Natürlich wäre es ein Paukenschlag gewesen, hätte es Yadegar Asisi geschafft, sein New-York-Panorama genau zum 20. Jahrestag des Anschlags auf die Zwillingstürme des World Trade Centers zu eröffnen. Denn der überstürzte Abzug aus Afghanistan macht ja gerade richtig deutlich, welche Fehler damals gemacht wurden. Wut und Zorn sind auch in der Politik ganz schlechte Ratgeber. Aber zumindest steht jetzt der Eröffnungstermin für das neue Riesenpanorama fest.

Die Panometer GmbH selbst schildert den Ansatz des neuen Rundbildes so:„Mit NEW YORK 9/11 beschäftigt sich Yadegar Asisi mit einem der wahrscheinlich prägendsten Momente der neueren Zeitgeschichte. Er selbst konnte 2001 als einer der wenigen Menschen direkt nach dem Anschlag ‚Ground Zero‘ betreten. Für den Architekturwettbewerb des neuen World Trade Centers entwickelte der Künstler für den späteren Sieger-Entwurf von Daniel Libeskind ein Panorama, das den Blick aus dem gigantischen Loch der einstigen Türme heraus zeigt und spürte das Ausmaß der Zerstörung direkt vor Ort.

Ihm war damals jedoch noch nicht bewusst, dass all dies eine gewaltige ikonische Szenerie erschuf, deren Ausmaß dazu geeignet war, praktisch alles im Namen von Vergeltung, Schutz, Recht oder Identität und Freiheit in Gang zu setzen. Die Angriffe auf das World Trade Center in New York und die daraus resultierenden Kriege, die ganze Erdteile in ein nicht enden wollendes Chaos stürzten und die Konfliktlinien zwischen Kulturen und Religionen verstärken, sind ein wesentlicher Teil unserer Gegenwart und zentrales Thema von Panorama und begleitender Ausstellung.“

Doch aus gutem Grund hat Asisi weder den Moment gestaltet, in dem die Flugzeuge auf die Türme krachten, noch die dramatischen Ereignisse danach. Indem er in die Minuten vor dem Anschlag geht, zeigt er, was der Welt tatsächlich verloren ging. Und wie sie damit dem Eskalationsdenken der Terroristen regelrecht auf den Leim ging.

„Das Panorama bildet nicht die tragischen Ereignisse des Terroranschlags auf das World Trade Center selbst ab, sondern präsentiert die Silhouette von Manhattan mit den weltbekannten Twin Towers unmittelbar vor den Terrorangriffen. Gezeigt wird ein typischer Morgen im Großstadt-Rhythmus der multikulturellen Metropole New York: Menschen jeglicher Herkunft eilen in ihre Büros, warten vor den Takeaways und strömen in Massen aus den U-Bahn-Ausgängen. In Verbindung mit strahlendem Sonnenschein und dem klaren Himmel des beginnenden Herbsttages entsteht so eine bunte, geschäftige und dennoch unwirklich friedliche Szenerie“, schildert die Panometer GmbH den künstlerischen Ansatz.

„Im Kontrast hierzu führt der Weg in das Panorama durch die Folgen dieses Schicksalstages und zeigt die globalen Auswirkungen der Ereignisse und das vielfach vergrößerte menschliche Leid in den Nachwirkungen der Katastrophe. Asisi widmet sich hier den Fragen: ‚Welche Reaktionen und Antworten haben wir auf Gewalt?‘ und ‚Welche der heutigen Ereignisse verbinden wir noch mit 9/11 und wie sehr greifen diese Auswirkungen in unser Leben ein?‘“

Und eigentlich steckt auch die dritte Frage drin: Wann korrigieren wenigstens die friedliebenden Staaten ihre Denkweise über den Umgang mit Terror und den Ländern, in denen US-Präsident George W. Bush die „Mächte des Bösen“ am Werke sah?

Denn wenn die Reaktionen auf den Anschlag etwas bewiesen haben, dann die den Drahtziehern der Anschläge sehr wohlbekannte Tatsache, dass Gewalt immer nur neue Gewalt gebiert und nur immer neue radikalisierte Gruppen erzeugt, die sich ihre Legitimation dadurch zu schaffen versuchen, dass sie noch brutaler als ihre Vorgänger sind.

Eröffnet wird die neue Ausstellung rund um das Panorama der amerikanischen Metropole kurz vor ihrem prägendsten Moment der Zeitgeschichte am 12. März 2022 im Panometer Leipzig.

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