LeserclubWie redet man mit einem Sprecher der Staatsanwaltschaft, der niemals zugeben würde, dass er über das Ziel hinausgeschossen ist? Den man aber auch nicht verärgern durfte. Staatsanwälte können so schrecklich nachtragend sein. Und so hübsch zynisch, wenn sie sich am Telefon verweigerten. „Es ist doch alles gesagt, Herr L.“

„Aber nein: Sie haben alles dementiert. Aber unsere Fotos beweisen …“

„Ach, Ihre Fotos, Herr L. Vielleicht waren es ja Leute vom Fernsehen? Sie wissen doch, wie die übertreiben.“

„Natürlich, ganz ohne Kamerawagen. Für was hal…?“

„Für ein Miezekätzchen, mein Lieber. Wir haben ja nicht abgestritten …“

„Nein?“ L. war ein bisschen baff. Eigentlich auch durchgeschwitzt, denn er war ja die Treppe hochgeeilt, weil er das Klingeln seines Telefons schon unten an der Tür hörte. Dieses ganz besondere Klingeln, das Telefone drauf haben, wenn amtliche Stellen endlich zurückrufen und nach dem dritten Klingeln für alle Ewigkeit die Geduld verlieren. Und sich dann verleugnen lassen. Deswegen war L.s „Herr Staatsanwalt …“ dann doch etwas atemlos ausgefallen.

Er hörte sogar, wie der Bursche am anderen Ende der Leitung grinste. Macht kann so etwas Schönes sein. Und wenn L. wetten wollte, dann würde er darauf wetten, dass der Herr Staatsanwalt im Goldrahmen den Spruch „Wissen ist Macht“ in seinem Büro an der Wand hängen hatte. Gleich neben dem Telefon. In Goldstickerei natürlich. Mit Blümchengirlande drumrum.

„Nein, wir haben nicht abgestritten, dass da ein paar Akten eingesammelt wurden. Könnte ja sein ..“

Kleines Päuschen. L. musste sich untertänigst ein bisschen räuspern.

„… könnte ja sein, die Finanzbehörden haben uns um ein klein wenig – wie sagt man so schön ? ..“

„…Amtshilfe …“

„Ja. Könnte man sagen. Um ein bisschen Amtshilfe gebeten, der wir uns natürlich im Interesse der Ausräumung eventueller Verdachtsmomente …“

„Das glaub ich Ihnen nicht …“

„Herr L., ich bitte Sie!“

Wollte er jetzt sauer werden und den nervenden Herrn Journalisten ausklinken?

„Sie wissen genau, was ich meine. Wenn die von Ihnen erwähnte Behörde bei Ihnen nachfragt, dann gibt es nicht nur ein paar Verdachtsmomente. Bei Verdachtsmomenten nimmt nicht mal der Pförtner den Hörer ab …“

„Aja.“

„Die müssen Ihnen schon ein paar belastbare Papierchen geschickt haben, sonst hätten Sie nie und nimmer den Durchsuchungsbefehl …“

„Wir werden manchmal auch schon früher munter, Herr L. Sie scheinen uns für einen recht – sagen wir mal – schwerfälligen – Verein …“

„Ganz und gar nicht, Herr Staatsanwalt. Ich weiß, was Sie jeden Tag zu leisten haben …“

„Ja, was mich auf unser Thema …“

„Keine Zeit, ich weiß.“

„Sie sagen es. Ich denke, das war es auch von Ihrer …“

„Nein, war es nicht. Wir werden Ihr Dementi so nicht bringen können. Die Aktion hat stattgefunden.“

„Kann ich nicht abstreiten. Aber Sie vergessen eins …“

„Dass Sie gleich alle fünf Adressen am Herrmannkai ausgeräumt haben?“

„Wir räumen … äh … Von welchen fünf Adressen reden Sie? In meiner Mitteilung …“

„Wir haben von allen fünf Firmen die Bestätigung …“

Kurzes Schnaufen am anderen Ende. Ein kleines Schlürfen. Da ging es wohl jemandem genauso wie Herrn L. Für eine ruhige Kaffeepause war keine Zeit. Da trank man den Schwarzen gleich am Arbeitsplatz. Meistens drei oder fünf Tassen zu viel.

