Ich habe neulich eine Petition zum Verbot der AfD unterzeichnet. Das tat ich nicht leichtfertig und mit meinem bürgerlichen Namen, der immerhin vor vielen Jahren mal gut genug war, um Koks zu verkaufen, ein paar Jahre Kunst zu machen und sogar Jura zu studieren. (erfolglos!)  Außerdem ist das der Name, unter dem ich ein paar Festivals (mit) organisiert und ein paar Bücher verkauft habe.  Ich hätte diese Petition auch als unter meinem Pseudonym David Gray unterzeichnen können.

Gerade, weil ich es mir damit nicht leicht gemacht habe, unterzeichnete ich mit dem bürgerlichen Namen. Um ganz offen zu sein, gebe ich solchen Petitionen kaum Chancen auf Erfolg. Die politische Gemengelage ist dafür zu komplex und bereits die Versuche des NPD-Verbots haben bewiesen, wie hoch die Verfassungsrichter die Hürden für ein Parteiverbotsverfahren hängen. Aber weshalb, könnte frau/man jetzt fragen, hat der Typ denn nun trotzdem diese Petition unterschrieben? Um meinen Standpunkt als Antifaschist öffentlich ganz klar und eindeutig zu postulieren.

Ich will, dass die Leute, gegen die sich diese Petition richtet, sehr genau wissen, wer ich bin und wofür ich stehe.  Denn die Listen der Unerwünschten liegen doch längst für den Tag der „blauen Wende“ in den Schubladen bereit. Auf irgendeiner steht sicherlich auch mein Name.

Sollte eines Tages wer vor meiner Tür stehen und mit einem Dokument wedeln, das mir meinen Beruf, meine Heimat oder die Art, wie ich lebe, liebe, Sex praktiziere oder mit meinen Freunden umgehe, verbietet, dann will ich darauf hinweisen können, dass sie an die richtige Tür geklopft haben und dabei einen erwischten, der sie und alles, wofür sie stehen, aus Herz und Seele heraus, nein, eben nicht gehasst, sondern verachtet hat.

Und das, zwar nicht nur, aber eben auch aus der preußischen Tradition seiner Vorväter heraus. Deren bester Ausdruck für solche Fälle immer noch vom General von Hammerstein stammt, der nämlich sehr richtig feststellte: „Angst ist keine Weltanschauung“.

Cover Leipziger Zeitung Nr. 121, VÖ 02.02.2024. Foto: LZ
Cover Leipziger Zeitung Nr. 121, VÖ 02.02.2024. Foto: LZ

Angst ist gerade genug für alle da. Und Angst ist Währung und Münze, mit der die neuen Nazis und alten Rassisten ihre Wetten auf die Zukunft abschließen. Aber dort, wo Angst wächst, wachsen gewöhnlich auch Bewusstsein und Courage.

Hier ist ein Hinweis an alle blaubraunen Mitläufer, Karrieristen und all die gerade noch im medialen Unterholz dahin manövrierenden  Kulturkriegesgewinnler, die heimlich bereits ihre Preisreden für die Zeit nach der „Wende Zwo Punkt Null“ üben:  „In meiner Mannschaft spielen Heine und Kant, Brecht und Jünger, Heiner Müller und Anna Politkowskaya, Ingeborg Bachmann, Celan, Mascha Kalenko und W. H. Auden, William Butler Yeats und Orwell, Thomas Paine und Gerard Richter, Immendorf und Lüpertz, Marlene Dietrich und Yves Montand, Albert Camus, Josephine Baker und Banksy, in meiner Mannschaft spielen Millionen in den Lagern Ermordeter und Gedemütigter, in meiner Mannschaft spielt sogar fucking Snoopy.

Und was habt ihr auf eurer Blauschlumpfbraunen Seite? Matthias Matussek, Kubitschek, den Autor der „Turner Diaries“ und ein paar abgehalfterte Kabarettisten, Blumenmaler und Gehaltskleckser, die Kunst mit Kitsch verwechseln, weil sie sich ihr ganzes Leben lang vor Ironie gefürchtet haben.  In bester popkultureller Tradition, sage ich jedem von ihnen: „Geh und fick dich so ausdauernd ins Knie, bis du nur noch kriechen und nicht mehr stehen kannst!“

David Grays neuer Roman „Instinct – Der Tod in den Wäldern“ ist seit 2. Januar überall im Buchhandel erhältlich.

Kernaufgabe eines Kolumnisten wie meiner einer, der Hanswurst aus dem Textedepartemeng der PARTEI, ist das Studium der politischen Landschaft. Und während da draußen vom Insekt bis zum Vogel alles im Bestand rapide schrumpft, explodiert aktuell die politische Artenvielfalt. Blicken wir in den Dschungel des Politbetriebs und nehmen die putzigen kleinen Neugeborenen einmal genauer unter die Lupe.

