Blau, blau, blau – überall siehste nur Blau. Die Edelfedern überschlagen sich mit Hinweisen, Warnungen oder – wenn sie Matussek heißen – vor hämischer Freude, darüber, dass die Schlipsschlümpfe auf der Siegerstraße rollen. Fast schämste dich ja, in den Himmel raufzuschauen, weil der in letzter Zeit ja auch öfters blau ist …

Aber es dräut Rettung am (Farb)-Horizont. Die Sahra W. hat ihre Reck*innen zur Tafelrunde im Saarland gesammelt und den Turbo unters Neuparteienbastelspiel geschaltet, um rechtzeitig mit Vorlauf zur Bundestagswahl mit dem eigenen Spielstein auf dem bisher zu breit karierten bundesdeutschen Wahlbrett einreiten zu können.

Angesichts meines linksliberal in-den-Himmel-Schau-Problems, das sich aus den Blaumaxen mit den Trump-Gedächtnispowerschlipsen ergibt, frage ich mich bang, welche Tönung im Farbspektrum noch frei ist für die Sahra und ihre Reck*innen. Man tritt als Kolumnist und Intellektueller den jungen Parteitalenten ja gern mit Ratschlägen zur Seite.

Also Anarchistenschwarz haben schon die (angeblichen) Christen von der Union belegt. Smarter Move – muss man ihnen lassen. Blau ist von den neoliberalen Hilfs- und Vollfaschisten angepachtet. Die Öko-Hipsterspießer haben sich Grün gesichert und denken immer noch, dass sie sich damit die (farb)poetischen Hoffnungssymbol-Posipoints unter die balkonbeetschwarzen Nägel gerissen hätten.

Die politischen Trickbetrüger der Lindner-Gang halten Gelb besetzt und tiefer Rot und heller Rot beanspruchen traditionell die Wankel-Sozis und deren besten Feinde vom linksgedrehten Ingwertee-Stammtisch.

Blau weg, Grün weg, Schwarz weg, Rot weg – was bleibt da noch? Rosa? Da hat Mattel rechtzeitig den Claim mit ihrem Barbie-Film gelegt. Der angeblich feministisch sein soll. Obwohl er unterm Strich dazu dient, einem Konzern, der über 60 Jahre lang Geschlechterrollen à la Adenauer propagierte, neue Merchandise-Kohle in die Kasse zu spülen. Dazu, sich mit Mattel wegen des Pinks anzulegen, hat Sahra W. eher nicht den Schneid. Sowieso müffelt Pink für die Sahra Reck*innen sicher zu sehr nach Gendergaga …

Weiß? Das wäre doch was, oder?

Nee! Man denke nur an die zaristischen Konterrevolutionäre, die unter weißen Fahnen einst blutig gegen die rotbeflaggten Bolschewiki kanonierten. Obwohl der neue Zar den Sahra Reck*innen ein bisschen näher stehen mag als dem übrigen deutschen Parteienspektrum, ginge solch eine deutliche Symbolannäherung zu weit.

Ein Inspirations-Blick in Wikipedia schafft nur mehr Verwirrung. Farbspektren scheinen unter Experten so umstritten zu sein wie Gendersternchen unter konservativen Politiker*innen.

Türkis wird’s aber dann, oder? Ist zwar keine Primärfarbe, aber scheißt der Hund drauf. Hm, Freunde und Leser, Türkis als Mischung aus Blau und Grün käme schon hin, immerhin fischt die Sahra ja in deren Wählerbecken. Aber metaphorisch reicht’s nicht.

Sie fischt schließlich auch bei den Roten und Tiefroten und sicher auch Gelben. Die Geliebte geht bei solchen Problemen gern pragmatisch vor und schlägt Streifen vor. Blau, Grün, Gelb, Rot gestreift? Von kleinkariert hat man ja schon gehört, aber kleingestreift ist als Schimpfwort noch nicht profiliert. Satirisch interessant und grundsätzlich auch möglich, aber visuell zu verwechselbar mit der LGQBT+ Fahne.

Ich hab’s! Beige! Diese Nicht-Farbe. Die ist auf Insta gerade so fett in, die Hipster-Spießer fliegen drauf und sogar Onkel „AfD-früher-mal-SED“ Horst hat ne Strickjacke von Camp David in Beige. Bestimmt hält dann auch der Dieter B. bei Sahra W.s Beige-Parteigründungsakt ein gratis Ständchen, das Ganze dann live übertragen von RTL 2 …

„Haltungsnote: Hört die (Farb!) Signale“ erschien erstmals in der -August-Ausgabe, ePaper LZ 116, der LEIPZIGER ZEITUNG.

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