Am 22. August veröffentlichte der „Spiegel“ ein Interview mit dem Präsidenten des DIW, Marcel Fratzscher, ich welchem Fratzscher u.a. ein Pflichtjahr für Rentner in sozialen Diensten forderte. Nach unserer Ansicht zeigt dieses Interview eine Realitätsferne der Forderungen von Marcel Fratzscher bezüglich des Pflichtjahres und auch dem Einsatz von Rentnern bei der Bundeswehr.
Seine Äußerungen („Wir brauchen mehr Solidarität der Alten mit den Jungen“ und „Zu viel Ignoranz, Selbstbezogenheit und Naivität. Wir wollen schon lange die Realität nicht sehen. So haben wir nach dem Ende des Kalten Krieges gedacht, wir müssen uns nie mehr verteidigen – und haben die Friedensdividende verfrühstückt“ usw.) sind eigentlich ein Zeichen der Nichtanerkennung der Leistungen der jetzigen Senioren (Rentner) beim Aufbau des Staates und der Bewältigung der Probleme der Deutschen Einheit.
Unsere Erfahrung ist, dass eine Vielzahl der Rentner ehrenamtlich tätig ist. Sei es bei der Betreuung der Enkel als auch bei der Betreuung von kranken Familienangehörigen und Bekannten. Zahlen aus z.B. Baden-Württemberg (Seniorenverband Öffentlicher Dienst) – fast 44 % der 65– 74-Jährigen sind ehrenamtlich aktiv – bestätigen unsere Erfahrungen.
Bei den außerordentlich hohen Betreuungskosten in Pflegeeinrichtungen bleibt den meisten Rentnern nichts anderes übrig, als die Pflege von bedürftigen Familienangehörigen mit Unterstützung von ambulanten Pflegediensten selbst zu Hause zu übernehmen. Ich brauche nur täglich aus dem Fenster zu schauen, um die vielen vor Ort tätigen Pflegedienste in meiner unmittelbaren Wohnumgebung zu sehen.
Wenn da noch ein soziales Pflichtjahr für Rentner eingeführt werden sollte, bleibt zumindest für diese Zeit die familiäre Betreuung auf der Strecke!
Der zweite Punkt dieses Interviews betrifft die Nutzung der Kenntnisse und Erfahrungen ehemaliger Bundeswehrangehöriger im Rentenalter für die gegenwärtige Bundeswehr. Die Altersstruktur dieser Rentner ist so, dass diese vor mehr als 30 Jahren Bundeswehrangehörige waren.
Inzwischen ist die Waffentechnik weiterentwickelt, sodass die alten Kenntnisse nicht unbedingt heute noch nutzbar sind. Bleibt nur noch die Erfahrung mit dem Umgang der Waffentechnik und eventuell deren Wartung und Instandhaltung übrig.
Nach Ansicht unseres Vorsitzenden, Konrad Riedel, ist die Forderung nach dem Einsatz von Rentnern bei der Bundeswehr für viele unserer Rentner, die noch den Zweiten Weltkrieg als Kinder bzw. Heranwachsende erlebt haben, in die Nähe des Volkssturms zum Ende des Zweiten Weltkrieges gerückt. Mir ist nicht bekannt, ob Marcel Fratzscher jemals die Bundeswehr von innen gesehen hat.
Marcel Fratzscher ist nicht der Einzige, der solche realitätsfernen Forderungen erhebt. Schon im Juli hat der Soziologe und Generationsforscher Klaus Hurrelmann ähnliche Forderungen aufgestellt.
Wir, die wir als Rentner die Altersdiskriminierung zum Ende unseres aktiven Berufslebens oft erlebt haben, sind allerdings der Ansicht, dass nicht die eine Altersgruppe durch die andere Altersgruppe ausgespielt werden darf. Das führt nur zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft.
Vielmehr ist es wichtig, dass Jung und Alt gemeinsam die anstehenden Probleme bewältigen.
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Es gibt 9 Kommentare
Bei der vergangenen Bundestagswahl waren 13% der Wahlberechtigten unter 30 Jahre alt, aber 60% über 50 Jahre. Ein Pflichtjahr für Rentner? Was soll da schon schief gehen?
Mal wieder “irgendwie nur mitgemeint” … Schade, da hat jemand den falschen Leuten zugehört. Aber interessant, wie gut sich ein Text liest, wenn er durchgehend generisch geschrieben ist. Wirklich angenehm.