Unsere Expedition startet dort, wo die Familienstammbäume noch ganz traditionell einen Kreis beschreiben: im Saarland. Das kleine Bundesland, das ungefähr so groß ist wie das Saarland, beherbergt eine ganz eigentümliche Sorte Parteifreunde. Frisch gegründet ist das Bündnis Sandra Wagenknecht. Der 80-jährige Oskar „Sleepy-O“ Lafontaine – Kämpfer für die Frauenrechte, die er ist – hat seiner Frau erlaubt, eine Partei zu gründen, aber nicht bevor er seiner letzten Parteigründung (manch eine kennt sie noch, es ist „Die LINKE“) nochmal so richtig einen hat mitgeben lassen.

Nach erfolgreicher Zerlegung der Linkspartei kennt die Wagenknecht-Partei über ein paar Schlenker nur eine Endstation, nämlich die Bedeutungslosigkeit. Zwischendrin wird’s noch ein paar Mandate geben, aber ich nehme gerne Wetten an, dass der Fanclub SW Saarland höchstens noch die nächste Bundestagswahl erlebt. Denn die Partei hat vor allem einen Nimbus, sie ist eine demographische Einbahnstraße. Eine Partei der Letztwähler sozusagen. Den Rest der Geschichte kann ihnen Frauke Petry erzählen.

Eine weitere Sammelstelle für die Alten, Verwirrten und Verärgerten ist noch jünger und fußt ebenso auf dem Größenwahn und den Illusionen eines Einzelnen. Die Partei der „WerteUnion“ mit dem Gesicht, das nicht zufällig die Brille Heinrich Himmlers trägt, Schorschi Maaßen. Als Imperialer Hexenmeister des staatlichen Faschoschutzes hat er eine Ja-Sager-Brigade unter seinem schwarzen Banner versammelt und so groß Anlauf genommen, dass die Rollatoren quietschen.

Cover Leipziger Zeitung Nr. 121, VÖ 02.02.2024. Foto: LZ
Cover Leipziger Zeitung Nr. 121, VÖ 02.02.2024. Foto: LZ

Eine Partei, wie sie Deutschland verdient hat – borniert, faktenfern und mit ganz viel Angst, dass die furchtbaren deutschen Zustände sich endlich irgendwie ändern könnten. Da kann man schon mal Angst bekommen, wenn jene, die man beim Bundesamt jahrelang protegiert hat, einem nun die Butter vom parlamentarischen Brot nehmen.

Denkt denn niemand auch nur einmal an den Verbleib von Hans-Georg? Auch er sollte doch späte Anerkennung für sein jahrelanges Treiben verdient haben, denkt er zumindest über sich selbst. Und da gerade alles so schön im Umbruch sich befindet, was liegt da näher als ein paar mickrige Prozente abzugreifen.

Als Vehikel dient die Partei „Werte-Union“, die schon vom Namen her klingt wie der Anfang eines schnell ausfällig werdenden Beschwerdebriefes an das Konrad-Adenauer-Haus. Erfolgsprognosen sehen noch deutlich übler aus, als bei Sandra W. Doch ihr Kolumnist ist ja kein Unmensch und wünscht dem HaGe eine behagliche Hobbithöhle in den Tiefen des Thüringer Waldes, wo er zetern darf, wie ihm das Kleintiergesicht gewachsen ist.

Für Sachsen, und in diesem Elend sind wir in Leipzig ja nun bekanntlich immer noch wohnhaft, gibt es noch eine dritte, ganz besonders abseitige Kleinpartei: Die Freien Sachsen. Wenn ihnen also die AfD zu wenig rassistisch, oder das BSW zu wenig populistisch, dann bleiben eigentlich nur noch die Galgenschnitzer aus dem Arzgebirg. Altgedienter Neonaziadel und fettgefressene Wutbürger in Bewegung, da bleibt keine Faust trocken. Man erhofft auch dort sich den Einzug in den Landtag oder wenigstens – mit Hilfe staatlicher Parteienfinanzierung – eine Bratwurst auf die Hand.

Oder sie ersparen uns allen die unaufregenden Selbstzerlegungsspiralen dieser Neobionten, und wählen gleich Die PARTEI.

Ihr MP in spe a.D.
Tom Rodig

„Haltungsnote: Der gute Name“ erschien erstmals im am 02.02.2024 fertiggestellten ePaper LZ 121 der LEIPZIGER ZEITUNG.

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