Die Anklage geht von betrügerischen Machenschaften und Medizin aus, die nie an Patienten überreicht wurde: Ein 53-jähriger Apotheker aus Leipzig soll illegale Abrechnungen im Verbund mit einem Arzt praktiziert und so kräftig bei Krankenkassen abkassiert haben. Seit Donnerstag stehen die beiden Männer wegen Betrugs beziehungsweise Untreue vor Gericht.
Ihre Arbeitsorte lagen weiter auseinander, doch jahrelang sollen Apotheker Holm L. (53) aus Leipzig und ein Facharzt aus dem Umland (67) kooperiert haben: Von Dezember 2013 bis Dezember 2017 hätte Holm L. Arzneimittel direkt an die Praxis des mitangeklagten Arztes zur Weitergabe an Patienten versandt, obwohl dies gegen Bestimmungen des Arzneiliefervertrags und Arzneiversorgungsvertrags in Sachsen verstößt, heißt es in der Anklage. Demnach dürften Arzneimittel, mit einigen Ausnahmen, meist nicht unmittelbar von Apotheken an Ärzte abgegeben werden.
Anklage wirft illegale Abrechnungspraxis und Luftrezepte vor
Holm L. hätte die teils teuren Medikamente, was er auch gewusst habe, insofern nie abrechnen dürfen, habe dies aber mit einer Bescheinigung des Arztes dennoch getan. Diese Vorgehensweise habe er von Anfang bis Ende 2018 auch mit einem weiteren Mediziner betrieben, der nicht Teil dieses Strafverfahrens ist. Die geschädigten Krankenkassen hätten die Gelder nach Vorlage der ärztlichen Scheine ohne genaue Prüfung durch den Kostendienstleister an den Apotheker erstattet, heißt es.
Zudem soll der 67-jährige Arzt in 416 Fällen Luftrezepte ausgestellt haben: Gelieferte Arzneien aus dem Bestand des Apothekers seien auf seinen Rezepten aufgetaucht, aber nie zu Patienten gelangt. Auf 171.689,65 Euro beziffert die Staatsanwaltschaft den durch diese mutmaßliche Handlungspraxis entstandenen Schaden, insgesamt soll er bei 412.923,27 Euro liegen.
Erklärung der Angeklagten angekündigt
Einer der Angeklagten hat im Verfahren prominenten Beistand: Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel (73) war von 1990 letzter Innenminister und stellvertretender Regierungschef der DDR, verhandelte den Einigungsvertrag mit. Er ging später in die Landespolitik, schrieb Bücher, meldet sich bis heute häufig in Debatten um Ostdeutschland zu Wort.
Sein Mandant werde sich über die Tatvorwürfe äußern, kündigte Diestel an: „Zum nächsten Termin folgt eine umfassende Einlassung.“ Auch der zweite Verdächtige ließ über seinen Verteidiger Erik Bergmüller mitteilen, dass er sich am zweiten Verhandlungstag erklären will.
Der mutmaßliche Profiteur Holm L. muss sich wegen 59-fachen Betrugs in mittelbarer Täterschaft verantworten, sein Mitangeklagter wegen Untreue in 416 Fällen. Bis 24. Juni sind noch sieben Prozesstage anberaumt.
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