Der 27. Januar 1719 ist eher ein zufälliges Datum, aber auch ein bewusst ausgewähltes. Denn das war der erste Arbeitstag von Bernhard Christoph Breitkopf nach seiner Trauung mit der Druckereibesitzer-Tochter Maria Sophia Müller am 24. Januar 1719 in der Leipziger Nikolaikirche. Für den Musikverlag Breitkopf & Härtel gilt dieser Tag als der Gründungstag des Verlages.

Aus der schon seit 1542 bestehenden Müllerschen Druckerei wurde Verlag und Druckerei Breitkopf. Und wer die ganze Geschichte des bis heute bestehenden Musikverlages lesen möchte, kann das jetzt tun.

Die anlässlich des 300-jährigen Verlagsjubiläums erschienene Chronik – herausgegeben von Verlagslektor Thomas Frenzel – lässt die außergewöhnliche Erfolgsgeschichte, charakterisiert durch zahlreiche Pionierleistungen und anekdotische Begebenheiten, lebendig werden. Am 18. Oktober wurde das frisch erschienene Werk mit seinen 504 Seiten im Gewandhaus vorgestellt und ist seitdem auch im Handel erhältlich.

Thomas Frenzel, geboren 1957, studierte Musikwissenschaft in Leipzig und war Dramaturg an der Oper Leipzig (1990–1992), Lektor für Musikbuch und/oder wissenschaftliche Gesamtausgaben an Musikverlagen in Leipzig (Deutscher Verlag für Musik 1986–1990), Mainz (Schott Music 1992–2004) und Wiesbaden/Leipzig (Breitkopf & Härtel 2008ff.) sowie Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Johann-Sebastian-Bach-Institut Göttingen und beim Göttinger Bach-Katalog (2005–2008). Seit 1980 ist er als Autor und Herausgeber tätig.

Die Entstehung der gesamten Musikverlagsbranche sowie die Entwicklung Leipzigs zur Musikstadt und zum „Mittelpunkt des Weltbuchhandels“ wird in diesem Jubiläumsbuch ebenso illustriert wie die Tatsache, dass Breitkopf & Härtel wesentlich zu beidem beigetragen hat. Historische Bild- und Textdokumente, Aufsätze zur thematischen Vertiefung sowie Anekdoten zeichnen ein abwechslungsreiches Bild von dem Unternehmen: Es steht u.a. für die Erfindung des Notentypendrucks, die ersten postumen Drucke der Werke Johann Sebastian Bachs, die Veröffentlichung der ersten Gedichte Goethes. Außerdem verfügte Breitkopf & Härtel zeitweise über den größten verlagseigenen Druckereibetrieb weltweit, brachte die ersten Musikalienkataloge mit Werkincipits auf den Markt und bildete zahlreiche Verleger wie C. F. Peters, Giovanni Ricordi und Ernst Rowohlt aus.

Der einstige Buchdruck-Maschinensaal von Breitkopf & Härtel in der Nürnberger Straße. Foto: Breitkopf & Härtel
Der einstige Buchdruck-Maschinensaal von Breitkopf & Härtel in der Nürnberger Straße. Foto: Breitkopf & Härtel

Das 1719 in Leipzig von Bernhard Christoph Breitkopf gegründete Unternehmen, basierend auf einer kleinen Druckerei aus dem Jahre 1542, etablierte sich schnell zu einem Fachverlag für schöngeistige und wissenschaftliche Literatur. Dem erstaunlichen Erstwerk, einer hebräischen Bibel (1725), folgten Johann Christoph Gottscheds wichtige theoretische Schriften und Zeitschriften sowie Schemellis Musicalisches Gesang-Buch (1736). Der von Johann Gottlob Immanuel Breitkopf 1755 entwickelte Notentypendruck mit beweglichen Lettern revolutionierte die bisherige Notendrucktechnik und legte damit den Grundstein für den Musikverlag.

So setzte der Verlag Maßstäbe mit der ersten wissenschaftlichen Gesamtausgabe der Werke von Johann Sebastian Bach sowie den Gesamtausgaben u.a. von J. Haydn, W.A. Mozart, L.v. Beethoven, F. Schubert, R. Schumann, J. Brahms, F. Mendelssohn Bartholdy (1997), J. Sibelius (1998) und H. Eisler (2002). Mit der 1798 gegründeten „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ prägte der Verlag den Kanon der Wiener Klassik. Als einer der ersten Klavierbauer in Leipzig produzierte das Unternehmen von 1806–1872 Instrumente, von denen u. a. Clara Schumann, Felix Mendelssohn Bartholdy und Franz Liszt schwärmten.

Zu seiner Blütezeit Anfang des 20. Jahrhunderts waren knapp 1.000 Mitarbeiter bei Breitkopf & Härtel angestellt. Das neue Verlagshaus in der Nürnbergerstraße verfügte über einen der weltweit größten und modernsten Buchdruck-Maschinensaal der Welt (1880 m2). Auch in den Niederlassungen in Brüssel, London und New York florierte das Geschäft.

