So fix kann es Mai werden und der nächste Rundgang in den Galerien in der Baumwollspinnerei naht. Der Jubiläumsrundgang. Seit zehn Jahren laden die Galerien in der Spinnerei dazu ein. Immer wieder sind sie von Ausstellungen geprägt, die auch den Besucher staunen lassen, der regelmäßig dabei ist. Diesmal präsentiert die Leipzig School Of Design eine neue Ausstellung des ungewöhnlichen Leipziger Fotografen Olaf Martens.

Ab dem 1. Mai, dem ersten Tag des großen Frühlingsrundgangs in der Spinnerei, zeigt die Ausstellung im “Spinnerei archiv massiv” Martens’ neuestes Foto-Projekt in der Ausstellung „Spilt Milk“ – zu deutsch: verschüttete Milch. Es sind zahlreiche klein- und großformatige Fotografien, die im Rahmen eines Workshops mit Schülern der Leipzig School Of Design entstanden.

Aber zur Motiv-Wahl wird es dann, wie man es bei Martens kennt, zutiefst lyrisch und gedankenreich. Denn kein Thema beschäftigt den einstigen HGB-Meisterschüler so wie die (künstliche) Inszenierung unserer Welt. Sieht man tatsächlich, was vor sich geht? Oder wird der Betrachter Teil einer teuren Camouflage, hinter der die realen Vorgänge einfach verschwinden? Unsichtbar gemacht werden dadurch, dass völlig belanglose, geglättete Schönheit den Vordergrund völlig ausfüllt? Immerhin eine Inszenierung, die Martens immer wieder mit neuer Lust am Detail vornimmt.

Olaf Martens wurde 1963 in Halle geboren und machte eine Lehre als Bauzeichner, bevor er von 1985 -1990 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig Fotografie studiert hat. Nach Abschluss des Meisterstudiums arbeitet er seit 1992 als freischaffender Fotograf in den Bereichen Mode, Porträt und Reportage. Er fotografierte PR und Werbekampagnen für zahlreiche internationale Auftraggeber aus Wirtschaft und Kultur und veröffentlichte Fotobeiträge in renommierten Zeitschriften wie Spiegel, Art oder GEO. Daneben arbeitet Martens stets an eigenen, freien Projekten. Seit 2006 unterrichtet er als Dozent an der EFTI – Fotoschule Madrid. Seine Fotografien sind eigenständige Werke, die die Grenzen zwischen Werbe- und Kunstfotografie, zwischen angewandter und freier Kunst aufheben.

Und nun also die alte, immer neue Frage:

Was geschah zuvor? Was kann später – aus dem bereits durch Geschichte Durchgeformten – noch entstehen?

“Verschüttete Milch” – das neueste Projekt des Leipziger Fotografen Olaf Martens ist ein Synonym für die Vergeblichkeit des Versuchs einer durch und durch künstlichen Welt, durch Natürlichkeit zu entkommen. Oder ist es der Versuch einer übermächtig angeblich “natürlichen” Welt, durch forcierte Künstlichkeit zu entkommen? Dieses “Echte” irgendwo hinter der Maske noch zu entdecken – vom Fake zu unterscheiden – vielleicht sogar zu erschaffen, bleibt ein Traum. Was ist echter? Was ist schöner? Das natürliche Gesicht oder das künstliche Abbild? Jeden Augenblick vernichtet die Digitalisierungsmaschine Gesichter. Handgefertigte Requisiten, aufwendig inszeniert und kunstvoll abgelichtet werden zu Bildern mit modernen Köpfen. Eins mit der Kopie, dem Klon, dem maschinellen Abbild und deshalb vielleicht: unschuldig, unbrauchbar, vieldeutig und neu – wie verschüttete Milch. Nicht von dieser Welt. Nicht für diese Welt. Etwas geschah zuvor. Was?

Und nicht nur Olaf Martens hatte seinen Spaß, als er die Bilder im Rahmen eines Workshops mit Schülern der Leipzig School Of Design inszenierte.

Olaf Martens nutzte dabei auch das kreative Potential der Mode- und Designklasse, um seine sinnlichen, unkonventionellen und sehr aufwendigen Bildideen umzusetzen.

In „Spilt Milk“ wirft Martens einen Blick nach vorn in die Vergangenheit. Im fantasievollen und gekonnt inszenierten Spiel mit Masken und Uniformen hinterfragt er Wertvorstellungen des Zeitgeistes.

Als Schauplätze für das Fotoshooting dienten diverse Räume der Leipziger Baumwollspinnerei wie Kino, Konferenzraum und Kellergänge der Halle 14. Auf das Spinnereigelände kehren die Fotografien anlässlich des 10-jährigen Jubiläumsrundgangs der Galerien zurück und werden erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Die Ausstellung wird in der Publikationsreihe „bildarchive“ dokumentiert.

“Spilt Milk”, Olaf Martens Ausstellung in der Leipziger Baumwollspinnerei vom 1. Mai bis 5. September 2015. Eröffnung am Freitag, 1. Mai 2015, 11 Uhr im Spinnerei archiv massiv (Spinnereistrasse 7/Halle 20 A).

Ausstellungszeiten während des Rundgangs (1. und 2. Mai 2015): 11 bis 20 Uhr.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar