Damit sich ein Mensch frei entfalten kann, ist es essentiell, am öffentlichen Raum teilzuhaben, diesen zu gestalten und frei nutzen zu können. Eine wachsende Stadt wie Leipzig hat mit vielen Hürden zu kämpfen, um den Menschen, die in ihr leben, gerecht zu werden. Einhergehend mit der wachsenden Zahl an Einwohnern ist dies wohl die Verknappung von Räumen. Ob Wohnräume, Parkplätze oder Freiflächen, die Räume werden weniger.

Lückenbebauung hier, Schulneubau da – vor allem Freiräume verschwinden zunehmend. Und dort wo es sie noch gibt, wollen verschiedenste Nutzergruppen diese für sich und ihre Belange nutzen. Wie aber kann und soll man all diesen Nutzergruppen und deren Ansprüchen gleichermaßen gerecht werden? Das Zauberwort scheint Beteiligung zu sein, und im Kern ist dies wahrscheinlich auch richtig.

Doch wie und vor allem wen beteiligt man? Sollen Bewohner*innen einer Stadt in allen Belangen befragt werden? Wenn man die Bewohner/-innen in all ihrer Unterschiedlichkeit berücksichtigen will, dann sollte das so geschehen. Nun wird es nicht jeden interessieren, ob an Stelle X die Fahrbahn Y zweispurig wird und einen Radstreifen erhält, aber man sollte den Menschen, die es betrifft, die Möglichkeit geben, an diesen Entscheidungsprozessen teilzuhaben.

Ebenso bei der Gestaltung der Parks und Freiflächen. Auch die Frage, wie sich ein Ortsteil entwickeln kann oder soll, sollte mit den Menschen ausgehandelt werden, die in ihm leben. Das schafft Identität, Teilhabe und Wertschätzung und fördert zusätzlich das Miteinander. Die Stadt Leipzig und viele Initiativen sind bemüht, dies an einigen Stellen umzusetzen – mal mehr mal weniger gelungen.

Wir als Erwachsene, Fachkräfte und interessierte Bewohner*innen haben es da noch relativ einfach, uns zu beteiligen. Wir wissen, woher wir Informationen bekommen, sind in Netzwerken oder lesen interessiert die Aushänge, wenn Beteiligung an bestimmten Orten geplant ist.

Aber gerade Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene scheinen in dieser verregelten und verknappten Struktur Stadt immer mehr an (Frei-)Räumen zu verlieren. Und treffen wir sie dann doch im öffentlichen Raum, so gelten sie in der Regel als Störfaktor. Sie sind zu viele, zu laut und zweckentfremden die Räume, die wir Erwachsenen ja gerne anders nutzen.

Dabei geht es den meisten von ihnen nur um eins: Kind, Jugendlicher, junger Erwachsener zu sein – sich abseits von geregelten Strukturen und Hinweisschildern die Welt, die Straße, den Park zu eigen zu machen. Wir treffen oft jene jungen Menschen an, und deren Wunsch ist es meist, nicht mehr als einen Ort zum Treffen zu haben, wo man unter sich sein kann, Musik hört und im besten Fall ein Dach hat, falls es doch mal regnet.

Der Gesellschaft aber scheint es in großen Teilen schwer zu fallen, dies zu akzeptieren. Aber diese jungen Menschen sind ebenso Bewohner*innen dieser Stadt und haben das gleiche Recht, Wünsche und Vorstellungen zu haben, wie diese aussehen kann und sollte. Sonst eignen sie sich die Räume einfach an, dann meist in Formen, welche die Gesellschaft nur schwer zu akzeptieren vermag. So werden Häuserwände schnell zum Ausdruck von Protest, und ein Graffiti an der Wand ist nicht weniger als Raumnahme.

Oder junge Menschen, die jede Wand, jedes Geländer und jede Treppe nutzen, um zu springen, klettern oder hangeln. Sicher, Parcour hat auch einen sportlichen Aspekt, ist aber ebenso Raumnahme – das zu Nutzen machen der Umgebung, das Erleben der Stadt. Um vor allem jungen Menschen das Recht einzuräumen jung zu sein, sich frei entfalten zu können und so mit den eigenen Entwicklungsaufgaben wachsen zu können, ist es essentiell diese zu beteiligen, zumindest aber Beteiligung zu ermöglichen – und das so zeitig wie möglich und in eben den Belangen die sie betreffen.

Das umfasst einerseits die Räume in den sie sich geregelt aufhalten, wie Kita, Schule und Freizeittreff, aber eben auch den öffentlichen Raum. Dazu müssen wir als Erwachsene, Fachkräfte und Bewohner*innen sie befähigen, begleiten und manchmal auch anleiten, ihnen die Möglichkeiten von Beteiligung offen legen und sie motivieren, diese zu nutzen – aber auch für ihre Interessen im öffentlichen Raum einstehen, sei es bei der längst überfälligen Skatefläche im Leipziger Westen oder der Öffnung von Schule, damit Schulhöfe und Sportanlagen auch nach dem Unterricht nutzbar sind.

Auch hier gibt es in Leipzig schon viele Möglichkeiten. Vor allem das Leipziger Kinderbüro ist seit Jahren aktiv bemüht, gelingende Kinder- und Jugendbeteiligung zu fordern, zu fördern und zu ermöglichen. Beteiligung muss aber auf viel mehr Ebenen zur Selbstverständlichkeit werden. Vor allem wenn wir als Streetworker/-innen feststellen, dass es einerseits kaum noch (Frei-)Räume gibt, in denen sich junge Menschen frei entfalten können und sie andererseits bei den noch bestehenden Räumen von permanenter Verdrängung betroffen sind.

Denn gerade wir Erwachsenen vergessen zu oft, wie es war, ein junger Mensch zu sein und mit welchem Drang nach Freiheit dies verbunden ist. Für diese Freiheit sind (Frei-)Räume unerlässlich.

Infos zur Thesen-Aktion: Anlässlich seines 25-jährigen Bestehens hat der Mobile Jugendarbeit Leipzig e.V. einen Kalender mit 25 Thesen aus der Praxis zusammengestellt. Diese beziehen sich auf aktuelle Gegebenheiten und Entwicklungen in Gesellschaft und Jugendarbeit, auf die die Streetworker des Vereins in ihrer täglichen Arbeit stoßen. Die Thesen sollen zum Nachdenken und zur Diskussion anregen – und im Idealfall den Anstoß für einen Veränderungsprozess geben.

Mehr Infos zur Mobilen Jugendarbeit Leipzig e.V.:
www.kuebelonline.de

These #13: Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt.

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