Erst nach sechs Wahlgängen wurde im vergangenen Sommer Carsten Rentzing zum Bischof der sächsischen Landeskirche gewählt. Als Lieblingskandidat konservativer Gemeinden war er umstritten, besonders auch in Leipzig. Im Interview mit der L-IZ geht es um die Glaubwürdigkeit der Landeskirche, den gesellschaftlichen Auftrag von Kirche im Blick auf Flüchtlinge und Pegida/Legida sowie um Erwartungen an Muslime.

Sie sind als junger Erwachsener zum Glauben gekommen. Was bedeutet Ihnen der Glaube?

Der Glaube hat mir Orientierungspunkte für mein Leben geliefert. Das ist mir wichtig. Ich war so 17, 18 Jahre, als die entscheidenden Ereignisse in mein Leben traten. Also in einem Alter, in dem man sich immer orientiert, wie man sagt. Mir sind manche Dinge aufgefallen, mich hat manches interessiert. In meinen Fragen habe ich mich in den Fragen und Antworten wiedergefunden, die der christliche Glaube bietet. Ein Leben ganz ohne solche Orientierungspunkte kann ich mir schwer vorstellen.

Welche Fragen kann der Glaube einer Gesellschaft beantworten, die mehrheitlich glaubt, sie bräuchte so etwas wie Glauben und Gott nicht?

Da denke ich häufig darüber nach, ob das nur ein Denken ist oder ob es tatsächlich so ist, dass sie es nicht brauchen. Das wird man noch mal unterscheiden müssen. Ich habe schon den Eindruck, dass schnell gesagt wird: “Ich brauche das nicht!” Aber ich erlebe auch zu häufig Menschen, die zwar den christlichen Glauben für sich ablehnen, die aber natürlich alle möglichen Ersatzhandlungen oder Ersatzorientierungspunkte an diese Stelle setzen. Das ist keine neue geistliche Erkenntnis. Ein Leben ganz ohne solche Orientierungspunkte kann ich mir schwer vorstellen und ich glaube, dass es nur sehr wenige Menschen geben wird, die glaubwürdig sagen können: “In meinem Leben spielt keine Orientierung eine Rolle, die von außen an mich herantritt.”

Glaubwürdigkeit ist in Ihren Texten ein wichtiger Begriff. Wie sieht ein glaubwürdiges christliches Leben aus?

Es gibt viele christliche Tugenden, wie man früher gesagt hat. Etwa Wahrhaftigkeit, die Liebe zum Nächsten, die Zuwendung zu denen, die Hilfe brauchen, das Zeugnis der Liebe Gottes. Dinge, die bis heute mit dem christlichen Glauben verbunden werden. Ein Leben danach auszurichten, bedeutet zum einen, sich von manchem zu lösen, was immer wieder nach vorne dringen möchte, also im Reichtum, Ansehen und materiellen Wohlergehen allein den Grund seines Lebens zu finden, denn das sind Dinge, die uns schnell genommen werden können. Zum anderen bedeutet es, sich nach dem auszurichten, was über den Tod hinaus trägt. Das macht unseren Glauben glaubwürdig.

Wie glaubwürdig ist die sächsische Landeskirche?

Ich glaube, dass in der gegenwärtigen Zeit, gerade in der Flüchtlingsfrage, unsere Gemeinden ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit ausstrahlen. Das Engagement, das dort von vielen Ehrenamtlichen ausgeht, ist großartig. Es ist ja auch nicht so, dass das immer auf ungeteilte Zustimmung stößt, aber das macht einen nicht weniger glaubwürdig, sondern manchmal noch glaubwürdiger. Es wird gerade in der Flüchtlingsfrage deutlich, was die Christen trägt. Mich erreichen viele dankbare Stimmen. Manchmal erreichen mich auch kritische Stimmen, die genauso wahrnehmen, dass wir uns für Flüchtlinge einsetzen und das kritisieren. Damit muss man leben.

Was wir einbringen, sind die Grundlagen des politischen Diskurses. Wir beschreiben die Ziele, auf die hin sich politisches Handeln aus christlicher Perspektive ausrichten sollte.

Stichwort Flüchtlingspolitik. Wo muss sich Kirche einmischen, wo sollte sie sich raushalten?

Der Glaube hat immer auch eine öffentliche Seite. Er findet nicht nur im stillen Kämmerlein statt. Er hat nach außen Auswirkungen. Jeder glaubwürdige Christ verändert sich und sein Leben, er verändert damit auch sein Umfeld. Er bringt sich in anderer Weise ein als er es vielleicht ohne Glauben täte. Insofern ist christliches Handeln politisch. Die Debatte greift zu kurz, wenn man nur nach dem Schlagwort Politik und Kirche geht. Am Ende ist die Frage, welchen besonderen Beitrag Kirche in den politischen Debatten hat. Wir sind nicht diejenigen, die mit einem besonderen politischen Sachverstand ausgestattet sind. Wir haben keinen Sachverstand, der über den Sachverstand des normalen Bürgers hinausgeht. Insofern können wir an der Stelle auch nicht mit Detaillösungen aufwarten, die dann unanfechtbar wären.

In den politischen Detailfragen gibt es innerhalb der Kirche unterschiedliche Auffassungen, wie Probleme zu lösen sind. In der Kirche findet sich die Gesellschaft wieder. Was wir einbringen, sind die Grundlagen des politischen Diskurses. Wir beschreiben die Ziele, auf die hin sich politisches Handeln aus christlicher Perspektive ausrichten sollte. Indem wir eben darauf hinweisen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, Worte die im Grundgesetz stehen und die unserem Glauben entstammen. Jeder Mensch ist Ebenbild Gottes und muss geschützt und bewahrt werden. Den Ärmsten gilt unsere besondere Achtsamkeit, denen, die in besonderen Notlagen sind, Grundlagen politischen Handelns, nicht schon die Lösungen. Damit zeigen sich die Aufgaben, aber auch die Grenzen des ethischen Handelns der Kirche.

Im zweiten Teil geht es um die Haltung der Landeskirche zu Legida und die Lichterkette vom 11. Januar.

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