Am 30. Mai 1968 wurde die Kirche St. Pauli am Leipziger Augustusplatz auf Beschluss der SED-Bezirksleitung gesprengt. Die Details der Räumungsaktion vor der Sprengung geben bis heute Rätsel auf. Im Auftrag des Stadtarchivs hat sich der junge Historiker Friedemann Meißner nun einiger offener Fragen angenommen, die er in einem Vortrag am Donnerstag, 17. September, erläutern wird.

Insbesondere ist nicht geklärt, wohin die zahlreichen Gebeine verschwunden sind, die unterhalb der Paulinerkirche lagerten. Mit der Sprengung ging der Stadt nicht nur ein mittelalterlicher Kirchenbau verloren, sondern auch eine bedeutende Memorialstätte. Im Laufe der über 800-jährigen Geschichte war St. Pauli nahezu durchweg als Grablege zahlloser Bestattungen genutzt worden.

Hier ließen sich die Leipziger Professoren bestatten, hatten reiche Bürger ihre Erbbegräbnisse. Und die Bestattungen müssen eine Fundgrube an Grabbeigaben gewesen sein, ein kostbarer Schatz für die Forschung – aber dazu kam es ja nie. Einige Berichte aus der makabren Beräumungsaktion deuten darauf hin, dass sich der Staat die gefundenen Kleinode aneignete und in dunklen Kanälen verschwinden ließ.

Von den Gebeinen fehlt bis heute jede Spur. Anlässlich einer Ratsanfrage hat Friedemann Meißner die erhaltenen Aktenstücke nun noch einmal eingesehen, durch bislang ungesichtete Archivalien ergänzt und mit den Aussagen von Zeitzeugen abgeglichen. Die Ergebnisse dieser Recherchen sollen nun der Öffentlichkeit präsentiert und diskutiert werden.

Friedemann Meißner studierte Geschichte und Archäologie in Halle und Erlangen und arbeitet derzeit an einer Dissertation zum Thema „Stadt und Kirche in Delitzsch im 15. Jahrhundert“ am Lehrstuhl für sächsische Landesgeschichte der Universität Leipzig.

Der Vortrag „Er lag ungefähr bekleidet wie Luther … – Überlegungen zum Verbleib der Gebeine aus der Paulinerkirche“ beginnt am Donnerstag, 17. September, um 18 Uhr im Wustmann-Saal des Stadtarchivs.

Pandemiebedingt ist die Anzahl der Plätze begrenzt und eine Voranmeldung zwingend erforderlich. Dies ist möglich unter Angabe von Name und Telefonnummer an stadtarchiv@leipzig.de. Die erhobenen Daten werden nach Ende der Aufbewahrungsfrist gelöscht.

Innerhalb des Gebäudes sind die Abstands- und Hygiene-Bestimmungen sowie die entsprechenden Hinweise der Mitarbeiter zu achten. Es gilt die Maskenpflicht.

Das Stadtarchiv (Alte Messe, Straße des 18. Oktober 42) hat montags von 12 bis 18 Uhr geöffnet sowie dienstags bis donnerstags jeweils von 9 bis 18 Uhr. Benutzer melden sich bitte unter stadtarchiv@leipzig.de an.

Der Protest gegen die Sprengung der Universitätskirche, die Folgen und der berechenbare Untergang der DDR

Der Protest gegen die Sprengung der Universitätskirche, die Folgen und der berechenbare Untergang der DDR

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar