Vor dem Amtsgericht endete am Mittwoch die Verhandlung gegen einen linken Aktivisten in einer TV-reifen Showeinlage des Leipziger Strafverteidigers Daniel Werner. Sein Mandant Niko H. (35) musste sich nach Beteiligung an einer Protestaktion gegen Asylgegner wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verantworten. Mit einem kalkulierten Eklat versuchte der Rechtsanwalt, Richterin Julia Weidelhofer zu provozieren.

Dabei lief alles für Niko H. Der Student hatte am 18. Dezember 2013 gegen eine fremdenfeindliche Kundgebung vor einer Asyl-Notunterkunft in Leipzig-Schönefeld protestiert. Auf dem Rückweg soll er, mit einem Dreieckstuch vermummt, auf seinem Fahrrad Teilnehmer der ausländerfeindlichen Veranstaltung verfolgt haben. Am Stannebeinplatz habe die Gruppe ein Auto attackiert, in welches die Rechten soeben eingestiegen waren. Als sich das Fahrzeug in Bewegung setzte, soll sich der Drahtesel des Angeklagten an dem Pkw verkeilt haben. Dabei entstand Sachschaden.

Niko H. schilderte den Vorfall ein wenig anders. Er sei mit Freunden auf dem Heimweg gewesen. Nicht schwarz vermummt, sondern mit einer grünen Jacke. Und ein Tuch habe er auch nicht bei sich gehabt. Als er auf der Gorkistraße mehrere Personen bemerkte, stieg er vom Fahrrad. “Dann fuhr ein Auto durch die Personengruppe hindurch”, erinnerte er sich. Dann sei ihm plötzlich sein Zweirad entglitten.

Vier Polizisten waren mit der Aufnahme des Vorfalls beschäftigt. “Ich erinnere mich, dass das Fahrzeug das Rad mitgeschleift hat”, schilderte René B. (36). “Das Fahrzeug war an der Tankklappe beschädigt”, erzählte Tino K. (33). Norman T. sah das Fahrrad unter dem Pkw liegen, konnte aber wie seine Kollegen nicht berichten, wie es dorthin gekommen sei. Und Sirko T. (30) konnte am Mittwoch nicht einmal mehr den Mann beschreiben, der den Drahtesel von der Straße sammeln wollte, sich sodann jedoch in einer Polizeimaßnahme wiederfand.

Die Fahrerin des Autos, Anke E. (30), gab an, sie habe Verwandte von der Kundgebung abholen wollen. Als sie diese nirgends entdeckte, nahm sie zwei Männer und eine Frau mit, die sie “vom Sehen” gekannt habe. Die Angreifer seien “alle schwarz und vermummt” gewesen. Das Fahrrad sei gegen ihren Pkw geworfen worden. “Ich hatte Angst. Ich wollte einfach nur weg.”

Politisch denke sie “neutral”. Auf gezieltes Nachbohren Werners hin räumte die Zeugin dann aber doch kleinlaut ein, gegen die Notunterkunft in einer leerstehenden Schule gewesen zu sein. “Ich habe ein Kind gehabt. Da sind zwei Gebäude. In der einen ist die Schule, in dem anderen die Flüchtlinge. Das ist einfach zu nah”, meinte E. zu wissen. “Haben Sie eine grüne Jacke gesehen?”, wollte Weidelhofer wissen. Die zierliche Frau schüttelte den Kopf.

Als Werner beantragte, einzelne Aussagen der Autofahrerin wortwörtlich zu protokollieren, entwickelte sich ein Zwist zwischen dem Verteidiger und der Vorsitzenden. Dass Weidelhofer dem Rechtsanwalt keine Zeit einräumen wollte, um einen unaufschiebbaren Befangenheitsantrag zu stellen, brachte das Fass zum überlaufen. Während Werner begann, handschriftlich seinen Antrag auszufertigen, setzte die Richterin die Einvernahme der Zeugen fort.

“Sie können der Sache doch relativ gelassen gegenüber stehen”, merkte die Vorsitzende an. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass das bisher Gehörte voraussichtlich nicht für eine Verurteilung reichen wird. “Hören Sie sich die restlichen Zeugen an. Dann können Sie entscheiden, wie weit Sie gehen wollen”, schlug Staatsanwalt Ulrich Jakob vor. Doch Werner blieb stur.

Was dann folgte, war an Groteskheit kaum zu überbieten. Weil Weidelhofer keine Pause gewährte, begann Werner kurzerhand mit lauter Stimme den Antrag vorzulesen, während die Vorsitzende gleichzeitig einen Zeugen befragte. Da Staatsanwalt Jakob nun kein Wort mehr verstehen konnte, sah sich die Richterin allerdings nach wenigen Fragen gezwungen, die Verhandlung zu vertagen.

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