Terminlich passte es: Am Mittwoch, 11. April, wurde Bastian P. in Leipzig zu 3 Jahren und 10 Monaten Haft im offenen Vollzug verurteilt. Er war der Programmierer des illegalen Download-Portals kino.to. Mit den Downloads hat das Portal natürlich kein Geld verdient. Die Millionen kamen über die Werbung auf der Website zusammen. Legale Werbung? - So ganz sicher war sich da auch die Dresdner Staatsanwaltschaft nicht.

Am selben Tag, an dem in Leipzig das Urteil gegen Bastian P. fiel, ließ die Staatsanwaltschaft Dresden gezielte Razzien gegen Werbe- und sogenannte Affiliate-Dienstleister in fünf Bundesländern durchführen. Zwei Personen wurden verhaftet. Der Tatvorwurf lautete auf Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung. Vielleicht wurde der Zugriff nur möglich, weil die Verdächtigen die Website von kino.to vor allem mit Anzeigen pornografischen Inhalts fütterten.

“Die Werbeschaltungen, von denen auch kino.to profitiert haben soll, wurde nach bisherigen Erkenntnissen zentral von einem Dienstleister gebucht und verwaltet, auf den deutsche Behörden bisher allerdings keinen Zugriff bekommen haben: Der Mann sitzt im EU-Ausland. Stattdessen richtete sich der Schlag gegen in Deutschland ansässige Geschäftspartner, von denen die Werbeschaltungen durchgeführt wurden”, schreibt “Spiegel Online” dazu, geht aber dann weniger auf die kriminellen Personenkreise ein, die hier tätig wurden, sondern auf das Funktionieren von Affiliate-Marketing im Internet.

Nicht der erste Artikel zum Thema. Aber die Beharrlichkeit, mit der “Spiegel Online” über das Thema in jüngster Zeit berichtet, lässt ahnen, dass selbst beim Vorzeige-Projekt einer sich selbst tragenden Nachrichten-Plattform in Deutschland die Alarmglocken schrillen.

Wozu eigentlich kein Grund bestünde, wenn man den im Februar veröffentlichten Zahlen des Bundesverbandes für digitale Wirtschaft glauben dürfte. Danach hat der Anteil der Online-Vermarktung an den Werbebudgets in Deutschland weiter zugenommen, sitzt weiterhin den Summen, die für TV-Werbung ausgegeben werden, im Nacken, ist damit der zweitgrößte Werbemarkt – weit vor Zeitungen und Rundfunk.Eigentlich die logische Frage: Dann müssten sich Webauftritte von Nachrichtenmagazinen doch geradezu goldene Nasen verdienen? – Tun die meisten aber nicht. Und selbst bei “Spiegel Online” ist man augenscheinlich höchst besorgt.

“Im Jahr 2011 wurden Mediaspendings in Höhe von rund 5,7 Milliarden Euro (5.736 Millionen Euro) auf den Online-Werbemarkt verteilt. Dabei verzeichnet die klassische Online-Werbung mit 3.286 Millionen Euro den höchsten Wert der drei betrachteten Segmente. Auf dem zweiten Platz liegen die Werbeinvestitionen aus dem Bereich Suchwortvermarktung mit 2.076 Millionen Euro. Die Affiliate-Netzwerke folgen mit 374 Millionen Euro”, so die Auswertung durch den Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.

Man sieht, dass das Affiliate-Marketing keineswegs den Löwenanteil ausmacht. Aber auch das, was dann scheinbar so klassisch daherkommt, kommt kaum bei den “klassischen” Medien an. Die Suchwortvermarktung kommt fast ausschließlich den großen Suchmaschinenbetreibern zugute – allen voran die Google Inc., Jahresumsatz 2011: 37,9 Milliarden Euro. Aus Sicht der Google Inc. sind die 2 Milliarden Euro aus Deutschland eher nur Peanuts. In winzigen Portionen haben auch all jene Websites Anteil an dem Kuchen, die die “Google Adds” auf ihre Seiten einfließen lassen. Da das aber Millionen Websites weltweit tun, kann sich schon Atze in der Grundschule ausrechnen, was dann für das einzelne Portal übrig bleibt.

Die Vermarkter verkaufen diese Art Werbung dann auch gern schon als Teil des personalisierten Marketings. Der Surfer bekommt die Anzeigen zu sehen, die zu seinem Web-Profil passen.

