Das Klima der Erde ist komplex. Aufheizende Prozesse mit Treibhausgasen in der höheren Atmosphäre laufen parallel mit eher kühlenden Effekten durch Smog und vulkanische Rauchwolken. Bislang nahmen Forscher an, dass bei Beseitigung der extremen Luftverschmutzung über menschlichen Ballungsgebieten sofort der Aufheizungseffekt eintritt. Aber das erfolgt, wie jetzt Leipziger Forschungen zeigen, wohl doch mit einer Verzögerung um einige Jahre.

Wissenschaftler/-innen der Universität Leipzig haben in einer aktuellen Studie bisherige Annahmen über den Einfluss von Schadstoffpartikeln, sogenannten Aerosolen, auf die Klimaerwärmung revidiert. Mithilfe von Satellitendaten konnten Dr. Hailing Jia und Prof. Dr. Johannes Quaas zeigen, dass der Zusammenhang zwischen den Wassertropfen in Wolken und der Aerosolkonzentration stärker nicht-linear ist als vermutet.

Das bedeutet: In stark verschmutzten Regionen könnte die zusätzliche Erwärmung der Erde durch bessere Luftqualität deutlich später eintreten als bisher angenommen – vielleicht erst nach 20 oder 30 Jahren, verglichen mit früheren Berechnungen. Die Leipziger Studie wurde jüngst in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ veröffentlicht.

Bessere Luft, und nun?

Die Konzentration der Schadstoffpartikeln ist seit dem Jahr 2000 deutlich zurückgegangen. Das ist eine gute Nachricht, denn diese Aerosole sind schädlich für Mensch und Umwelt. Gleichzeitig hat damit auch die kühlende Wirkung dieser Partikel auf das Klima abgenommen: Aerosole in Form von Schadstoffpartikeln wie Feinstaub oder Schwefelsäure kühlen unser Klima ab, weil sie das Sonnenlicht reflektieren und das Reflexionsvermögen der Wolken erhöhen.

Bisher gingen Forscher/-innen davon aus, dass die Erwärmungseffekte durch weniger Aerosole in der Luft sofort spürbar sind. Die aktuelle Studie der Universität Leipzig zeigt jetzt etwas anderes.

„Mit unserer neuen nicht linearen Methode zur Berechnung der Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen konnten wir zeigen, dass in stark belasteten Regionen die zusätzliche Erwärmung durch Verbesserungen der Luftqualität erst zwei bis drei Jahrzehnte später eintritt als bisher angenommen“, sagt Erstautorin Dr. Hailing Jia, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leipziger Institut für Meteorologie der Universität Leipzig arbeitet.

„Unsere Studie verdeutlicht, wie komplex die Beziehung zwischen Aerosolen und Wolken ist und wie wichtig es ist, diese Wechselwirkungen besser zu verstehen, um zukünftige Klimaprojektionen verlässlicher zu machen.“

Einfluss der Luftqualität auf das Klima besser verstehen

Die Studie zeigt, dass eine genauere Modellierung dieser Prozesse notwendig ist. Damit eröffnen sich neue Wege, um den Einfluss der Luftqualität auf das Klima besser zu verstehen.

„Die Ergebnisse unserer Studie sind auch für die Klimapolitik von Bedeutung: Wann und wie stark sich eine Aerosolreduktion auf die globale Erwärmung auswirkt, muss genauer untersucht werden, um fundierte Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können“, sagt Prof. Dr. Johannes Quaas, Meteorologe an der Universität Leipzig.

Schätzungen gehen davon aus, dass eine wolkenvermittelte Erwärmung durch strengere Luftqualitätsstandards ab etwa 2025 in China und ab 2050 in Indien zu spüren sein wird. „Da wir uns dem 1,5°C-Ziel von Paris nähern, unterstreichen unsere Ergebnisse die Dringlichkeit, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um einen starken Temperaturanstieg zu vermeiden“, sagt Quaas.

Originalpublikation in „Nature Climate Change“: „Nonlinearity of the cloud response postpones climate penalty of mitigating air pollution in polluted regions“

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