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Die Punkte aus dem inhaltlich wirklich guten Artikel sind schon alle valide. Man könnte aber noch ergänzen, dass diese zweigeteilte Sicht von Arbeit / Nacharbeit für unsere Gesellschaft typisch ist. Dass alte Leute weiter Aufgaben übernehmen ist anderswo typisch, und die Gründe dafür sind nicht zwingend Armut. Und die andere Seite von “in Ruhe gelassen werden” ist manchmal auch Isolation und Abkopplung von äußeren Einflüssen. Muss nicht immer gut sein.
Großartig, Ihr Kommentar, liebe Userin “Claudia”!
Ich empfehle noch einen weiteren Kommentar: https://www.jungewelt.de/artikel/506777.feldprediger-des-tages-marcel-fratzscher.html
Es gab den „wissenschaftlich-technischen Fortschritt“. Es wurden Maschinen, Fortbewegungsmittel, Techniken für alles Mögliche und Unmögliche entwickelt, mit und leider auch ohne Sinn und Maß konsumiert, sodass der Planet jetzt total runter ist, richtig? Hat das außer mir noch jemand gesehen? Lag das an zuwenig Arbeit? An zu wenig Wissen? An Rentnerinnen*? Die ganzen Errungenschaften sollten uns das Leben doch erleichtern, heißt mehr gutes Leben und weniger Arbeit. Es ist noch nicht genug?
Ich glaube nicht, dass ein „Mehr“ von unserem Tun unserer Existenz guttut. Viel weniger, aber mit Sinn! Nicht, wenn es schwierig wird, mit dem Finger auf Senioren zeigen. Wer das tut, hat in meinen Augen schlicht Angst davor, die Verantwortlichen zu benennen und sich einzugestehen, dass die Politik Wissen und Technik nicht im Sinne der Menschen und des Planeten eingesetzt hat und es auch weiterhin nicht will. Und er hat auch keinen Respekt vor Menschen und weiß nicht, was den Menschen ausmacht. Rentnerinnen zu Arbeit zwingen… sicher doch. Es wird doch hier von bis zu 67-Jährigen gesprochen, oder? Diese hätten in ihrem Arbeitsleben in geschätzten durchschnittlichen 35- bis 40-Stunden-Wochen nicht genug Arbeit geleistet; der Staat braucht jetzt noch mehr. Dann geht es allen besser…
Rentnerinnen sind aber nicht einfach vom Team Arbeitnehmerin in das Team Rentnerin gewechselt, wie zu einem anderen FC. Nein, sie sind Jahrzehnte gealtert! Sie haben Anspruch auf ein Dutzend kostenlose Vorsorgeuntersuchungen, weil ihre Körper schon mal unabhängig davon, was sie gearbeitet haben, anerkanntermaßen altersbedingt Schwächen zeigen. Seit sie Wickelkinder waren, heißt es für sie “Aufstehen, der Wecker hat klingelt”. Wenn ihr reguläres Arbeitsverhältnis mit dem Rentenalter endet, sollen sie nun noch ein „Pflichtjahr in sozialen Diensten“ machen? In einem Alter, indem die Durchschnittsfrau im Jahre 1950 schon starb und in dem die Durchschnittsfrau von heute darauf hofft, das letzte Lebensfünftel einigermaßen fit im Kreise ihrer Lieben selbstbestimmt gestalten zu können. Sie hatte die Ausbildung ihrer Kinder gesponsert. Sie hatte die Kindergartenjahre ihrer Enkelinnen schon nur von Arbeit aus begleiten können während sie sich noch um ihre eigenen Eltern gekümmert hat! Der Vorschlag von Herrn Fratzscher soll irgendetwas für die Menschen lösen? Ich kann nicht mal sehen, dass er Menschen mag oder kennt.
Mit 67 soll sich die Rentnerin also eine neue Arbeitgeberin suchen. Sie hat dann neue Kolleginnen, einen anderen Arbeitsweg und eine andere neue Aufgabe und zwar als Pflicht. Möglicherweise sogar arbeitsrechtliche Streitigkeiten und Wegeunfälle. Das ist genau das, was ich mir für mein Rentnerinnendasein erträume. Respekt vor Menschen bedeutet, sie im Alter von lebenslangen Pflichten zu befreien, ihre Leistungen mit Dank zu WÜRDIGEN. Sollte ich als 67-Jährige Rentnerin werden, werde ich 65 Jahre meines Lebens im Werktagsrhythmus verbracht haben. Von der Kinderkrippe über Schule, Ausbildung und Erwerbstätigkeit. Ich habe dann Anspruch darauf, dass man mich in Ruhe lässt, wenn ich mich nicht aus eigenem Antrieb Aufgaben für andere widme. Ich muss mich dann nicht mehr eingruppieren, an anderen messen und gegen Rentenzahlung erpressen lassen, von Leuten, die es nicht geschafft haben, ihre Optimierungswünsche innerhalb meiner über vierzigjährigen Erwerbs- und Erziehungszeit an mich heranzutragen.