Und der Rest? Die 3,286 Milliarden Euro für das, was die BVDW so schlankweg “klassische Werbung” nennt? – Auch die gehen an den “klassischen” Medien im Web weitestgehend vorbei. Denn wo diese Banner geschaltet werden, das entscheiden immer seltener die Unternehmen selbst. Sie haben zwar allesamt ihre PR-Abteilungen teuer aufgerüstet. Aber das bedeutet nicht, dass sie sich damit Internet-Kompetenz ins Haus geholt haben.Die meisten Marketing-Abteilungen sind schlichtweg überfordert von dem, was sich ihnen beim ersten Blick ins Netz als Fülle darbietet – Millionen Seiten, Blogs, Verkaufsportale, Interessen-Foren, Parteienauftritte, News-Schleudern, Firmen-Auftritte – und irgendwo darin die “klassischen” Medien. Und das Verwirrende für die PR-Spezialisten: Die großen Zahlen machen nicht Spiegel & Co. 170 Millionen Besuche im Monat – das ist doch für eine Nachrichten-Site in Deutschland geradezu bombastisch. Bild.de liegt mit 218 Millionen mittlerweile drüber. Aber auch im Hause Springer weiß man: Die Online-Werbung tröpfelt auch hier nur.

Der BVWD weiß zwar, was Unternehmen mittlerweile für Werbung ausgeben im Netz – aber nicht, wo das Geld hinfließt. Dass es am Ende Ganoven wie die Betreiber von kino.to oder Megaupload reich macht, hat Frank Patalon auf “Spiegel Online” auch mal ein wenig beleuchtet. Das Magazin hat auch bei den eigentlich seriösen Unternehmen angefragt, deren Werbung auf einmal auf solchen illegalen Download-Seiten landet oder auch auf diversen Porno- und Gewaltportalen.

Patalong: “Millionen von Seiten zeigen Werbebanner und Anzeigen. Oft passt die Werbung zum Besucher der Seite, dahinter stecken ausgefuchste Methoden und spezialisierte Dienstleister. Viele von ihnen beschicken über ihre Ad-Server, wie man die Verteiler-Rechner für Werbung nennt, parallel Zehntausende von Sites. Direkte Buchungen von Anzeigen auf einer bestimmten Seite kommen fast nur bei den ganz großen Seiten vor. Das Gros der Web-Seiten wird über spezialisierte Agenturen und so genannte Affiliate-Dienstleister mit Werbung versorgt.”

Und da diese Agenturen mittlerweile so eine Art Schlüsselfunktion ausüben und die werbenden Firmen ihre Verantwortung für die Platzierung mit dem Auftrag an diese Agenturen delegieren, landen die Banner nicht dort, wo sie in seriöserem Kontext um Aufmerksamkeit werben, sondern größten Teils auf Seiten, die sich das Prinzip “Masse statt Klasse” zur Arbeitsgrundlage gemacht haben. Das Zauberwort heißt “Reichweite”.

Manche Agenturen haben sich mittlerweile auch auf das konzentriert, was man so landläufig “Social Media” nennt, die mit “sozial” meistens nichts zu tun haben, auch wenn mancher den Aufenthalt in diesen personalisierten Foren mit ihrer gigantischen Datenmenge für soziale Interaktion halten. Seit über fünf Jahren trommeln ja die involvierten Agenturen unter den Stichworten “Social Media” und “Web 2.0” für diese Webgiganten, unter denen die Facebook Inc. mittlerweile der größte ist, wenn auch mit 3,7 Milliarden Dollar Umsatz noch ein Stück weit kleiner als Google, das mit Google+ aber auf das selbe Pferd setzt.

Die Unternehmen delegieren dabei die Suche nach ihrer “Zielgruppe” an Agenturen und am Ende an Maschinen, die die Werbeeinblendungen nach Wunschkriterien automatisieren. Klingt ja nicht übel. Freut sich das Unternehmen, dass es auf derart intelligente Art genau die potentiellen Kunden anzusprechen scheint, die es will. Auch wenn es oft gar nicht erfährt, auf welchen Seiten das dann passiert. Und die Antworten, die Frank Patalong auf seine Nachfragen bei einzelnen Unternehmen bekommen hat, deuten durchaus darauf hin, dass die Verantwortlichen meist nicht einmal ahnen, wie sie kriminelle Machenschaften im Netz erst lukrativ machen.

Ein Beitrag vpn Sascha Mattka zum Funktionieren von Affiliate-Marketing: www.heise.de

Frank Patalong auf “Spiegel Online” zur Verteilung seriöser Werbung auf illegalen Websites: www.spiegel.de

Über die Verhaftung der kino-to-Werber: www.sueddeutsche.de

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