzierung aufgibt. Nur eine solide Grundfinanzierung gibt dem Hochschulbereich echte Planungssicherheit. Ich werde die Staatsregierung auch weiterhin immer wieder daran erinnern.“

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