Das Jahr 2018 ist Geschichte, auch für das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig. Am Mittwoch, 30. Januar, zog Museumsdirektor Dr. Volker Rodekamp Bilanz für das vergangene Jahr. Das Stadtgeschichtliche Museum kann mit 468.415 Gästen für das Jahr 2018 eine insgesamt positive Bilanz ziehen. Erfreulich sei, so Rodekamp, dass sich die Umgestaltung der Ausstellung im Museum zum Arabischen Coffe Baum im Vorjahr nachhaltig ausgewirkt hat.

Die Besucherzahl lag nicht ganz bei den 2017 gezählten 497.379 Besuchern. Höchstwahrscheinlich auch angelockt durch Lutherjahr und Evangelischen Kirchentag, denn das Alte Rathaus hat ja auch einen eigenen Ausstellungsraum zur Reformation.

2018 gab es kein solch besucherträchtiges Jubiläum, schon gar nicht so wie 2013, als der 200. Jahrestag der Völkerschlacht sogar 561.196 Besucher in die Ausstellungen des Stadtgeschichtlichen Museums und aufs Völkerschlachtdenkmal zog. Es sind eben oft besucherstarke Jubiläen und die richtigen Ausstellungsangebote, die für mehr Zuspruch sorgen.

Aber solche Ausstellungen muss man mit den durchaus beschränkten Mitteln des Leipziger Stadtmuseums erst einmal stemmen. Umsetzen muss es eine durchaus überschaubare Zahl von Kuratorinnen und Kuratoren, die sich in der Regel schon Jahre zuvor auf eine solche Sonderausstellung vorbereiten, wenn sie nicht gar gleichzeitig in die Neukonzeption von Ausstellungsräumen eingespannt sind.

Fassadenputz am Alten Rathaus im Mai 2018. Foto: Marko Hofmann
Fassadenputz am Alten Rathaus im Mai 2018. Foto: Marko Hofmann

2018 war ja diese Renovierung auch äußerlich zu sehen: Monatelang war das Alte Rathaus eingepackt, weil der Stadtrat endlich Geld für die Fassadensanierung bereitgestellt hat. Und auch drinnen im Haus in der ständigen Ausstellung gab es einige Erneuerungen, die den modernen Anspruch, Stadtgeschichte zu vermitteln, umzusetzen versuchen.

Dazu gehörten die neu gestalteten Ausstellungskabinette „Der wahre Bach“ und „Der verlorene Sohn Richard Wagner“. Das berühmteste aller Bachporträts wurde ja dafür mit Hilfe der Lottergesellschaft restauriert und verlor endlich die seit Jahrzehnten beklagte Patina, die das Bild so verschwommen hatte aussehen lassen, auch wenn nicht alle Restaurierungsfehler der Vergangenheit beseitigt werden konnten.

Auch Teile der Ausstellung im „Fenster in die Vorzeit“ als Prolog zur Stadtgeschichte wurden neu gestaltet. Immerhin haben die sächsischen Archäologen in den letzten Jahren die Leipziger Vor-Geschichte durch eindrucksvolle Funde stark angereichert. Und auch der Ausstellungsteil „Die Stadt im Krieg“ wurde renoviert.

Dafür fehlte auch so manchem Leser der L-IZ die treffende große Sonderausstellung für das Jahr 2018. Etwa eine Würdigung des Revolutionsjahres 1918 im Spiegel der Leipziger Geschichte. Dafür gab es von März bis September den ersten großen Versuch, in einer Ausstellung zu zeigen, wie eine künftige Gestaltung in einem Leipziger Sportmuseum aussehen könnte, um das ja 2018 einige Stadtratsfraktionen beharrlich gekämpft haben. Vielleicht hätten sie sogar mehr erreicht, wenn nicht das Projekt „Naturkundemuseum in der Spinnerei“ so krachend gescheitert wäre. Bleibt Leipzig also auf zwei ungelösten Museumsprojekten sitzen.

Aktuell lockt noch die Ausstellung „Oh Yeah! Popmusik in Deutschland“ ( bis 12. Mai) ins Haus am Böttchergässchen.

Und natürlich ist die Frage: Kommen dann 2019 wenigstens ein paar Ausstellungen, die Leipziger Jubiläen zum Inhalt haben? Das ist tatsächlich so. Das Jubiläum mit dem größten Aufsehen ist ja der 200. Geburtstag von Clara Schumann. Den würdigt auch das Stadtgeschichtliche Museum

Vom 28. August bis zum 17. November zeigt die Ausstellung „Frauenliebe & Leben. Clara Schumann zum 200. Geburtstag“ eine Auswahl der schönsten Exponate aus der Sammlung des Museums, nicht groß, sondern klein und fein im Studio.

Und wenn schon 2018 kein Platz war, Leipzigs besondere Beziehung zum Prager Frühling 1968 zu zeigen (und wohl auch die Objekte dazu rar sind), so wird das Thema in diesem Jahr dennoch etwas anders aufgegriffen: Denn was 1968 wie das Niederwalzen einer Hoffnung war, so folgte schon wenige Jahre später ein Neubeginnen – wieder aus Prag.

Das wird Thema in „Charta Story. Annäherung an die Menschen und die Zeit der Charta 77“, einer Ausstellung der Prager Nationalgalerie, die die Geschehnisse vor 40 Jahren wieder ins Gedächtnis ruft. Es wird die Geschichte des Dichters Ivan Martin Jirous erzählt, der stellvertretend steht für den Spirit der Unterstützer der Charta 77. Eröffnet wird diese Ausstellung im September.

Und wer es nicht weiß, wird zumindest den Atem dieser Zeit spüren und die große Wirkung der „Charta 77“, die auch für die Bürgerrechtsbewegung in der DDR zum Zündfunken wurde, nachdem die Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976 schon sämtliche Illusionen über die Reformfähigkeit der DDR vom Tisch gefegt hatte.

Brühl in Richtung Goethestraße, um 1920, Foto: Hermann Walter
Brühl in Richtung Goethestraße, um 1920, Foto: Hermann Walter

Und im Dezember wird dann der berühmteste aller Leipziger Stadtfotografen gewürdigt: Hermann Walter, dem die Ausstellung „Die gläserne Stadt. Hermann Walter“ gewidmet wird. Die Fotografien des Ateliers Hermann Walter zeigen den Aufbruch Leipzigs zur Großstadt am Ende des 19. Jahrhunderts.

Der Sohn eines Kaufmanns wurde 1828 in Ebeleben bei Sondershausen geboren, machte eine Mechanikerlehre und arbeitete in Pulkowo bei St. Petersburg, bevor er 1862 nach Leipzig kam und eine Werkstadt im Naundörfchen aufmachte. Ab 1870 arbeitete er als Fotograf – vor allem für den Rat der Stadt – weshalb von ihm die meisten Fotografien Leipziger Straßen, Plätze und Gebäude aus jener Zeit existieren, als Leipzig zur Großstadt wurde und sein heutiges Straßenbild erhielt.

Nicht nur das Stadtmuseum greift immer wieder auf seine eindrucksvollen Bilder zurück, die glücklicherweise auch den Zweiten Weltkrieg überstanden, denn es sind alles gläserne Fotoplatten. Etwa 4.000 Stück hat Walters Sohn Karl 1935 dem Stadtgeschichtlichen Museum übergeben. Die Walter-Ausstellung wird bis zum April 2020 gezeigt und könnte für Leipzig-Liebhaber ein regelrechter Pilgerort werden.

Etwas herausfordernder wird die Ausstellung „L’dor v’dor. Von Generation zu Generation. Familie Chamizer aus Leipzig“, zwar nur eine kleine Studioausstellung, die von Juni bis August gezeigt wird. Aber sie zeigt eine besondere und vergessene Geschichte einer jüdischen Leipziger Familie über mehrere Generationen hinweg bis in die Gegenwart der Stadt.

Und ums Sehen geht es bei einer Ausstellung, die einen der großen Maler, der gerade im Museum der bildenden Künste eine große Schau hatte, jetzt auch ins Stadtmuseum holt: „Sighard Gille. Camera obscura“ Der Leipziger Maler Sighard Gille hat das Prinzip der Lochkamera für sich neu entdeckt, es eröffnet ihm neue Ausdrucksformen zur Auseinandersetzung mit einem klassischen Thema – der Stadt. Von Juni bis August wird Gille mit dieser faszinierenden Herangehensweise gezeigt.

Das Jahr 2018 in Zahlen:

Sammlungszugänge im Stadtgeschichtlichen Museum:

– 1.716 Neuerwerbungen aus 56 Schenkungen und 18 Ankäufen (darin auch aus ca. 400 Einzelobjekten bestehende Konvolute), darunter 13 Gemälde, 7 Grafiken, ca. 850 Fotografien, ca. 500 Dokumente und Autographe

-darunter Mendelssohn-Autographe – zwölf größtenteils unbekannte Briefe von Felix Mendelssohn Bartholdy sowie zwei Briefe aus dem Mendelssohn-Umfeld. Zeitgleich erhielt das Museum weitere zwölf Mendelssohn-Briefe sowie einen Brief seiner Frau Cecile als Dauerleihgabe von dem Sammler Dr. Karl-Ludwig Elvers, seit Jahren großzügiger Unterstützer des Museums

– Komplettausgabe der Leipziger Sportgeschichte, V.f.B. Mitteilungen. Monatsblatt des Vereins für Bewegungsspiele zu Leipzig e.V. mit 31 Jahrgängen in 360 Einzelheften der Jahre 1911 bis 1941, eine wahre Fundgrube für Sporthistoriker und -statistiker

– Kofferset aus dem Hause Mädler. Die Koffer- und Lederwaren-Fabrik von Moritz Mädler, seit 1886 mit Fabrik in Leipzig-Lindenau, war lange ein Unternehmen von Weltruf. Der Reisekoffer enthält Kosmetikkoffer mit versilberten Flakons, Dosen und Bürsten aus der Erstausstattung, ein seltener und wertvoller Alltagsgegenstand

– Konvolut zu jüdischen Leipziger Familien, übergeben von Dr. Andrea Lorz, 300 Dokumente und Fotografien von jüdischen Familien, darunter einige Familienunterlagen von Moritz und Albert Held, ehemalige Eigentümer des bekannten Kaufhauses Held in Leipzig-Lindenau

Was restauriert werden konnte

Für die Erhaltung und Sicherung der Sammlungen werden spezialisierte Restauratoren benötigt. Der Bedarf an Restaurierungen ist weitaus größer als finanzielle Mittel dafür zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund ist das Museum hier in besonderer Weise auf Förder- und Drittmittel sowie private Spender/-innen angewiesen.

– Zu den wertvollsten Objekten gehört das Porträt Johann Sebastian Bach von Elias Gottlob Haussmann von 1746.

– Ebenso das Porträt „Johannes Bugenhagen“ von Lucas Cranach dem Jüngeren aus dem Jahr 1579 konnte als Jahresprojekt 2018 der Hieronymus-Lotter-Gesellschaft, Förderverein des Stadtgeschichtlichen Museums, erfolgreich restauriert werden.

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