Ein auf Menschenrechte spezialisierter Anwalt aus Karlsruhe gibt an, vor mehr als acht Jahren in einem Leipziger Hotel von Polizeibeamten misshandelt worden zu sein, wurde aber selbst zum Beschuldigten. Am Montag, dem 6. Oktober hat das Leipziger Amtsgericht das Verfahren gegen David Schneider-Addae-Mensah vorläufig eingestellt, er soll 7.000 Euro Geldauflage an einen Verein zahlen.
David Schneider-Addae-Mensah spricht leise und mit Bedacht, als er am Montag im Leipziger Amtsgericht seine Sätze formuliert. Der promovierte Anwalt aus Karlsruhe ist ohne seinen Verteidiger erschienen, vertritt sich selbst. Die Anklage gegen den 54-Jährigen lautet auf Hausfriedensbruch sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung: Vor mehr als acht Jahren hatte sich Schneider-Addae-Mensah mit einem Begleiter für ein paar Tage privat in einem Leipziger Hotel eingemietet.
Beleidigungen und entblößtes Gesäß
Hier kam es am Abend des 2. Juni 2017 etwa 19:00 Uhr zu einem Vorfall: Weil Schneider-Addae-Mensah anderen Gästen „zu nahe gekommen“ sein und einen Mann getreten haben soll, habe der Hotelmanager ein Hausverbot ausgesprochen und dies mit Unterstützung der Polizei durchsetzen wollen.
Schneider-Addae-Mensah habe versucht, Ausrüstungsgegenstände der Beamten zu greifen, sich widersetzt, sei schließlich zu Boden gebracht worden, habe die Ordnungshüter mit Beleidigungen wie „Nazischwein, Arschloch, Missgeburt“ und dergleichen mehr bedacht, so die Staatsanwaltschaft. Sein Begleiter, der einen rechtskräftigen Strafbefehl kassierte, habe später auch noch draußen des Gesäß entblößt.
Angeklagter spricht von Angriff durch Unbekannten
Die Version von Schneider-Addae-Mensah, die wir nicht prüfen können, weicht etwas ab: Er habe sich über die defekte Klimaanlage beschwert und sei auf dem Rückweg am Fahrstuhl mit einem „opulenten Mann“ im Grufti-Outfit zusammengestoßen – nicht ungewöhnlich, schließlich war Pfingsten und damit die Zeit des Wave-Gothik-Treffens. Der Unbekannte, nach seiner Meinung kein Hotelgast, habe ihn sofort gewürgt und in den hinteren Teil des Lifts gedrückt, sagt Schneider-Addae-Mensah.
Der Hotelmanager habe ihn dann auf dem Zimmer angerufen und bezichtigt, einen Gast getreten zu haben. Kurz darauf sei er mit herbeigerufenen Polizeibeamten vor der Tür seines Hotelzimmers erschienen, sagt der Angeklagte: „Das habe ich überhaupt nicht verstanden.“
Polizei drang in Hotelzimmer ein
Als er auf Erfüllung des Vertrags bestand und die Tür schließen wollte, seien die Polizisten ins Zimmer eingedrungen. „Dann haben sie mich sofort auf den Boden geknallt, mit dem Gesicht auf dem Boden. Ich habe um Hilfe geschrien.“
Nach einigem Hin und Her habe er versehentlich die Waffe eines Beamten gestreift, als er nach seinem Rucksack greifen wollte, und sei erneut auf dem Boden fixiert worden, schildert Schneider-Addae-Mensah den Ablauf: „Wir haben geschimpft und uns aufgeregt. Da ist der Frust, der uns schon Jahre begleitet, herausgekommen. Das ist bedauerlich.“
Den genauen Wortlaut seiner Tirade wisse er heute nicht mehr, sagt er. Laut eigener Aussage trug er nach dem mutmaßlichen Übergriff klinisch dokumentierte Schürfwunden und Frakturen davon, die folgenlos ausheilten.
Anwalt gilt als streitbar
Klar ist, dass Schneider-Addae-Mensah 2017 nicht zum ersten Mal mit der Staatsmacht aneinandergeriet. Der in München geborene Sohn eines Ghanaers und einer Deutschen machte schon 2014 einen Vorfall am Bundesverfassungsgericht öffentlich, bei dem er durch Polizeibeamte nach dem Einwurf eines Briefes fixiert wurde.
Der 54-Jährige stritt bei den Karlsruher Kommunalwahlen für die „Aufarbeitung des Corona-Unrechts“, vertrat mutmaßliche Opfer illegaler Polizeigewalt und bewirkte gerichtsfest, Bayerns Innenminister in Reaktion auf dessen Verwendung des „N-Worts“ als „wunderbares Inzuchtprodukt“ bezeichnen zu dürfen. Besonders die Rechte psychisch kranker Menschen gelten als ein Schwerpunkt des streitbaren Anwalts, der sich auch schon einmal in eigener Sache vor Gericht vertrat.
„Kein Ruhmesblatt der sächsischen Justiz“
Das ist diesmal nicht nötig: Auf Anregung von Richter Hans Weiß wird das Verfahren eingestellt und die als Zeugen geladenen Polizisten weggeschickt. „Das Verfahren ist kein Ruhmesblatt der sächsischen Justiz“, räumt der Amtsgerichts-Vizepräsident ein. Über Jahre war es mal betrieben worden und dann wieder im Aktengebirge des chronisch überlasteten Justizapparats liegengeblieben, füllt bei Schneider-Addae-Mensah einen dicken Ordner.
Im Sommer 2022 platzte der Prozess, weil ein Zeuge nicht kam, eine vom damaligen Richter befürwortete Verfahrenseinstellung scheiterte wie auch später am Widerstand der Anklage. Nach über acht Jahren sind fast alle Vorwürfe verjährt, so auch der Besitz von Betäubungsmitteln, da 2017 im Rucksack des Angeklagten 1,4 Gramm Marihuana gefunden worden waren.
Einstellung gegen 7.000 Euro Geldauflage
Aus Sicht von Richter Weiß sei am 2. Juni 2017 im Leipziger Hotel eine Situation wohl „aus dem Ruder gelaufen“, obgleich man gerade von einem Anwalt ein anderes Verhalten erwarte. Weil auch der übriggebliebene Vorwurf – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bzw. ein tätlicher Angriff – für das Gericht zweifelhaft erschien, stimmt jetzt auch die Staatsanwältin der Einstellung des Verfahrens zu.
Zumal dem Richter nach viel für Schneider-Addae-Mensah spräche: keine Vorstrafen, unverschuldet lange Verfahrensdauer und der Umstand, dass er Bedauern für den Vorfall äußerte. Als Auflage soll der Angeklagte ab November insgesamt 7.000 Euro in sechs Raten an den Förderverein „Land in Sicht e.V.“ überweisen, dann wäre die Sache endgültig abgeschlossen.
„Ich habe es jetzt nicht drauf ankommen lassen“, sagt Schneider-Addae-Mensah nach Ende des Prozesses, auch wenn er sich als Opfer sieht und gern einen Freispruch erzielt hätte. Aber er sei nun doch vor allem erleichtert, dass es vorbei ist.
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