Im Rahmen des unregelmäßig stattfindenden „Donnerstagsdiskurses“ an der Universität Leipzig haben vier Wissenschaftler über die Freiheit der Forschung in Deutschland diskutiert. Ein Schwerpunkt war dabei unter anderem die sogenannte Zivilklausel, die Forschung zu militärischen Zwecken verbieten soll. Die aktuellen Gefahren für Forschung und Wissenschaftler in anderen Ländern spielten entgegen der Ankündigung keine nennenswerte Rolle.

Nach dem unabhängig von Forschungseinrichtungen organisierten „March for Science“ vor zwei Wochen hat sich nun auch die Universität Leipzig dem Thema Wissenschaftsfreiheit gewidmet. Am Donnerstagabend lud Rektorin Beate Schücking zur Podiumsdiskussion im Rahmen des sogenannten Donnerstagsdiskurses. Die Veranstaltungsreihe war anlässlich der Legida-Demonstrationen gestartet worden und hat sich im Laufe der Zeit weiteren Themen geöffnet.

Zunächst diskutierten die Podiumsteilnehmer über die Freiheit und Bedeutung der Wissenschaft in Deutschland im Allgemeinen. Der Mathematikprofessor Matthias Schwarz, der bis vor Kurzem noch Prorektor für Forschung und Nachwuchsförderung war, verglich die Freiheiten hierzulande und heutzutage mit anderen Orten und Zeiten: „Vor 100 Jahren war Antisemitismus in der Mathematik ein großes Thema.“

Chemieprofessorin Evamarie Hey-Hawkins betonte, dass zur Freiheit auch die nötige Infrastruktur gehöre: zum Beispiel Personal, Geräte und finanzielle Mittel. Wichtig sei es – da waren sich die Teilnehmer einig –, zu vermitteln, warum Wissenschaft wichtig ist, gerade auch im Bereich der Grundlagenforschung, wo sich der Nutzen womöglich nicht sofort erschließt.

Schwarz verwies etwa darauf, dass sich die Wissenschaft heute damit beschäftige, Schwarze Löcher sichtbar zu machen. Die Grundlage dafür hätte bereits vor 100 Jahren Albert Einstein mit der Allgemeinen Relativitätstheorie gelegt. „Auf solchen Zeitskalen funktioniert in meinem Bereich Grundlagenforschung“, so Schwarz. „Dafür Akzeptanz herzustellen, ist schwierig.“ Für andere Forschungsbereiche, denen es an solch anschaulichen Beispielen fehle, gelte das umso mehr.

Zweiter großer Schwerpunkt des Abends war das Thema „Zivilklausel“. Mit dieser freiwilligen Selbstverpflichtung sollen Hochschulen auf Forschung zu militärischen Zwecken verzichten. An knapp 20 deutschen Hochschulen gibt es eine solche Klausel bereits – jedoch in unterschiedlicher Schärfe. So geht es dabei beispielsweise um die Frage, ob nicht nur Forschung, die offensichtlich militärischen Zwecken dient, verboten werden soll, sondern auch jene, deren Erkenntnisse möglicherweise zu militärischen Zwecken genutzt werden können – auch wenn dies nicht das eigentliche Ziel war.

Sämtliche Podiumsteilnehmer – neben Schwarz und Hey-Hawkins waren dies zudem die Ethnologin Ursula Rao und der „March for Science“-Mitorganisator Frank Gaunitz – sprachen sich gegen eine Zivilklausel aus. Lediglich im Publikum saß eine Vertreterin einer Hochschulgruppe, die sich für eine solche Klausel einsetzt. Die fehlenden Kontroversen an diesem Abend innerhalb der Podiumsrunde wurden an dieser Stelle besonders deutlich.

Etwas überraschend ignorierte die Moderation zudem die aktuellen Einschränkungen etwa in der Türkei oder in Ungarn sowie die Wissenschaftsfeindlichkeit des US-Präsidenten Donald Trump, der unter anderem den Klimawandel anzweifelt. In ihrer Pressemitteilung hatte die Universität mit diesen Themen für die Veranstaltung geworben.

In einigen Wochen dürfte es deutlich kontroverser zugehen. Rektorin Schücking kündigte zum Schluss für Anfang Juni eine Debattenveranstaltung an. Zwei Gruppen sollen dann gegeneinander argumentieren – für beziehungsweise gegen eine Gewichtung der Stimmen bei Wahlen nach Alter. Am Ende entscheidet das Publikum darüber, wer die überzeugenderen Argumente vorgetragen hat.

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