Im Rahmen „Autonomer Besetzungstage“ haben drei Personen ab Freitagabend ein Haus in der Lützner Straße besetzt. Die Aktion wurde nach Mitternacht durch Polizeikräfte beendet. Im Internet begründen die Urheber ihr Vorgehen mit Gentrifizierung, Verdrängungsgefahr und der grassierenden Wohnraumproblematik in Leipzig.

Eine Hausbesetzung in der Lützner Straße wurde am Morgen vom Samstag, dem 11. Oktober, gegen 01:00 Uhr nach mehreren Stunden durch Polizeikräfte aufgelöst. Zuvor hatte eine Gruppe unter dem Namen „Autonome Besetzungstage Leipzig“ (AbeTa) eine Mitteilung im Internet veröffentlicht: Demnach wolle man mit der Besetzung des Hauses in der Lützner Straße 99, Ecke Henriettenstraße, „auf die immer weiter fortschreitende Gentrifizierung der Stadt, besonders des Leipziger Westens, und die dramatische Lage auf dem Wohnungsmarkt hinweisen.“

Nutzungsideen wurden präsentiert

Da man sich in seiner Not nicht auf staatliche Unterstützung verlassen könne, habe man die Dinge selbst in die Hand genommen, mit dem Ziel, solidarisch finanzierten und bedingungslos vorhandenen Wohnraum zu schaffen, heißt es weiter in dem Internet-Post. Man sei offen für Verhandlungen mit der Stadt und dem Eigentümer, um auch einen Teil des Hauses Vereinen zur Verfügung zu stellen, die sich ihre Räume und Büros wegen gestrichener Fördergelder nicht mehr leisten könnten.

Außerdem wolle man eine Wohnung als Schutzort für Opfer rechtsextremer Gewalt bereitstellen, eine weitere solle als Rückzugsort für trans*-, inter-, agender- und nichtbinäre Personen dienen. Erinnert wurde in diesem Kontext an das Schicksal von Klaus R., einem 43 Jahre alten Mann, der im Mai 1994 in seiner Wohnung in der Lützner Straße von einem Neonazi-Quartett ermordet wurde und für den eine Gedenktafel aushängt. Bis heute sei Klaus R. offiziell nicht als Opfer rechtsextremer Gewalt anerkannt worden.

Polizei räumt Besetzung nach mehreren Stunden und entfernt Banner

Die Polizei war in der Nacht mit größerem Aufgebot angerückt und hatte die Situation seit dem Abend im Blick, als eine Spontankundgebung vor dem Haus angemeldet worden war. Nach anfangs relativ entspannter Atmosphäre kippte die Stimmung im Laufe der Nachtstunden. Unter teils heftigem Protest ließen Polizistinnen und Polizisten zunächst aufgestellte Sofas vor dem Haus abtransportieren.

Über einen Nebeneingang in der Henriettenstraße verschafften sich die Gesetzeshüter schließlich Zugang zum besetzten Haus, stellten dort drei Personen fest und entfernten die vier zur Lützner Straße hin sichtbaren Banner. Die Besetzung wurde aufgelöst und die Betroffenen offenbar allesamt freigelassen. Nach Angaben von Polizeisprecherin Rebecca Leede handelt es sich um zwei Frauen im Alter von 23 und 29 Jahren sowie einen 23-jährigen Mann. Es wurden Ermittlungen wegen Hausfriedensbruchs eingeleitet.

Besetztes Haus in der Nacht zum Samstag. Foto: LZ

Im Laufe des Geschehens waren neben der Benutzung von Pyrotechnik auch mehrfach böllerartige Knalle in der Umgebung zu vernehmen. Ob letztere im Zusammenhang mit dem Geschehen standen, blieb zunächst unklar. Im Umfeld des besetzten Hauses hatten sich nach Angaben der Polizei bis zu 70 Unterstützerinnen und Unterstützer eingefunden. „Ihr seid nicht allein“-Rufe und weitere Solidaritäts-Bekundungen schallten immer wieder durch die Straße, als die Polizei gegen die Besetzer des Hauses vorging.

Gruppe ruft zu weiteren Aktionen auf

Ob damit jetzt das letzte Wort gesprochen ist, bleibt abzuwarten: AbeTa jedenfalls ruft im Internet dazu auf, „Gentrifizierung, Mietwucher und Verdrängung“ entgegenzutreten. Wohnen und Lebenshaltungskosten würden immer teurer, Hilfsgelder gekürzt und viele Personengruppen der Gefahr eines Wohn- und Wirkungsraumverlustes ausgesetzt, zum Teil auch diskriminiert und benachteiligt.

„Die Stadtverwaltung begünstigt diese Vorgänge der Gentrifizierung nur noch, indem sie lieber hochmoderne Megaprojekte wie das Lene-Voigt-Karree, die ehemalige Karl-Krause-Fabrik oder die zum Glück vorerst gescheiterte Privatschule auf dem Jahrtausendfeld durchdrückt“, erklärt Alex, einer der Besetzerinnen und Besetzer.

Man wolle „Wohnungen für Menschen statt für Profite“ und „Freiräume statt überteuerte Hipster-Cafes“, heißt es weiter im Netz. Daher wird unter anderem auch an die Möglichkeit appelliert, selbst aktiv zu werden, indem man beispielsweise Häuser, Brachen und Plätze besetze.

Neue Hausbesetzung im Waldstraßenviertel?

Update Samstag, 11. Oktober: Auf der alternativen Internetplattform Indymedia ist am frühen Samstagmorgen von einer weiteren Hausbesetzung die Rede, diesmal in der Waldstraße: „Im Rahmen der Autonomen Besetzungstage Leipzig haben wir uns im ‚noblen‘ Waldstraßenvierten (sic!) die Waldi (Waldstraße 9) angeeignet. Wie auch die Henri, welche Freitag Abend besetzt wurde, stand die Waldi jahrelang leer, während immer mehr Menschen in Leipzig unter den steigenden Mieten und der damit verbundenen Wohnungsnot leiden“, heißt es in dem Statement.

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