Noch sieht er richtig langweilig aus, der über 120 Meter lange Bauzaun, hinter dem die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) direkt am Wintergarten-Hochhaus ihren neuen Unternehmenssitz hoch zieht. Doch ab Montag wird die schier endlose Holzwand nicht wiederzuerkennen sein und sich zur wahrscheinlich längsten Streetart-Gallerie der Stadt verwandelt haben.

Bereits am vergangenen Wochenende haben sich dafür 60 junge Graffiti-Künstler – von Anfänger bis Profi – im Garten des Jugendhaus e.V. getroffen und 90 mannshohe Holzplatten mit ihren Bildern besprüht. Eine Jury wählte anschließend 62 dieser Platten aus, die insgesamt 44 Bilder ergeben. Diese werden demnächst das 80 Meter lange Teilstück des Bauzauns entlang der Wintergartenstraße zieren.

Für das verbleibende 44 Meter lange Stück, das vom Georgiring aus zu sehen ist, haben sich die Veranstalter LWB, Jugendhaus e.V. und Eduventis e.V. ein besonderes “Finale” ausgedacht. Dort werden am Montag live die Sprühdosen geschwungen. Die vier Besten des vergangenen Wochenendes und sieben erfahrene Streetart-Profis setzen dann ein gemeinsames Konzept um. Wie das genau aussehen wird, wollten die Veranstalter im Vorfeld noch nicht verraten.
Der künstlerische Anspruch ist jedoch, “dass auch Leute, die Streetart nicht kennen, die Wand kapieren können.”, erklärte Marcell Heinrich vom Eduventis e.V. gegenüber L-IZ.de. So viel ließ er allerdings durchblicken: Das Kunstwerk wird einen Leipzig-Bezug haben und Zitate von Leipziger Bürgern beinhalten. Dazu düst am Montag ein Bote durch die City und sammelt verschiedene O-Töne ein, die dann den Weg auf die Wand finden werden.

Das Ziel des ganzen Tuns erschöpft sich jedoch nicht allein darin, zur Grundsteinlegung des neuen LWB-Baus am 20. Juni eine hübsch gestaltete Wand vorzuweisen. Vielmehr steckt ein handfestes pädagogisches Ansinnen hinter dem Projekt. Bereits seit Oktober 2009 werden “Streetart-Open-Air-Galleries” durchgeführt, bis dato sieben Stück. Bisher fanden sich die Bilder ausschließlich an nicht sanierten Wohnhäusern im Leipziger Süden wieder. “Wir wollen Sprayern einen Raum schaffen, damit sie aus der Illegalität treten können und Zeit zum Gestalten haben.”, erklärt LWB-Sozialmanager Jens Eßbach das Hauptanliegen.
Die diesjährige Gallerie setzt noch einmal ganz neue Maßstäbe. Erstmals können die Teilnehmer ihre Werke mitten im Herzen der Stadt präsentieren, und das völlig legal. Zudem sieht Marcell Heinrich in der am Montag anstehenden Aktion einen ganz besonderen pädagogischen Wert: “Die Profi-Künstler sind Vorbilder dafür, aus ihrer Leidenschaft für Streetart einen Beruf gemacht zu haben.”, sei es durch Auftragsarbeiten, den Handel mit Farbdosen oder die Tätigkeit im Tattoo-Studio. Diese Botschaft soll den Jugendliche auf ihrem Weg in die Erwachsenenwelt ständige Motivation sein.

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