„Wir hatten ausdrücklich angewiesen, dass keiner der ….“

„Angeklagten?“

„Nix da, Anklage. Bestenfalls … sagen wir … Befragten, ja, dabei können wir es lassen.“

„Was haben Sie denen …?“

„Sie haben sich alle verpflichtet, auf jede Kommunikation mit der Presse zu verzichten. Auf jede, Herr L.“

„Kann ich verstehen.“

„Solche Eingriffe in laufende Verfahren …“

„Ich verstehe Sie gut. Nur zu gut. Was ich aber nicht verstehe …“

„Meine Zeit, Herr L. …“

„Ich weiß. Ich muss auch gleich wieder. Aber warum rollen Sie den Fall Marinade-Heinrich wieder auf?“

Kleines Päuschen.

„Wer von diesen Herrschaften …“

„Das darf ich doch nicht verraten, Herr Staatsanwalt. Das wissen Sie doch.“

„Das müssen Sie. Wenn ich von Ihnen morgen auch nur ein einziges Wort dazu ohne Quellenangabe in der Zeitung …“

„Was dann? Bekomm ich dann Hausbesuch?“

„Das kann ich Ihnen aber leuchten. Dann komm ich persönlich vorbei.“

„Gleich um Neun? Dann können wir Kaffee …“

„Ich denke, das war’s jetzt wirklich, Herr L. Oder?“

Ein „Oder“, das nur wie ein Frage klang. Aber dann machte es hübsch Klack im Hörer. Und wenn L. richtig gehört hatte, war noch ganz kurz ein empörtes Schnauben zu hören gewesen. So richtig empört, weil irgendetwas gesagt worden war, was nicht ins Konzept passte. Was L. auch egal war, weil er nun das Dementi umschreiben konnte. Nur sein etwas nervöser Kollege Ressortleiter bremste ihn ein bisschen: „Lass die Firmennamen lieber weg.“

„Warum denn? Die haben alle Dreck am Stecken!“

„Bis jetzt nicht. Bis jetzt haben sie nur alle Geld in Panama. Aber wir wissen nicht …“

„Was wissen wir nicht? Ob die das zu Unrecht da gebunkert haben?”

„Nein, ob es auch das Gericht so sehen wird. Wir sind hier in Dingsbums ….“

„Sachsen?“

„Könnt ich wohl meinen.“

Also ließ L. die Namen lieber weg, brachte aber eine ganze Reihe munterer Raubtiere im Text unter. Einen ausgefuchsten Immobilienhai, einen schönen Zwischenruf „Gut gebrüllt Löwe!“ – so richtig als faustdickes Lob für eine Staatsanwaltschaft, die mal so richtig durchgriff. Auch den Wolf brachte er unter und das hübsche Bild vom verteilten Bärenfell. Was wohl sogar der Wirklichkeit sehr nahe kam. Nur das Mammut ließ er erst mal weg. Und ärgerte sich. So ist das mit den Fragen, die einem die ganze Zeit im Bauch rumoren. Und wenn man dann den Sprecher der Staatsanwaltschaft am Hörer hat, lässt man sich bequatschen und vergisst die entscheidende Frage zwischenzuschieben.

Ein Blick auf die Uhr.

Aber das hätte er sich sparen können.

Um 18 Uhr erreichte man bei der Staatsanwaltschaft niemanden mehr. Außer den Pförtner. Der zumindest bestätigen konnte, dass der Herr Doktor schon lange außer Haus war. „Mensch, was haben Sie denn für Arbeitszeiten?“

Gute Frage, dachte Herr L. Und versucht das letzte Mal an diesem Tag, die Diva zu erreichen.

Doch diesmal setzte sich die bekannte Liedschleife nicht in Gang.

„Und warum rufst du jetzt erst an, du Mistkerl?“

Die komplette Serie zum Nachlesen.

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