Es gibt Worte die bleiben. So klar und eindeutig, dass sich Generationen später entscheiden, sie tatsächlich in Steine zu schlagen, sichtbar für jene, die in den kommenden Jahren diese Stelle kreuzen. Seit dem heutigen 5. März 2021 prangen anlässlich des 150. Geburtstages von Rosa Luxemburg auf dem Boden vor dem Eingang des traditionsreichen Plagwitzer Felsenkellers jene Worte, welche sie drinnen im Jahre 1913 vor vollem Haus sprach: „Solange das Kapital herrscht, werden Rüstungen und Kriege nicht aufhören.“

Wie Recht die streitbare Nationalökonomin mit der Kriegsahnung angesichts der längst begonnenen Rüstung in Europa hatte, erlebte sie noch selbst mit – im Weltkrieg von 1914 bis 1918, dem man heute den Beinamen des „ersten“ gibt und der – wie jeder seiner Art – ein Krieg um Kolonien, Ressourcen und somit letztlich wirtschaftliche Einflusssphären war.Rosa Luxemburgs Ermordung mit 47 Jahren im Jahr 1919 durch rechte Freischärler folgten nicht nur weitere Kriege, sondern eine ständige Deutung, Umdeutung und Neudeutung ihrer Lebensstationen bis heute.

Zu DDR-Zeiten teils zu einer grotesken Ikone verzerrt, markiert ihr Name dennoch für alle Zeiten auch die Trennlinie zwischen der damaligen SPD und der entstehenden KPD, zwischen der Zustimmung zu den Kriegskrediten und der strikten Ablehnung eines Waffengangs, der letztlich gleich zweimal ins „Schlachthaus Europa“ führte.

Was über alle Interpretationsversuche hinweg bleibt, sind ihre Überzeugungen, die sie gegen Nationalismus, Kriege und Militarismus stellten. Und zu einer der wenigen großen Frauen der Arbeiterbewegung ihrer Zeit neben Clara Zetkin machten.

Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Die Linke) kam an ihrem heutigen Geburtstag auch eher auf die private „Rosa“ zu sprechen, die Frau, die nicht nur für Emanzipation und die Arbeiterschaft eintrat, sondern auch unzählige Artikel für die damals noch linke Leipziger Volkszeitung verfasste.

„Rosa Luxemburg ist für mich nicht nur eine Symbolfigur für Bewegung und Revolution, Freiheit und Gleichberechtigung. Sie war vor allem ein mitfühlender Mensch. Ihr Wesen war heiter und geduldig. In den richtigen Momenten entschieden und eindeutig. Wichtig war ihr nicht nur, das Leben schön und sinnlich zu gestalten, sondern es wirksam und sinnvoll werden zu lassen.“, so Jennicke.

Dass Rosa Luxemburgs Wirkung auch angesichts der Flut von heutigen Zeitungsartikeln zu ihrem 150. Geburtstag anhält, beschrieb Betreiber Jörg Folta in einer kleinen Anekdote. Der Dessauer Notar, welcher die Gründung der „Felsenkeller GmbH“ begleitete, wies Folta auf die Geschichte des Hauses und die Person Rosa Luxemburg hin. Man kennt sie also, erinnert sich ihrer und weiß um ihre Wirkung unter anderem in Leipzig.

Mehr als ein Verstanstaltungsort: Rosas Bibliothek, auch "Salon" genannt im Felsenkeller. Foto: LZ
Mehr als ein Veranstaltungsort: Rosas Bibliothek, auch „Salon“ genannt im Felsenkeller. Foto: LZ

Ihm und seinem Team sei also schon vor dem Beginn ihrer Arbeit im Veranstaltungshaus vollkommen klar gewesen, wie viel mehr der einstige Brauereibau in seiner Geschichte (Wiki) war und dass er deshalb heute mehr als ein Veranstaltungshaus sein muss.

Auch deshalb wurde nun seit Januar 2021 eine „Rosa Luxemburg“-Bibliothek eingerichtet und Folta sammelt während der fortschreitenden Sanierung aller Räume ständig weitere Fotos, Bildnisse und alte Zeitungsbeiträge, um die Ereignisse in Plagwitz lebendig zu halten. „Wir schaffen hier also auch einen der seltenen Orte in Europa, an dem an Rosa Luxemburg erinnert wird“, so Folta.

Initiiert und vorangetrieben hat die heutige Enthüllung von Rosas Worten vor dem Haus – von Harald Alff und Bodo Grimme kunstvoll in den Boden gebracht – Volker Külow (Stadtrat, Die Linke), welcher in seiner Geburtstagsrede quasi das Ende, vor dem Rosa Luxemburg gewarnt hatte, aufzeigte. Direkt am Ort ihrer Rede, auf der Kreuzung vor dem Felsenkeller, wurde in den letzten, sinnlosen Kämpfen und Toden des zweiten Weltkrieges ein amerikanischer Panzer abgeschossen. Dabei starben fünf US-Soldaten in einem Krieg, den Deutschland schon lange und nun zum zweiten Mal verloren hatte.

Eine von vielen Szenen, die der Fotograf Robert Cappa damals in dramatischen Bildern für die Nachwelt einfing. 32 Jahre zuvor hatte Luxemburg am gleichen Ort vor jenen Sogkräften aus Gier und Brutalität gewarnt, die unter anderem hier ihr Ergebnis fanden.

Wenn sich anlässlich ihres heutigen Geburtstages also manche Gazetten fragen, was denn heute noch links sei, so kann man sich vielleicht nun jederzeit am Zitat vor dem Felsenkeller eine Anregung holen: klar in der Sprache könnte es sein, richtig in der Analyse unserer Zeit und hoch im Anspruch an das eigene Handeln.

Halt ein bisschen mehr wie Rosa.

Redebeiträge und Enthüllung der Denksteine am Felsenkeller am 5. März 2021

Video: LZ

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