Der neue sächsische Kultusminister Frank Haubitz hat eine Menge Probleme auf dem Tisch. Eines hat nicht mal das Kultusministerium verschuldet, auch wenn es den Unterricht negativ beeinflusst: Die zunehmende Zahl fehlender Schulen. Ein Problem, das gerade der „Boomtown“ Leipzig zu schaffen macht, wie die bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Petra Zais, jetzt durch eine Anfrage erfuhr.

Denn die Zahl der Klagen von Eltern gegen die Schulplatzvergaben in Sachsen haben einen neuen Höchststand erreicht. Eltern sind im Schuljahr 2017/18 in insgesamt 232 Fällen gegen die Zuweisung zu einer bestimmten Schule rechtlich vorgegangen. Das geht aus der Antwort von Kultusminister Frank Haubitz auf die Kleine Anfrage von Petra Zais hervor.

In 39 Fällen davon wurde ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor Gericht eingereicht. Das sind dreimal so viele Anträge wie im Schuljahr 2016/17. Insgesamt waren 93 der 232 Verfahren erfolgreich im Sinne der Antragsstellerinnen und Antragsteller. In zwei Fällen steht die Entscheidung noch aus. Trotz steigender absoluter Zahlen wurden weniger Verfahren im Sinne der AntragstellerInnen entschieden als im vergangenen Schuljahr. Im Schuljahr 2016/17 waren noch zwei Drittel der Verfahren erfolgreich, in diesem Schuljahr weniger als die Hälfte. Das hat Gründe. Echte Kapazitätsgründe.

„Der weitere Anstieg der Widersprüche im Vergleich zu den vergangenen Schuljahren (Schuljahr 2015/2016: 78 Widerspruchsverfahren, Schuljahr 2016/2017: 190 Widerspruchsverfahren) zeigt, dass Eltern das Recht auf freie Schulwahl zunehmend einfordern“, erklärt Petra Zais. „Der Trend zur Wunschschule, besonders in den Großstädten, ist ungebrochen.“

Aber gerade die Großstädte können diesem Wunsch immer weniger entsprechen.

„Schon im vergangenen Schuljahr waren die Grundschulen die am stärksten von Widersprüchen betroffene Schulart. Die Fälle verteilten sich auf viele verschiedene Schulen. In diesem Schuljahr sind aber zwei Grundschulen besonders im Fokus – in Chemnitz (13 Fälle) und in Eilenburg (12 Fälle). Vor allem im Grundschulbereich sollte im Interesse kurzer Schulwege eine Klassenbildung auch außerhalb der Mindestschülerzahlen möglich sein“, findet die Bildungsexpertin der Grünen. „In diesem Schuljahr sind die Gymnasien wieder stärker betroffen. Waren es im vergangenen Schuljahr an einzelnen Gymnasien nicht mehr als zehn Fälle, so gibt es jetzt in Leipzig zwei Gymnasien mit 20 und mehr Widersprüchen gegen die Zuweisung zu einer bestimmten Schule.“

Natürlich fällt auch diesmal wieder das Immanuel-Kant-Gymnasium in der Südvorstadt auf, in jenem Stadtgebiet gelegen, in dem es mittlerweile an sämtlichen Schulplätzen knapp wird. Den Bedarf kann weder die Louise-Otto-Peters-Schule in Connewitz auffangen noch das gerade neu eröffnete Gymnasium in der Telemannstraße. Im Gegenteil: Auch in die Telemannstraße im Musikviertel wollten viele Eltern ihre Kinder am liebsten umschulen lasen. Aber auch hier lehnte die Stadt immer mit Hinweisen auf die begrenzte Kapazität ab.

Keine andere Stadt in Sachsen hängt beim Bau der benötigten Schulkapazität so hinterher wie Leipzig. Von den 232 Fällen, die Petra Zais erwähnt, entfielen allein 89 auf die Stadt Leipzig. Und das hat natürlich mit dem steigenden Stau im Schulbau zu tun, auch wenn Leipzig derzeit in einem Hauruckprogramm für 112 Millionen Euro versucht, wenigstens 4.300 Schulplätze binnen zwei Jahren aus dem Boden zu stampfen. Aber nicht nur die eigenen Mittel der Stadt sind begrenzt. Auch der Freistaat tut sich schwer, für die Großstädte ein wirklich belastbares Schulneubauprogramm auf die Beine zu stellen.

Logisch, dass Petra Zais fordert, dass die Staatsregierung jetzt auch endlich Realitätssinn bei der Schulbaufinanzierung einkehren lässt: „Die Kreisfreien Städte müssen mehr Unterstützung zur Schaffung des erforderlichen Schulraums erhalten. Andernfalls droht ein weiterer Anstieg an ‚Umlenkungen‘ – und damit ein nochmaliger Anstieg an Widersprüchen und Klagen gegen diese Entscheidungen.“

Und natürlich gibt es neben dem Ärger der Schüler und Eltern auch das zunehmende Problem überfüllter Klassenzimmer. Denn wenn die Stadt Leipzig Umlenkungen aus Kapazitätsgründen problemlos ablehnen kann, bedeutet das in den Wunschschulen, dass dort die Klassenkapazitäten schon bis zum Anschlag ausgereizt sind. Was logischerweise negative Folgen für das Lernklima und die Lernerfolge vieler Schüler mit sich bringt.

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