Seit Freitag, 20. August, gibt es im Leipziger Osten, in der Torgauer Straße 80, ein besonderes Kunstprojekt zu erleben, das nicht nur moderne Technologien nutzt, sondern auch gleich die Dramatik unserer Gegenwart erlebbar macht: „Eis im Bauch“, eine drei-Kanal-Video-Installation mit 3D-Sound im ZiMMT, ausgeschrieben: Zentrum für immersive Medienkunst, Musik und Technologie.

Denn man kann natürlich all unsere digitalen Technologien zu allem Möglichen benutzen. Aber eigentlich eignen sie sich am allerbesten für die künstlerische Inszenierung der Welt. In diesem Fall so, dass wir beim Betreten des Raumes konfrontiert werden mit dem, was wir gerade an Schönheit und Stille in der Welt verlieren.

Was erlebt man in „Eis im Bauch“?

Die Temperatur auf der Welt steigt an, die Gletscher schmelzen – der Mensch isst genüsslich sein Eis. Mit „Eis im Bauch“ wird ein künstlerisches Zeichen zur Klimaveränderung gesetzt. Mit ihrer Arbeit möchten die Künstler/-innen zum kritischen Hinterfragen von Konsum anregen.

Dafür komponieren sie verschiedene visuelle und auditive Inhalte in ästhetischer und technologischer Art und Weise um Rezipient/-innen in die Thematik eintauchen zu lassen und sie über eine immersive, audiovisuelle Ebene zu erreichen. Die drei-Kanal-Video-Installation mit 3D-Sound wird erstmals seit Freitag, 20. August, in den Räumen des ZiMMT in Leipzig gezeigt.

Durch die Anordnung von drei Screens und 32 Lautsprechern wird ein immersiver Raum geschaffen. Neue Medientechnologien, wie 3D Audio in Verbindung mit Multikanal Produktionssystemen (…) „ermöglicht einen hervorgerufenen Effekt, der das Bewusstsein des Nutzers, illusorischen Stimuli ausgesetzt zu sein, so weit in den Hintergrund treten lässt, dass die virtuelle Umgebung als real empfunden wird“.

Eis im Bauch. Plakat: ZiIMMT
Eis im Bauch. Plakat: ZiIMMT

Immersive Medientechnologien haben nicht nur im Film und im Gaming-Bereich festen Fuß gefasst, sondern werden maßgeblich durch künstlerische Konzepte und Ideen erprobt und weiterentwickelt. Das in der Torgauer Straße 80 in einer ehemaligen Fabrikhalle heimische ZiMMT hat sich auf genau diese Rolle von Kunst und Kunstvermittlung spezialisiert.

Die 3-Kanal Video Installation zeigt eindrucksvolle Aufnahmen von Eisformationen, Gletschern, Wasser, Schnee, massiven Eisbergen, Gletscherwasser in verschiedenen Farben und Zuständen und romantisiert damit fast schon die Schönheit von Natur. Es schwimmt, fließt, bricht, gleitet, knackst und raunt.

Doch dann folgt der abrupte Bruch: Eine Frau, die ein Eis „schleckt“, im Close-Up … Verschiedene Lutsch-, Schmatz- und Leckgeräusche sind räumlich komponiert und kulminieren zusammen mit den Gletscheraufnahmen in eine rhythmische Soundformation.

Die Besucher/-innen sind visuell und auditiv komplett eingehüllt und die geschaffene Kulisse und Atmosphäre lässt durch langsame, gleitende Übergänge genügend Zeit tief einzutauchen. Räumliches Hören, Sehen und Erleben bereiten ungewohnte, intensive Eindrücke.

So kann eine Vielzahl von Assoziationen geweckt werden. Besucher/-innen können sich frei im Raum bewegen und die Kulisse aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Die Installation läuft als geschlossener Loop, ohne erkenntlichen Anfang oder Ende. Ein Zyklus dauert dabei rund 20 Minuten.

Die Schöpfer der Eis-Welt

Felix Deufel ist Soundkünstler und spezialisiert im Bereich 3D Audio Aufnahme, Produktion und System Design. Neben eigenen künstlerischen Arbeiten, wie Installationen und Kompositionen realisiert Felix Deufel beauftragte Arbeiten für Künstler/-innen, Agenturen oder Institutionen im Bereich 3D Audio. Deufel ist Gründer der Not a Number GmbH und Initiator des ZiMMT.

Seit 2013 beschäftigt Deufel sich intensiv mit natürlicher Stille und bereist im Rahmen seines Langzeit Projektes entlegene Orte, welche bisher noch weitgehend unberührt vom Einfluss des Menschen existieren. An diesen Orten macht der Künstler Aufnahmen, mit räumlichen Mikrofonierungsverfahren und Sensoren, um ein Archiv an Soundscapes der natürlichen Stille aufzubauen und diese erfahrbar zu machen und zu konservieren.

Helga Hagen ist Medienkünstlerin. Sie ist Mitglied der Intermedia Klasse von Alba D‘Urbano an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und lebt und arbeitet in der Nähe von Bonn, wo sie den gemeinnützigen Verein K56 – Raum für Kunst betreiben. Ihre Arbeiten sind überwiegend kurze experimentelle Videos, in denen teils dokumentarisch, teils fiktiv meist biographisch und gesellschaftlich relevante Themen behandelt werden. Durch Bildmanipulation und Zusammenarbeit mit Audiokünstler/-innen wird auf eine prägnante, oft auch penetrante Art und Weise eine Geschichte erzählt.

Daniel Wilmers ist Informatiker und Fotograf. In seiner Tätigkeit als Fotograf spielt er mit der Beobachtung und lotet Grenzen der Wahrnehmung aus. Dabei begleitet er beispielsweise Schauspieler, Kulturschaffende und auch technologiebasierte Festivals. 2019 hat er den Klimawandel in Patagonien hautnah erlebt und in umfangreichen Bildern und Videos dokumentiert.

Perito-Moreno-Glacier in Patagonien. Foto: Daniel Wilmers
Perito-Moreno-Glacier in Patagonien. Foto: Daniel Wilmers

In Patagonien, einer Region in Südamerika, gibt es noch große Gletscherregionen, bspw. den sehr bekannt gewordenen Perito-Moreno-Gletscher. Dieser ist ein Auslassgletscher des Campo de Hielo Sur, des größten Gletschergebietes der südamerikanischen Anden und nach der Antarktis und Grönland die drittgrößte zusammenhängende Eisfläche der Welt. Dieses schmilzt in einem atemberaubenden Tempo. Die Ursache sehen Forscher in der Klimaerwärmung.

Das Projekt wird gefördert von Neu Start Kultur.

„Eis im Bauch“ ist vom 20. bis 27. August im ZiMMT in der Torgauer Straße 80 jeweils 19 bis 21 Uhr zu erleben.

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