Ein Leipziger Apotheker und ein Mediziner aus dem Umland stehen wegen Betrugs bzw. Untreue vor dem Landgericht: Jahrelang soll der Pharmazeut trotz Verbots Medikamente an die Praxis des Arztes geliefert haben. Letzterer habe zudem Bescheinigungen über Luftrezepte ausgestellt, die der Arzt dann bei den Krankenkassen abgerechnet und kräftig kassiert haben soll. Nun hatten die Angeklagten Gelegenheit, sich zu erklären.
Tag zwei im Prozess um mutmaßlichen Abrechnungsbetrug vor dem Landgericht: Sowohl der des 59-fachen Betrugs verdächtigte Apotheker Holm L. (53) aus Leipzig als auch der wegen Untreue in 416 Fällen mitangeklagte Arzt (67) aus dem Umland gaben am Dienstag ihre angekündigten Erklärungen ab.
Illegale Lieferungen und Luftrezepte?
Wie berichtet, wirft die Staatsanwaltschaft dem Duo vor, bis Ende 2017 über vier Jahre bei der Lieferung von Medikamenten kooperiert zu haben: Holm L. habe teils hochpreisige Arzneien direkt dem mitangeklagten Mediziner zukommen lassen, damit er sie Patienten übergeben könne.
Problem: Laut Anklage verstoße dies gegen das Zuweisungsverbot, wonach eine Arztpraxis kein Rezept mit Bindung an eine bestimmte Apotheke ausstellen darf. So sollen der Wettbewerb erhalten und Patienten die freie Apothekenwahl gelassen werden. Holm L. soll dennoch Erstattungen von den Krankenkassen erhalten haben.
Dem zweiten Vorwurf nach habe der 67-jährige Arzt gelieferte Arzneien aus dem Bestand des Apothekers auf Rezepte geschrieben, aber nie Patienten damit behandelt. Holm L. habe dann auch hier erfolgreich Abrechnungen bei Krankenkassen eingereicht, die inhaltlich nicht überprüft wurden. Auf 171.689,65 Euro beziffert die Staatsanwaltschaft allein den durch diese mutmaßlichen Luftrezepte entstandenen Schaden, insgesamt soll er bei 412.923,27 Euro liegen.
Anwalt des Apothekers weist Betrugsverdacht zurück
Holm L.s Verteidiger ist der bekannte Autor und letzte Innenminister der DDR, Peter-Michael Diestel. In einer Erklärung räumte der Jurist am Dienstag einen Fehler seines Mandanten ein: Apotheker dürften Ärzte laut Apothekengesetz nicht als Rezeptvermittler nutzen. Aber Holm L. habe den Arzt, der schon vor Jahren hoher Arbeitsbelastung ausgesetzt war, durch die Zulieferung von Arzneien unterstützen wollen, hieß es.
Auch Patienten hätten von einer Sofortübergabe bzw. -verabreichung von Medizin in der Arztpraxis profitiert. Zumal viele betagt oder schwer an Krebs erkrankt waren, denen man keine Extra-Wege, keinen Verlust knapper Lebenszeit habe zumuten wollen. Insgesamt sei Holm L. davon ausgegangen, dass eine Kooperation in Einzelfällen zulässig sein könne, er habe keine kriminelle Energie an den Tag gelegt. Dagegen spreche schon, dass er transparent auftrat und mit weniger Aufwand mehr Gewinn hätte erzielen können als mit dem Vorwurf der Anklage.
„Sein ursächlicher Fehler lag außerhalb der Strafbarkeit“, meinte Anwalt Diestel, der fahrlässige Verstoß gegen das Zuweisungsverbot: Holm L. könne man anlasten, dass er sich, etwa durch anwaltlichen Rat, besser hätte informieren müssen. Es gäbe aber keinen Beweis für etwaige Luftrezepte, geschweige denn dafür, dass der Apotheker im Wissen um ein solches die Abrechnungen einreichte.
Arzt spricht von „Dummheit“ und bereut Verhalten
Auch der mitangeklagte Arzt erklärte sich: Häufig habe er Rezepte für Hormonpräparate ausgestellt, die seine Patienten einlösen und zum Folgetermin mitbringen mussten, damit sie als Spritze gesetzt wurden. Für Betroffene seien zwei Termine oft eine Last gewesen, „bürokratischer Unsinn“, den man hätte abkürzen können. Das habe Kapazitäten freigesetzt, in denen er viel mehr Menschen helfen konnte, so der Fachmediziner aus der Nähe Leipzigs.
Holm L. kenne er aus einem Heim, dessen Bewohner er betreut. Der Apotheker sei dort auf ihn zugekommen und habe ihm schließlich den Liefer-Deal vorgeschlagen. Für Luftrezepte habe sein Klient keine Erklärung, so Verteidiger Frank Jörg Schäker. Es gäbe jedenfalls Nachweise für erfolgte Injektionen, die von der Beweisführung der Staatsanwaltschaft nicht berücksichtigt seien.
Dennoch, der bislang unbescholtene Arzt bereue sein von ihm selbst als „Dummheit“ bezeichnetes Verhalten: „Es ist das erste Gerichtsverfahren in seinem Leben überhaupt.“ Der 67-Jährige sei froh, dass Patienten weiter zu ihm hielten. Für den Prozess sind noch Verhandlungstage bis Ende Juni geplant.
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