Es gibt ja solche Sonntage, da liest man die seltsamen Meldungen auf den Monitoren der Leipziger Straßenbahnen und fasst sich an den Kopf: Für wie dumm halten die Autoren dieser keineswegs besonders aufregenden Meldungen eigentlich die Fahrgäste? Am Sonntag war da die Klage zu lesen, der Feinstaub in der Leipziger Luft würde sich aufgrund der Hochdruckwetterlage nicht auflösen.

Ursprünglicher Anlass der Meldung war die wiederholte Warnung des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) vom Donnerstag, 9. Februar. Denn die am 19. Januar 2017 begonnene Feinstaubepisode halte mit kurzen Unterbrechungen unvermindert an.

Hauptursache war zu Beginn die anhaltende Hochdruckwetterlage mit schlechten Ausbreitungsbedingungen für hier entstandenen Feinstaub. Wobei die Messdaten gerade aus Ostsachsen zeigten, dass mit dem Wind auch starke Feinstaubeinträge aus Osten nach Sachen geweht wurden. Grund ist der nach wie vor massenhafte Betrieb von Kohleheizungen bei unseren östlichen Nachbarn.

Die kalten Luftmassen über Sachsen sind seitdem kaum mehr in Bewegung. Das heißt: Luftschadstoffe, die vor Ort entstehen, werden kaum noch abtransportiert. Der (Fein-)Staub löst sich eben nicht auf, sondern wird normalerweise mit dem Wind weitergetragen. Wenn nicht, dann bleibt die staubbelastete Luft in den Städten hängen.

So auch in Leipzig, wo die beiden entscheidenden Messstationen nun seit Tagen zeigen, wie sich die Luft mit den zum Teil krebserregenden Partikeln aufgeladen hat. Und zwar bis in einen stark gesundheitsschädlichen Bereich. Das sind noch keine chinesischen Zustände, wo die riesigen Städte oft für Wochen in einem regelrechten Smog verschwinden. Aber die Feinstaubbelastung wird – nur weil man sie nicht sieht – nicht weniger gefährlich. Das Gefährlichste an dem Luftcocktail sind vor allem die Rußpartikel, von denen die meisten direkt aus dem Straßenverkehr stammen.

Die Tagesmittelwerte stiegen an einigen Messstationen mit 70 bis 110 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft deutlich über den EU-Tagesgrenzwert von 50 Mikrogramm, hatte das LfULG gemeldet. „Mit östlicher Luftströmung wurde ab dem 1. Februar zusätzlich mit Feinstaub vorbelastete Luft in den gesamten Osten Deutschlands transportiert, was sich wiederum auf die Feinstaubkonzentrationen in Sachsen ausgewirkt hat. Obwohl die Messwerte nicht mehr so hoch sind wie zu Beginn, wird der Feinstaubgrenzwert immer wieder überschritten: z. B. am Dienstag, dem 7. Februar, an 12 Luftmessstationen, gestern waren es sechs. Die meisten Tage mit Überschreitungen des Grenzwertes wurden seit dem 19. Januar an den Messstationen Görlitz (16), Zittau (11) und Leipzig-Lützner Straße (10) registriert. Erlaubt sind 35 Tage pro Jahr.“

Das „erlaubt“ sollte man zumindest mit Fingerspitzen anfassen. Es ist lediglich der Grenzwert, auf den sich die EU als Maximalzahl von Tagen mit Grenzwertüberschreitungen geeinigt hat. Er sagt genauso wenig über die Gefährlichkeit der Belastung aus wie die Belastungshöchstgrenze von 50 µg/m³. Wer es genauer wissen möchte, kann den Wikipedia-Beitrag „Feinstaub“ dazu lesen. Die Zusammensetzung der Feinstäube differiert sowohl jahreszeitlich als auch nach Gefährlichkeit. Und nicht die Größe oder das Gewicht der Partikel entscheidet über die Gefährlichkeit. Deswegen konzentrieren sich auch die Leipziger Forscher vom Institut für Troposphärenforschung vor allem auf die gefährlichsten Bestandteile: die Rußpartikel, die – als Dieselrußartikel – direkt aus dem Straßenverkehr stammen.

Der aktuelle Dieselskandal, der ja nicht nur den Volkswagen-Konzern betrifft, ist ja nicht deshalb so brisant, weil hier ein paar Verbrauchswerte bei Dieselmotoren geschönt wurden, sondern weil eine Verringerung der Luftbelastung vorgetäuscht wurde, die die getunten Fahrzeuge im normalen Straßenbetrieb nicht aufwiesen. Was sich in Leipzig auch nach Einführung der Umweltzone bemerkbar machte: Die Stickstoffoxidbelastung wollte einfach nicht unter die vorgegebenen Grenzwerte sinken. Und die Rußbelastung sank zwar messbar – aber nicht so stark, wie es nach den Versprechen der Autoindustrie eigentlich hätte passieren sollen.

Würde die Stadt Leipzig die Warnungen aus dem  LfULG ernst nehmen, würde sie für solche Wetterlagen, wie wir sie seit Januar haben, ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge aussprechen, die nicht die Euro-Norm 5 haben. Das würde zwar tausende Autofahrer ärgern, die so stolz auf ihre Diesel-Autos mit Euro-Norm 3 sind. Aber es wäre begründet und es würde ziemlich viele Leute, die immer noch so tun, als ginge sie das alles nichts an, zumindest für das Thema sensibilisieren – und für ein paar Tage zu Straßenbahnnutzern machen. Das ist kein schwerwiegender Eingriff. Aber davor scheuen die Hauptverantwortlichen zurück.

„Da keine durchgreifende Wetteränderung in Sicht ist, muss auch in den Folgetagen mit erhöhten Feinstaubkonzentrationen gerechnet werden. Menschen, die besonders sensibel darauf reagieren, sollten vorübergehend auf Ausdauersportarten im Freien verzichten“, hat das LfULG gewarnt.

Mittlerweile haben die Leipziger Messstationen weitere Tage mit Grenzwertüberschreitungen gemeldet – an der Lützner Straße waren es jetzt schon 14, an der Messstation Leipzig-Mitte am Halleschen Tor waren es 13. Und auch am Samstag, 12. Februar, meldeten beide Stationen mit 76 µg/m³ deutliche Grenzwertüberschreitungen.

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Es gibt 2 Kommentare

Ehrlich gesagt, möchte ich nicht für etwas herangezogen werden, was andere verursachen. Ich heize nicht mit Kohle und fahre nur die nötigsten Strecken mit meinem Diesel, der noch eine reale Klassifizierung besitzt, weil älter, aber Umweltklasse 3 (notgedrungen nachgerüstet).
Fair wäre tatsächlich, alle “geschönten” Fahrzeuge neu zu klassifizieren und somit ein Verursacherprinzip durchzusetzen. Dann würden die Folgen auch real beim Schuldigen ankommen, auch wenn der Ärger für die KfZ-Besitzer unangenehm ist.
(Abgesehen davon zeigt dies wieder einmal die zu simplifizierte Vorschrift mittels Grenzwert, der willkürlich gewählt wurde).

Ein ähnlich gelagertes Problem sind Stromgroßverbraucher: Diese werden für unbändigen Konsum sogar noch entlastet, während der Kleinverbraucher die Kosten für den Netzausbau tragen dürfen. Auch hier muss ein Verursacherprinzip durchgesetzt werden, einfach aus Gründen der Gerechtigkeit und Erziehung!

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