Nun meldet sich schon tapfer die Vertretung der Rentnerinnen zu Wort und merkt zu Herrn Fratzschers Aufwiegelung der Generationen logischerweise an, man habe doch schon 30 Jahre dies und das und sogar Ehrenamt…, die Erde habe sich weitergedreht, man sei doch nun was älter und habe tatsächlich Familie … Und da kommen immernoch Tausendsassas von Leserinnen um die Ecke, die sich Pflichtarbeit für Rentnerinnen vorstellen können. Eine Seniorinnenunion habe einen „Aufschlag“ von Herrn Fratzscher zu parieren. Ernsthaft? Nicht jeder Ball, der seitlich in die Büsche knallt, war ein Aufschlag. Als wäre es in erster Linie Aufgabe einer Seniorinnenunion, Zukunftsvisionen für „die Jungen“ zu stricken oder gar etwas gutzumachen! Noch mehr entmutigen, kann man die Jugend aber auch nicht.
Geht ihr von euch aus? Habt ihr getrödelt? Zu wenig getan, von dem, was ging? Dann macht euch selbst JETZT nützlich und lasst die Rentnerinnen in Ruhe!
*Männer sind mitgemeint, wo sie denken, es könnte passen
Pflichtjahr hört sich eher wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Amtsärzte an, die die ganzen krankheitsbedingte Absagen an das Pflichtjahr bestätigen müssen. Wieviel Jahrgänge der Babyboomer sind eigentlich noch übrig?
Ja der Generationenvertrag ging ja davon aus das das Bruttoinlandsprodukt überwiegend durch sozialpflichtige Arbeit erwirtschaftet wird.
“Wer mit Rentenbeginn sich noch so fit und belastbar fühlt” (und es sich leisten kann), macht alles andere aber keinen Dienst an der und für die Gesellschaft.
Wie sich ein Vor-Renten-Dienst organisieren lässt, sollen sich die ausdenken, bei denen wir “Fürhung” bestellt haben. Und wer das alles nicht will, soll der Gen Y und Z erklären (die sich heute schon zerreißen, weil sie für die Alten und ihre eigene Vorsorge zahlen sollen), wie der Generationenvertrag weiterin verträglich mit Leben gefüllt werden kann.
Fratzscher hatte dazu einen Aufschlag gemacht, die Leipziger Seniorenunion nicht.
an EarlGrey: ein Pflichtjahr vor der Rente kann ich mir schlecht vorstellen, wie wollte das der Staat organisieren und wer zahlt in die Rente ein? Wer mit Rentenbeginn sich noch so fit und belastbar fühlt, kann und sollte ein freiwilliges Ehrenamt begleiten oder Pflege- und Betreuungsleistungen. Zum Artikel: Bei dieser ganzen unsäglichen Diskussion wird aber einfach vergessen, das die sog. Boomer das ganze Leben mehr oder weniger hinten an gesetzt waren. Das ging im Kindergarten los, das sie im Betreuungsschlüssel zu viele waren, in der Schule mussten sie in großen Klassen mit über 30 Schülern lernen, für die Lehre und im Studium fanden sie auf Grund der Anzahl der Interessenten oft nicht die gewünschte Ausbildung, im Beruf waren sie in gegenseitiger Kongurenz für einen guten Arbeitplatz oder viele wurden aussortiert in die Arbeitslosigkeit und jetzt sollen diese gebeutelten Boomer auch noch ein Rentner- Pflichtjahr absolvieren und von ihrer erabeiteten Rente auch noch einen Teil abgeben zur Bezahlung der Mindestrente für andere Mitrentner, anscheinend ohne das abstrahiert ob diese Mitrentner auch 45 Arbeitsjahre hinter sich haben oder nur in Teilzeit oder überhaupt gearbeitet haben. Wer kommt nur auf solche lebensfernen und unnötigen Ideen?
“Vielmehr ist es wichtig, dass Jung und Alt gemeinsam die anstehenden Probleme bewältigen.”
Und dabei hilft der Beitrag jetzt inwiefern?
Über ein Pflichtjahr für alle (m,w,d) nach der Schule und(!) vor der Rente, also insgesamt zwei Jahre für Staat und Gesellschaft, sollte aber dringend nachgedacht werden.