Mein Gott, war das wieder ein Wochenende: Schwere Gewitter in Mitteldeutschland, Uli Hoeneß durfte das erste Mal wieder zur Sportschau nach Hause und die Schweden warteten sogar mit einer Traumhochzeit auf: eine Traumhochzeit mit Siegerpose, und diese hat auch im Jahr 2015 selbst im locker-liberalen Skandinavien ihren Grund.

Nicht mehr die bürgerliche Abstammung sollte der Stein des Anstoßes sein, welcher der attraktiven Auserwählten des Prinzen Carl-Philip von Schweden das Leben – oder besser die Liebe – ein bisschen schwermachen sollte, sondern die abgelichtete Landschaft zwischen den Bikiniteilen. Genauer gesagt: zwischen einem Bikinihöschen und einer Schlange, die sich artgemäß um den Hals der zukünftigen Prinzessin zu räkeln wusste. So etwas kann einer jungen Frau, die sich für hochdotierte Jobs bewirbt, heute schon noch auf die Füße fallen. Und damit ist nicht nur die Schlange gemeint. Die Idee, sich mal ohne Wams darzubieten, gefällt janusköpfigerweise leider oft nur im Stadium des Betrachtens.

Das darf nämlich nicht sein, hat der liebe Gott entschieden bzw. jene, die dessen Privatnummer besitzen. Es ist allein schon für die Weltliteratur wichtig, es zwei Menschen nicht zu erlauben, die sich ohne höhere Erlaubnis ineinander verliebt haben und es – zumindest zu einem Zeitpunkt, indem man noch Hochzeitsmessen besucht –  grundehrlich mit der lebenslangen Liebe meinen, so mir nichts dir nichts heiraten zu dürfen.

Ich sehe das ein: Es bedarf ein wenig der Spannung im Leben, denn ohne retardierendes Moment kein Happyend. Einverstanden. Da nimmt man seitens der Sittenwächter auch schon mal in Kauf, dass jemand, der vielleicht schon Hunderten in irgendeiner Weise zu helfen oder Hoffnung zu vermitteln vermochte, stoisch über die Jahre “Miss Slitz” genannt wird. Wenn Männermagazine so heißen, dann gefällt das eben nicht nur in Schweden.

In Stockholm ist es Gott sei dank wundervoll ausgegangen: Ein umwerfend ansehnliches Paar, sie mit sichtbarem Tattoo zwischen den Schultern, er mit unbotmäßigem Stoppelbart schreiten von ungewohnt poppigen Klängen begleitet einer jubelnden Masse entgegen. Und ganz Europa jubelt mit. Selbst auf die Deutschen scheint der Freude schöner Götterfunken übergesprungen zu sein, denn auch hier saß man verzückt vorm Fernseher und wünschte sich wahrscheinlich – angesichts jener unschlagbar verlockenden Allianz aus Schön- und subtiler Anrüchigkeit – den Kaiser zurück. Oder wenigstens Klaus Wowereit.

Und das wäre nicht nur gut so, sondern schwer vonnöten.

Denn wir leben in Zeiten, in denen die Oberhäupter des Landes dem Geschmack eines Wasser ‚senza gas’ ähneln, in denen man selbst als halbwegs politikinteressierter Mensch nur schwerlich die Namen des Bundeskabinetts zusammenkriegt, geschweige denn, deren unsäglich unzeitgemäßen Disputen noch zu folgen vermag.

Lange war ich deshalb uneins mit mir, ob man das medial meiststrapazierte Wort der letzten Wochen, die “Homo-Ehe”, überhaupt noch zum Thema machen kann, ohne den Leser schon gähnen zu hören. Wenn aber im Bundestag noch immer wie im Kindergarten diskutiert wird (“Die Ehe ist für Mann und Frau und zwei rotbackige Kinder da!” “Haha, selber keine Kinder!”, “Das nimmst du zurück!” “Nehme ich nicht!”, “Nimmst du doch!” …)  und man sich in diesen Belangen immer noch seitens der Kirchenvertreter hauptberaten lässt, dann soll vielleicht noch ein kurzes Wort darüber fallen dürfen:

Sich mit der Kirche im Holzhacker-Stil anzulegen, wie es sooft zwischen Atheisten und vorrangig Katholiken geschieht, ist billig. Der eine bezichtigt den anderen eines peinlichen Aberglaubens, der wiederum rächt sich mit dem Vorwurf der zunehmenden Verkommenheit der Gesellschaft. So aber kommt man ja nicht weiter. Wahr ist und bleibt: Es gibt viele kinderlose Ehen.

Die Gründe dafür gehen weder den Staat noch die Kirche etwas an. Die Debatte um die gleichgeschlechtliche Ehe wird mit merkwürdigen Argumenten geführt, die wie aus einer anderen Zeit entlehnt sind.

Da wir jedoch in einer Zeit leben, in der dauernd immer irgendwer die Gefühle eines anderen verletzt, will ich jetzt aber auch einmal verletzt sein:

Meine Empfindungen werden mit Füßen getreten, wenn ich nicht weiß, mit welchem Recht eine Instanz über die Empfindungen sämtlicher Menschen urteilt und Einfluss auf deren Entscheidungen nimmt. Meine Empfindungen leiden bereits, wenn ich ein paar Jahrzehnte in der Geschichte zurücklese, wo katholische Geistliche ohne Not Soldaten dazu anhielten, das zu tun, wozu Soldaten so da sind. Oder um es mit Tucholsky auszudrücken: “Im Anfang war es wohl die Güte, die diese Religion hat gebären helfen, zur Macht gebracht hat sie die Gewalt.”

Aus diesem Grund stimmt es mich leicht trotzig, wenn der Vatikan zum Beispiel das irische Ja zur Ehe für homosexuelle Paare nicht nur als “Niederlage der christlichen Prinzipien”, sondern gar als “Niederlage für die Menschheit” bezeichnet.” Da dreht man Radio Vatikan dann doch gern mal leiser.

In allergrößter Achtung vor den geistig-kulturellen Leistungen der katholischen Kirche, möchte ich deshalb zu einer Debatte anregen, die vor jener um die Homo-Ehe, die dringender zu führende zu sein scheint: Die Debatte um die Definition christlicher Prinzipien. Und wenn in deren Rahmen ein paar mehr von uns verstehen sollten, dass selbst Homosexuelle unter Nächstenliebe nicht immer nur die “nächste Liebe” verstehen – dann kann es vielleicht losgehen.

Bikinifotos vom Bräutigam in Männermagazinen allerdings könnten meinetwegen ruhig eine Ausnahme bleiben.

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