Im Bayreuth reüssierte Semyon Bychkov diesen Sommer mit „Parsifal“. Knapp zwei Wochen nach dem letzten Vorhang stand der Chef der Tschechischen Philharmonie am Donnerstag in Leipzig am Pult. Mit dem Gewandhausorchester brachte der 65-Jährige Werke von Glanert, Sibelius und Dvorak zur Aufführung.

Detlev Glanert zählt zu jenen zeitgenössischen Komponisten, deren Werke auch innerhalb der konservativen Hörerschaft Zuspruch finden. In „Weites Land“ setzt sich der 58-Jährige mit den Anfangstakten der 4. Sinfonie von Johannes Brahms auseinander. Dramatische Melodien, lyrisch-verträumte Einwürfe und Schattierungen durch die Violinen und berstende Ausbrüche aus Rhythmus und Form mit Holz, Blech und der Solo-Pauke sind die Charakteristika der Komposition.

Dass Glanert bei allen Variationen und Übermalungen sich sauber an Formen und Motiven festhält, ist die Reminiszenz an den großen Sinfoniker, dem er das Werk im Untertitel („Musik mit Brahms“) zugeeignet hat. Dem Gewandhauspublikum gefiel der Elfminüter. Glanert erhielt lauten Applaus.

Weitaus sentimentaler klingt das Violinkonzert des Finnen Jean Sibelius (1865-1957). Bychkov hatte die Urfassung aus dem Jahr 1903 auf den Spielplan gesetzt, die sich erstaunlicherweise erst Anfang der 1990er im Konzertrepertoire durchsetzen konnte, was dem Engagement großer Solisten wie Leonidas Kavakos zu verdanken war, die das Werk in dieser Version in ihr Repertoire aufnahmen.

Als Solistin hatte das Gewandhaus ursprünglich Janine Jansen verpflichtet. Nachdem die bekannte Virtuosin aus gesundheitlichen Gründen absagte, sprang der junge Wiener Emmanuel Tjeknavorian ein. Der 23-Jährige, der als eines der größten Nachwuchstalente seiner Zunft gilt, zog 2015 beim Internationalen Jean-Sibelius-Violinwettbewerb die Aufmerksamkeit der Fachwelt mit der besten Interpretation des Sibelius-Violinkonzerts auf sich.

Violinist Emmanuel Tjeknavorian. Foto: Alexander Böhm
Violinist Emmanuel Tjeknavorian interpretierte das Violinkonzert von Jean Sibelius. Foto: Alexander Böhm

In Leipzig brauchte Tjeknavorian nur wenige Takte, um das Publikum mit dem betörenden Klang seiner Stradivari für sich zu gewinnen. Die ausufernde Solo-Kadenz im ersten Satz verlangte dem Österreicher allerhöchste Virtuosität ab. Der Solist meisterte das Konzert hingebungsvoll, prügelte nicht mit dem Bogen rabiat auf die Saiten ein, sondern saugte die Töne so gefühlvoll wie nur möglich aus dem Korpus. Die dunklen Tutti kontrastierten das warme Spiel, das den Saal den Atem stocken ließ. Kaum war die letzte Note verklungen, setzte bebender Applaus ein.

Im Anschluss stand das Orchester im Mittelpunkt. Die 7. Sinfonie bedeutete für Antonin Dvorak (1841-1904) einen der größten Erfolge seines Lebens. Bychkov schälte in seinem Dirigat vor allem die dunklen Klagfarben heraus, die der Komponist in dichte Leitmotive, tiefschwarze Akkorde und sogar einen tschechischen Tanz gepackt hat. Im temporeich gespielten Schlusssatz entlud sich schließlich die knisternde Spannung, die sich in den drei Sätzen zuvor angestaut hatte. Das Publikum bejubelte den Maestro frenetisch, der seinen Leipziger Triumph sichtlich genoss.

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