Wie immer zeitlich völlig verpeilt, hatte ich es kürzlich mal wieder eilig. Man kennt das ja: Eine Acht-Uhr-Abendgestaltung liegt an, man hat aber eine halbe Stunde vorher die Hose noch nicht zu und der Nagellack ist noch immer so feucht wie der zurückliegende Sommer. Ich beschloss deshalb, ein Taxi vom Bahnhof in den Leipziger Süden zu nehmen. Auf die paar Kröten sollte es nun auch nicht mehr ankommen. Kam es auch nicht.

Jeder aber, der ab und an mal Taxi fährt, wird bestätigen, dass man nirgendwo eine solche Bandbreite menschlicher Möglichkeiten oder auch Abgründe vorfindet wie bei der Zunft der Befördernden – der Taxifahrer. Auch auf mich wartete an diesem Abend umgehend die volle Breitseite. Natürlich geriet ich an ein Großraumtaxi, das man bekanntlich per se lieber meidet, wenn man nicht mit der Fußballmannschaft, der Junggesellinnen-Abschiedsrunde oder der Patchworkfamilie im Petri-Pretzellschen Ausmaß unterwegs ist, weil es einem schlichtweg peinlich vorkommt.

Im Großraumtaxi, meinem Großraumtaxi, jedenfalls saß eine FahrerIN, Ende 50, Großraumkurzhaarfrisur – alles okay – aber leider – man wusste es nach dem ersten Satz – völlig aggro.

Fröhlich hatte ich sie begrüßt und mein angestrebtes Ziel genannt. Allein das tat nichts zur Sache. Sie wies nur mit einer unwirschen Kopfbewegung auf zwei Wüstensöhne, die sich wohl seit einiger Zeit am Taxistand zu tummeln gewusst hatten und ließ mich wissen: „Im Moment sind Sie mir lieber als wie die da.“

Oha! Da hatte ich aber Glück gehabt. Aber es würde anstrengend werden bis Connewitz. Und es wurde anstrengend. Die Frau strotzte vor Argwohn jeder meiner Äußerungen gegenüber, erging sich in einer Tonlage, die man nicht mal beschreiben möchte, in immer neuen Hasstiraden gegen alles und irgendwen, vor allem aber über den Friedhof einer kleinen Stadt Z. nahe Leipzig, wo ihre Familie an für sie weit voneinander entfernten Orten begraben sei. Man liefe von A nach B und von B nach A. So ginge das nicht, denn: Wo kommen wir denn da hin?

Meinen vorsichtigen Einwand, der Friedhof Z. hat doch sicher nicht die Ausmaße eines Friedhofs Berlin-Weißensee, wischte sie unwillig vom Tableau und gab mir zu verstehen, dass sie es gut fände, dass ich sie auf den Gedanken gebracht habe, ihren Mann doch mal zu fragen, wo er am liebsten begraben werden wolle. Immerhin.

Ich weiß, jeder hat mal einen schlechten Tag. Manche sogar mehrere. Tage, an denen man mit dem falschen Bein ins richtige Leben muss. Aber man muss nicht ständig damit treten. Wenn wir schon alle einen Sprung in der Schüssel haben, darf man doch auch mal ein bisschen Licht da reinlassen, oder?

Deshalb meine Bitte: „Misanthropen dieser Erde, vereinigt euch. Mit Gleichgesinnten. Mit Freunden. Ich bin sicher, ihr habt welche. Am Stammtisch meinetwegen. Diesen aber bitte nicht mit dem Internet verwechseln. Vor allem aber sorgt dafür, dass man sich nicht auch noch im öffentlichen Raum am Abend auf euch einzustellen hat und dafür Geld bezahlt. So etwas genießen nur die allerwenigsten. Glaubt mir.“

Im Ziel endlich angekommen, gurkte Neo Rauch attraktiv wie immer auf dem Fahrrad vor uns auf der Straße herum und mein liebster Freund, nicht weniger schön, erwartete mich lächelnd zwecks Abendgestaltung.

Im Himmel klatschten Luther und Calvin vermutlich lautstark ab: Auch ein „Happy End“ will erarbeitet sein.

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