Wie entsteht eine Nachricht? Waren Sie schon mal dabei? - Es ist ganz einfach: Ein Bürgermeister plappert vor sich hin. Erzählt von einer Diskussion jüngst in Berlin, bei der die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die Möglichkeiten der Blauen Plakette ansprach. In der Zeitung wird ein "Kommt jetzt die blaue Plakette?" draus. Postwendend lehnt der Minister die "geplante 'Blaue Plakette' für PKW" ab. Und schwupps meldet ein großes Magazin: "Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) ist gegen die gesetzliche Einführung einer blauen Plakette für besonders schadstoffarme Autos."

Tatsächlich ging’s am Mittwoch, 4. Juni, beim Pressetermin im Neuen Rathaus zu Leipzig gar nicht um die Blaue Plakette. Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal stellte den neuen “Umweltbericht 2013” der Stadt Leipzig vor. Darin geht es – neben anderen Themen wie Wasser, Boden, Lärm, Energie usw. – auch um die Leipziger Luft, um Feinstaub, CO2, Ozon, Stickoxide usw. Die Luftschadstoffbelastung nimmt ganze vier von 80 Seiten ein. Natürlich wird auch der Luftreinhaltreplan der Stadt kurz diskutiert. Dazu gehört natürlich auch die Umweltzone, die Leipzig vor drei Jahren eingeführt hat und die – messbar – Ergebnisse zeitigt.

Kurz wurde in der Pressekonferenz diskutiert, was die Stadt tun kann, die Grenzwerte insbesondere bei Stickstoffdioxid ab 2015 einzuhalten. Das werde kaum im ersten Anlauf zu schaffen sein, sagte Heiko Rosenthal. Man sei da in Gesprächen mit den übergeordneten Behörden. Dabei plauderte er über eine jüngst in Berlin stattgefundene Diskussion, bei der die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die baldmöglichste Einführung der Blauen Plakette befürwortet hatte. Die Idee ist nicht ganz neu.

Der Verkehrsminister von Baden-Württemberg Verkehrsminister Winfried Herrmann (B?90/Grüne) hatte sie schon Ende 2013 offensiv diskutiert. Die Blaue Plakette steht für die Abgasstandard Euro 6, die neu produzierte Fahrzeuge in der EU nach aktuellem Produktionsstand schon allesamt haben könnten. Ab September 2014 wird sie verbindlich für die Hersteller.

Natürlich hat Leipzig ein Problem mit den Stickoxiden. Insgesamt haben sich die lokalen Stickoxidemissionen in Leipzig – “u.a. durch die Euro-Abgas-Grenzwertgesetzgebung” – in den letzten Jahren verringert, heißt es im Bericht. Anteilig gestiegen ist aber der Anteil des Stickstoffdioxids. Die zunehmende Zahl von Diesel-Pkw und ihre Ausrüstung mit Oxidationskatalysatoren werden im Bericht als Grund genannt. Auch die CRT-Filter in Bussen tragen dazu bei. Es ist also unübersehbar, dass der Gesetzgeber hier auf Herstellerseite ansetzen muss. Die Kommunen seien immer nur das letzte Glied in der Kette, so Rosenthal. Und müssten dann die ganze Sache ausbaden.

Leipzig hat also keineswegs vor, die Blaue Plakette einzuführen. Aber da die “Leipziger Volkszeitung” diesen Nebensatz zum Hauptthema machte, gab es die nervösen Reaktionen aus Dresden gleich postwendend. Die erste aus der FDP-Fraktion, die zweite direkt vom Verkehrsminister.
Holger Zastrow, Fraktionsvorsitzender der FDP, verkündete postwendend: “Aufsteigerland Sachsen kann sich keine schärferen Umweltzonen leisten!”

“Laut einem Bericht der ‘Leipziger Volkszeitung’ drohe Leipzig die Einführung einer blauen Umweltplakette, wie sie die Deutsche Umwelthilfe oder der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) forderten. Die Kriterien für diese Plakette seien Abgasstandards, die erst ab Herbst dieses Jahres für neue Fahrzeugmodelle gelten würden.

Dazu erklärt Holger Zastrow, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag und der FDP Sachsen: ‘Dass die Umweltplaketten ganz zwangsläufig nichts bringen, war von vornherein abzusehen – schließlich machen Fahrzeugabgase gerade einmal bis zu sieben Prozent der innerstädtischen Feinstaubbelastung aus. Dass beispielsweise im April die gigantische Saharastaubwolke über Deutschland keinen Bogen um die Leipziger Umweltzone gemacht hat, wird auch durch schärfere Plaketten-Standards künftig nicht zu verhindern sein. Wind und Wetter lassen sich nicht durch Knöllchen beeinflussen.

Bereits heute leiden die Halter von älteren Fahrzeugen und besonders der Mittelstand mit seinen Fuhrparks unter der Umweltzone. Die Idee, dass die Bürger und Unternehmen im Takt von ein, zwei Jahren Neuwagen kaufen sollen, um ideologische Gutmenschenphantasien zu bedienen, können nur linksgrüne Berufsumweltschützer und Politiker haben.

Es mag ja sein, dass sich eine etwas zu reich und zu satt gewordene Region solche Dinge wie Umweltzonen leisten kann. Ein Land wie Sachsen, das den Wiederaufstieg in die erste Liga erst begonnen hat, kann es nicht!'”

Und ebenso postwendend meldete sich Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) zu Wort: “Staatsminister Morlok lehnt geplante ‘Blaue Plakette’ für PKW ab / Morlok: ‘Zusätzliche Plakette wäre Bürokratie-Wahnsinn'”

“Laut Medienberichten plant Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Herrmann (B?90/Grüne) die gesetzliche Einführung einer blauen Vignette zur Kennzeichnung besonders schadstoffarmer Fahrzeuge.

Dazu erklärt Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok (FDP): “Schon die grüne Vignette ist ein dirigistisches Monstrum und ihre beabsichtigte Wirkung ist noch immer nicht klar belegt. Wir werden einen derart bürokratischen Vorstoß nicht mitmachen. Würde der Vorschlag von Verkehrsminister Herrmann umgesetzt, wären hunderttausende sächsische Pkw-Inhaber mit der grünen Vignette betroffen. Statt dieses Bürokratie-Wahnsinns setzen wir auf eine einfachere Alternative: Nur noch die Fahrzeuge sollten gekennzeichnet werden, die die Schadstoffnormen nicht erfüllen!'”

Und daraus machte dann der “Focus” – ebenso postwendend – die Nachricht: “Verkehrsminister Morlok gegen blaue Plakette”.

Der eigentliche Nachrichtenwert ist Null, denn für die Neufahrzeuge wird die Blaue Plakette, die den Stickoxidausstoß für Dieselfahrzeuge auf 80 Milligramm pro Kilometer, bei Benzinmotoren auf 60 Milligramm begrenzt, ab Herbst sowieso zur Norm. Die Diskussion, ob die Blaue Plakette dann auch in Umweltzonen eingeführt wird, wird auf EU- und Bundesebene geführt werden müssen.

Die Stuttgarter Zeitung zum Vorstoß von Winfried Herrmann:
www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.luftreinhaltung-in-baden-wuerttemberg-fahrverbote-in-umweltzone-fuer-die-gruene-plakette.7d32b294-2842-4e95-8c2a-6bdb30ba152c.html

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