Die noch heute lieferbaren Titel der Orchester- und Kammermusikbibliothek gleichen einem Streifzug durch die Epochen. Viele Standardwerke liegen in „Breitkopf Urtext“-Neuausgaben vor. Hinzu kommen die Schwerpunkte „Neue Musik“ „Soloinstrumente“, „Pädagogik“, „Musikwissenschaft“, „Musiktheater“ und „Imprints“.

Die einstige Buchbinderei von Breitkopf & Härtel. Foto: Breitkopf & Härtel
Die einstige Buchbinderei von Breitkopf & Härtel. Foto: Breitkopf & Härtel

Auf fast 200 Jahre Zusammenarbeit blicken dabei der älteste Musikverlag der Welt und das älteste bürgerliche Orchester der Welt, das Gewandhausorchester. Zur Präsentation der Chronik am Freitag, 18. Oktober, im Gewandhaus verdeutlichten Gewandhausdirektor Prof. Andreas Schulz und Verlagsleiter Nick Pfefferkorn die gemeinsame historische Bedeutung beider Leipziger Protagonisten.

„In der Entwicklung Leipzigs als Musikstadt spielen Breitkopf & Härtel als Uraufführungsverlag und das Gewandhausorchester als Uraufführungsorchester seit jeher eine essenzielle Rolle. Wir schauen heute auf eine in der Musikwelt einzigartige historische Verbindung, die einen großartigen Rahmen für die Präsentation der Chronik zum 300. Verlagsjubiläum bildet“, so Prof. Andreas Schulz. Uraufgeführt wurden im Gewandhaus zum Beispiel Beethovens Tripelkonzert op. 56 (1808), Schuberts Große Sinfonie C-Dur (1839), Mendelssohns Violinkonzert op. 64 (1845) und andere mehr.

Zudem erfuhren die Konzerte und Werke durch Rezensionen in der ersten deutschen Musikzeitschrift, der von Gottfried Christoph Härtel 1789 gegründeten „Allgemeinen musikalischen Zeitung“, große Aufmerksamkeit weit über die Stadtgrenzen hinaus. Die Verleger waren u. a. Mitglied der Direktion des Gewandhauses und Mitbegründer der Bach-Gesellschaft zu Leipzig.

2019 knüpfen der Verlag und das Orchester an erfolgreiche Zeiten an. Den Beginn machte ein Großes Concert am 18. Oktober mit dem Gewandhausorchester unter der Leitung von Gewandhauskapellmeister Andris Nelsons und dem Cellisten Gautier Capuçon. Auf dem Programm standen Werke von Robert Schumann, Felix Mendelssohn Bartholdy und Richard Wagner, die sich alle im Verlagsprogramm befinden. Zu Beginn erklang Gustav Mahlers 2. Satz (Blumine) aus der 1. Sinfonie, gespielt aus der neuen Mahler-Edition von Breitkopf & Härtel. Eine weitere Kooperation folgt zum Mahler-Festival in Leipzig vom 13. bis 24. Mai 2021.

Kulturbürgermeisterin der Stadt Leipzig Dr. Skadi Jennicke sagte am Freitag: „Der Verlag Breitkopf & Härtel hat die Entwicklung Leipzigs zur Musikstadt und die europäische Kulturgeschichte auf außergewöhnliche Weise geprägt: Er ist der älteste Musikverlag der Welt. Der Verlag publizierte die erste wissenschaftliche Gesamtausgabe der Werke von Johann Sebastian Bach sowie Gesamtausgaben etwa von Felix Mendelssohn Bartholdy und Hanns Eisler. Ich bin stolz und dankbar, dass sich der Verlag seit 2017 mit einer Außenstelle wieder am Gründungsort Leipzig befindet. Ich gratuliere voller Hochachtung zum 300-jährigen Gründungsjubiläum!“

Verlagsleiter Nick Pfefferkorn: „Der international geschätzte Verlag mit seinen wertvollen Archivbeständen, einer Backlist von 25.000 lieferbaren Titeln und seiner bedeutenden europäischen Kulturgeschichte sucht seinesgleichen. Mit der Chronik heben wir einen Schatz, der uns Ansporn zur Fortführung dieser Tradition liefert und gleichzeitig Energie für neue Wege freisetzt – getreu unserem richtungsweisenden Leitmotiv First in music.“

Zu den aktuellen herausragenden Projekten bei Breitkopf & Härtel zählen die Edition sämtlicher Sinfonien von Gustav Mahler und die neue Reihe „Breitkopf Originals“ – Kostbarkeiten des Verlagsprogramms, vorrangig im Bereich Kammermusik, sind als hochwertige und originalgetreue Reprintausgaben erhältlich.

„Breitkopf & Härtel: 300 Jahre europäische Musik- und Kulturgeschichte“, herausgegeben und kommentiert von Thomas Frenzel, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2019. Bis zum 31.12.2019 ist die Chronik zum Jubiläumspreis von 78 Euro, ab 01.01.2020 zum Preis von 98 Euro erhältlich.

Eine verwirrende Tafel zum Gründungsort des Verlags mit dem Bären im Signet

Eine verwirrende Tafel zum Gründungsort des Verlags mit dem Bären im Signet

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 1. Oktober 2019): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider (!) nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 450 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar